Tierphysiotherapeutin Kirsten Häusler hilft Retrieverhündin Cara auf den Gymnastikball. Ein Leckerli dient als Motivation. Foto: Waltraud Daniela Engel

Kirsten Häusler hilft kranken Tieren wieder auf die Beine – ohne Medikamente aber dafür mit viel Bewegung und menschlicher Zuwendung.

Möhringen - Der zehnjährigen Cara fällt das Aussteigen aus dem Auto sichtlich schwer. Während ihre vierbeinigen Kollegen Jack, Dexter und Itchy mit einem Sprung aus dem Kofferraum des schwarzen VW-Busses hüpfen, braucht die Golden Retrieverhündin erst mal Zuspruch und ein bisschen Unterstützung. Aber schließlich ist sie ja auch die Patientin von Tierphysiotherapeutin Kirsten Häusler und an diesem Tag zur Behandlung auf dem Trainingsgelände im Gewann Haldenwies zwischen Möhringen und Vaihingen.

Caras Besitzer bekamen vom Tierarzt zunächst die Diagnose, dass die Vorderläufe ihr beim Gehen Schmerzen bereiten. „Es hat sich aber herausgestellt, dass sie eine überbelastete Hüfte hat“, sagt Häusler. Diese – bei Retrievern sehr häufig vorkommende Krankheit – wird konventionell oft mit einer Operation und Schmerzmitteln behandelt. Wenn ein Hund allerdings zu viele Medikamente bekommen hat oder vielleicht aufgrund von Wechselwirkungen keine mehr bekommen kann, sei laut Häusler auch Tierphysiotherapie eine Alternative. Und die unterscheidet sich nicht sehr von der humanen Physiotherapie.

Es ist schon erstaunlich, wie schnell ein Effekt eintritt

In der Praxis in Degerloch gibt es neben einem Unterwasserlaufband, das Sehnen und Gelenke der vierbeinigen Patienten schont, auch moderne medizinische Geräte, wie sie in der Humanphysiotherapie auch zum Einsatz kommen. „Via Ultraschall-Elastografie können wir die Punkte sichtbar machen, die dem Hund Schmerzen bereiten“, erklärt Häusler. Mittels fokussierten Stoßwellen könne man so die Schmerzen relativ schnell in den Griff bekommen. Dass die Therapie bei Tieren erfolgreich ist, können diese zwar nicht direkt mitteilen, aber zum Beispiel ein besseres Gangbild oder der Wille zu längeren Spaziergängen zeige eine Besserung. „Es ist schon erstaunlich, wie schnell ein Effekt eintritt“, sagt die 37-Jährige.

Mittlerweile führt Kirsten Häusler Cara auf einen großen, erdnussförmigen Gummiball. Ein Leckerli dient als kleine Motivationsstütze. Zunächst recht zaghaft, dann immer sicherer stellt sich die zehnjährige Hündin auf die Hinterläufe und setzt die vorderen Pfoten auf dem Gummiball ab. „So können wir langsam ihre Rumpfmuskulatur stärken“, erklärt Häusler. Ob die Hündin weiß, welche Muskeln sie benutzt, ist fraglich – aber sie merkt, dass ihr die ungewohnte Bewegung gut tut und wird sicherer. Nach drei Versuchen kann die Tierphysiotherapeutin die Erdnuss schon hochkant aufstellen, um die Schwierigkeit für die Hündin zu erhöhen.

Zur Tierphysiotherapie ist die 37-Jährige durch einen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten gekommen. „Ursprünglich wollte ich Tiermedizin studieren“, sagt Häusler. Stattdessen begann sie in Hohenheim Agrarbiologie zu studieren und promovierte über die Konditionierung von Hühnern. In den USA entdeckte sie die Tierphysiotherapie für sich und absolvierte ein Zusatzstudium an der University of Tennessee. Hierzulande zunächst für ihren Beruf belächelt, eröffnete sie vor neun Jahren ihre eigene Praxis in Degerloch. „Mittlerweile haben auch Tierärzte erkannt, dass eine Tierphysiotherapie zur Nachsorge einer Operation dazugehört“, sagt Häusler.

Diese Selbstheilungskräfte sind schon ein kleines Wunder

Nach gut einer halben Stunde ist für Cara die letzte Trainingseinheit an der Reihe. Über zwei schräge Bretter balanciert sie in gut eineinhalb Meter Höhe über einen Steg. Der erste Versuch ist noch etwas wackelig, und die Retrieverhündin schmiegt sich zur Sicherheit an Kirsten Häusler an. Beim zweiten Versuch hilft nicht nur Häuslers Kollegin, Doro Braun, mit, sondern auch ihr Hund Abu, der quasi von hinten anschiebt. Mit vereinten Kräften klappt der Durchgang prima und die Hündin hält die Balance.

Kaum am VW-Bus angekommen, sieht man auch einen deutlichen Erfolg der Therapiestunde: Die Retrieverhündin Cara steigt selbstständig in den Kofferraum ein. Solche Erfolgserlebnisse motivieren Häusler besonders.

Ende vergangenen Jahres hatte sie einen besonders schweren Fall in der Praxis. Eine Hundebesitzerin bekam für ihren Hund vom Tierarzt die Diagnose Schädelhirntrauma. Der Hund hatte vier gelähmte Pfoten – der Tierarzt riet zur Einschläferung. „Die Besitzerin wollte sich nicht damit abfinden und brachte den Hund zu uns“, erzählt Häusler. Nach intensiven Therapien am Unterwasserlaufband – bis zu dreimal wöchentlich – kann der Hund wieder selbstständig laufen. „Diese Selbstheilungskräfte sind schon ein kleines Wunder“, sagt Häusler.