Simon Dandi ist in Reutlingen im Haus einer Seniorin eingezogen, die sich dank des Mitbewohners wieder sicher fühlt. Foto: Haas

Der Togoer Simon Dandi hält nichts von Gewalt wie sie in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen ausbrach und setzt im Asylverfahren auf den Rechtsweg. Der 23-Jährige, der in Reutlingen eine Ausbildung zum Krankenpfleger macht, hat gute Chancen, bleiben zu dürfen.

Reutlingen - Das Unverständnis ist Simon Dandi anzusehen. Sich in einer Flüchtlingsunterkunft der Polizei in den Weg zu stellen, wie in Ellwangen geschehen, hält der 23-jährige Togoer für denkbar unklug. Überhaupt setzt der Asylbewerber, der 2014 nach Deutschland gekommen ist und in Reutlingen am Klinikum eine Ausbildung macht, lieber auf den Rechtsweg als auf handfesten Widerstand. Sympathie hat Simon Dandi aber durchaus für seinen gleichaltrigen Landsmann, dessen Abschiebung durch andere Flüchtlinge erst verhindert wurde und dann zu einer Großrazzia der Polizei führte. Mittlerweile sitzt der 23-Jährige in Haft. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat seine Abschiebung nach Italien am Dienstag für zulässig erklärt.

Die Warterei in einer Massenunterkunft sei unerträglich, erinnert sich Dandi an seinen Aufenthalt in Mannheim. „Ich hatte Angst, weil es immer wieder zu Aggressionen kam.“ Da staue sich viel Ärger auf, die ungewisse Zukunft mache allen zu schaffen. Für Togoer sei es nicht einfach, in Deutschland bleiben zu können, sagt er bedauernd. Obwohl der westafrikanische Staat aus Sicht der Bundesregierung nicht als sicheres Herkunftsland gilt, entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 2017 nur in acht Prozent aller Asylanträge zugunsten der Antragsteller. Mehr als 90 Prozent der Anträge wurden abgelehnt oder sind in der Jahresbilanz als erledigt gekennzeichnet. Nur wenige Flüchtlinge aus Togo beantragen Asyl in Deutschland – vergangenes Jahr waren es 370. Ende 2017 lebten laut Behördenangaben 10 615 Togoer in der Bundesrepublik, davon 2182 in Baden-Württemberg.

Dandi hat einen Beruf gewählt, der gefragt ist: Krankenpfleger

Gegen seinen abgelehnten Asylantrag hat Dandi Klage eingereicht, seine Chancen stehen gut, sich eine Zukunft in Reutlingen aufbauen zu können. Denn Dandi hat einen gefragten Beruf gewählt. Nach der Hauptschulprüfung meisterte er die einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer, seit September lernt er Krankenpfleger am Reutlinger Klinikum. „Ich wollte Fußballspieler oder Arzt werden“, sagt der Togoer. Da sei er glücklich gewesen über die Chance, in der Pflege einen Job zu finden. Das neue Integrationsgesetz ebnet ihm den Weg. Die sogenannte 3+2-Regel garantiert, dass er während der drei Lehrjahre und zwei anschließenden Arbeitsjahren nicht abgeschoben werden darf.

Keine zehn Fahrradminuten von der Klinik entfernt hat Dandi in bester Reutlinger Villenlage ein Zuhause gefunden. Oben wohnt eine ältere Dame, deren Ehemann verstorben ist. Unten hat Dandi für 200 Euro im Monat die Einliegerwohnung bezogen. Vors Fenster in den Garten hat er seinen Schreibtisch gestellt, vom Bett aus blickt er auf einen Flachbildfernseher. „Ich bin so froh über Simon im Haus“, sagt die Seniorin, die ihren Mieter über einen Aushang im Krankenhaus gefunden hat. „Seither fühle ich mich sicherer.“ Er sei sehr hilfsbereit, schaue jeden Tag nach dem Rechten. „Ich mag die Vermieterin sehr, sie ist sehr freundlich“, sagt Simon. Er packt an, wo er kann. Im Winter schippt er Schnee, im Sommer geht er mit Hund Louis spazieren oder hängt Vorhänge auf.

Die ehrenamtliche Deutschlehrerin hat Simon Dandi ins Herz geschlossen

Familienanschluss hat der Togoer bei seiner ehrenamtlichen Deutschlehrerin gefunden. „Ich habe ihn ins Herz geschlossen“, sagt Ingrid Estiry, die mit einem Iraner verheiratet ist und zwei Töchter hat. „Er ist so zielstrebig und kann hier bestens Fuß fassen“, beschreibt sie ihren Schützling. Im Gegensatz zu den Syrern und Eritreern, die sie kenne, wolle Simon nicht immer nur unter seinen Landsleuten sein.

Er spiele Fußball, sagt Simon, „früher als Stürmer beim FC Reutlingen Kreisliga B 3“, wegen seiner Schichtdienste sei er zum FC Mähringen gewechselt. „Ich bin der Schnellste auf dem Feld“, sagt er beiläufig, „ich schieße viele Tore“. Wie viele genau, kann er nicht sagen. Da müsse man den Trainer fragen. „Der zählt jedes mit.“