Die vielleicht komplexeste von Menschenhand gebaute Maschine: Die Internationale Raumstation ISS wird auch von Felix Huber aus Kornwestheim gesteuert.Foto: Nasa Foto:  

Eigentlich wollte er selbst Astronaut werden. Doch als Felix Huber aus Kornwestheim im richtigen Alter war, gab es keine Stellen. Jetzt ist er Direktor am Deutschen Raumfahrtzentrum – und steuert die ISS am Boden.

Kornwestheim - Es ist ein echter Traumjob. „Das ist wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“, sagt Felix Huber. So euphorisch wie der Mann aus Kornwestheim sprechen wenige Menschen über ihren Beruf. Die Begeisterung ist nachvollziehbar. Der 54-Jährige macht das, wovon viele Jungen träumen: Er lässt Raketen ins All fliegen. Und steuert die Internationale Raumstation ISS. Er muss die Nerven behalten, wenn mal etwas schiefgeht – wie vor vier Wochen, als der Start einer Sojus-Raumkapsel zur ISS misslungen ist.

Felix Huber leitet seit 2009 den Bereich Raumflugbetrieb und Astronautentraining im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Das ist der schönste Job im DLR“, sagt Huber, „ich kann jeden Tag sehen, was die Astronauten machen.“

Alexander Gerst führt zu mehr Presseanfragen

Von Oberpfaffenhofen in Bayern aus wird das europäische Weltraumlabor Columbus gesteuert. Etwa 80 Wissenschaftler und Ingenieure überwachen und lenken die Experimente und die wissenschaftlichen Programme auf der ISS, sie sind die direkte Verbindung ins All – und zu dem Astronauten Alexander Gerst. Seit der 42-Jährige aus Künzelsau das Kommando auf der ISS übernommen hat, sind die Presseanfragen bei Felix Huber häufiger geworden. An der eigentlichen Arbeit vom Boden aus hat sich aber nichts geändert.

Eigentlich wäre er auch gerne selbst ins All geflogen. „Aber ich bin zehn Jahre zu früh, oder zu spät geboren – wie man’s nimmt“, so Huber. „Als ich im richtigen Alter war, gab es gerade eine Delle in der Raumfahrt.“ Es gab schlicht über mehrere Jahre hinweg überhaupt gar keine Ausschreibungen für solche Stellen. Zugetraut hätte er es sich allemal, auch wenn der Auswahlprozess sehr hart ist. Auf die aktuelle Ausschreibung hin hätten sich 8000 Bewerber gemeldet, nur sechs seien genommen worden. Wenn es medizinische Bedenken gebe, ist der Proband von vorneherein ausgeschlossen. Ein naturwissenschaftliches Hochschulstudium ist Voraussetzung. „Und man muss sich in andere Richtungen reindenken“, sagt Huber.

Psychotest für Astronauten in einer engen Kugel

Die Experimente, die Alexander Gerst momentan in 400 Kilometern über der Erde unternimmt, reichen von Biologie und Physik bis hin zu reinen Technologiedemonstrationen. Neben der körperlichen Fitness entscheidet im Endeffekt die Psyche darüber, ob jemand Astronaut werden kann oder nicht. Und die wird richtig herausgefordert. „Die Leute werden in eine enge Kugel gesteckt. Dann schaut man, wie lang sie da drin bleiben. Und da geht es nicht nur um zehn Minuten.“ Auch davor wäre Huber wohl nicht zurück geschreckt. „Raumfahrt wollte ich schon immer machen“, sagt er. Jetzt lenkt er eben die Astronauten vom Boden aus.

Hubers ehemaliger Physiklehrer Alfred Waldenmaier war später Direktor am Ernst-Sigle-Gymnasium. Er erinnert sich an ihn als einen Schüler, der sich schon damals von seinen Mitschülern intellektuell abgehoben habe. „Die Schule hat zumindest nichts verhindert“, sagt der Schulleiter rückblickend. Wohlwissend dass das Gymnasium durchaus einen guten Ruf hat, was die naturwissenschaftlichen Fächern anbelangt. „Aber an dem, was Felix Huber nach seinem Abgang erreicht hat, daran war die Schule nicht mehr Schuld“, sagt Alfred Waldenmaier. Huber habe nie mit seiner Meinung hinterm Berg gehalten – schon als Schüler nicht. Und er habe ein gesundes Selbstvertrauen gehabt. Das zeichnet ihn auch heute noch aus.

Wie im Fußball: Wenn alles läuft, war es das Team

Anderenfalls wäre es wahrscheinlich auch nur schwer möglich, jeden Tag mit der Gewissheit zur Arbeit zu gehen, dass er in der Verantwortung steht, wenn etwas schiefgeht. Der gebürtige Kornwestheimer hat 500 Mitarbeiter unter sich. „Das ist wie beim Fußball“, sagt Huber. „Wenn man gewinnt, gewinnt die Mannschaft, wenn man verliert, ist der Trainer schuld.“ Die ISS-Mission sei die spannendste. Doch auch das mobile Landegerät „Mascot“, das Anfang Oktober auf dem Asteroiden Ryugu gelandet ist, gehört zu den spektakuläreren Projekten, an denen Huber derzeit arbeitet. Das Gerät sammelt Daten, von denen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über den Ursprung unseres Sonnensystems erhoffen. Der Rest ist eher unspektakulär, aber nicht minder wichtig.

Denn ohne Satelliten bricht die moderne Kommunikation auf der Erde schnell zusammen. Kein Satellit – das heißt auch: kein Smartphone. Von Oberpfaffenhofen aus werden die Trabanten gesteuert, bei deren Manövern schon mal eine Million Parameter zu berücksichtigen sind. Und das klappt fast immer reibungslos. „Der beste Betrieb ist der, der nicht auffällt“, so Huber.

Eine Arbeit ganz ohne politische Querelen

Dennoch: Dass auch mal etwas schiefgeht, zeigt der anfangs erwähnte verunglückte Start einer russischen Sojus-Kapsel mit zwei Astronauten an Bord Anfang Oktober. Huber sieht das gelassen: Die Notlandung habe funktioniert, die Mission sei nicht gefährdet. Russen seien dafür bekannt, Fehler schnell zu finden und auszumerzen.

Überhaupt genieße es Huber, dass er in seinem Beruf mit Experten aus der ganzen Welt zusammen arbeiten kann: „Meine Arbeit ist von den ganzen Querelen explizit ausgenommen.“ Politische Differenzen, Sanktionen, Boykotte: Bei der Raumfahrt spielt das alles keine Rolle: „Das ist noch verbindender als Fußball.“ Hört sich wirklich nach einem Sechser im Lotto an.