Bei der Arbeit: Metzgermeister Reiner Munz in der Wurstküche Foto: Gottfried Stoppel

Ein Metzger ruft seine Kunden dazu auf, weniger Fleisch zu essen! Reiner Munz betreibt die einzige Bio-Metzgerei Stuttgarts im Bio-Supermarkt Organix in Feuerbach – und fordert zum bewussteren Genuss auf.

Stuttgart - Dass Fleisch zu einem Ramschartikel geworden ist, findet Reiner Munz unanständig. Der Metzger fordert mehr Tier- und Umweltschutz. Was die bisherige Praxis bewirke, zeige sich ja an den Schlachtbetrieben, die Probleme mit Corona hätten.

Herr Munz, warum sind Sie der einzige Bio-Metzger in Stuttgart?

Manche Kollegen fahren zweigleisig. Mittlerweile haben auch alle Supermärkte Bioprodukte. Den Schritt konsequent zu tun, scheuen viele Metzger. Der Unterschied zwischen Bio-Fleisch und konventionellem ist sehr groß – vor allem was den Preis angeht. Da muss man voll und ganz dahinter stehen.

Und damit sind wir schon beim Vorurteil: Können sich nur reiche Menschen Bio-Fleisch leisten?

In Stuttgart gibt es natürlich eine höhere Kaufkraft. Aber wir haben auch Kunden, die passen ihr Essverhalten den Preisen an, weil es ihnen wichtig ist. Ich finde die gedankenlose Fleischesserei schlimm: hier einen Döner, da eine Currywurst. Lieber weniger Fleisch essen, dafür besseres. Dazu rufen wir unsere Kunden auf. Und dann kann man es sich auch leisten, wenn man nicht reich ist. Es ist schade, dass Fleisch zu einem Ramschartikel geworden ist und in den Supermärkten als Lockvogel benutzt wird. Das ist im Prinzip unanständig und wird den Tieren nicht gerecht, aber auch nicht den Menschen, die in der Branche arbeiten. Das hat sich jetzt in der Corona-Krise wieder gezeigt: Die Schlachtbetriebe stehen unter einem solch hohen Kostendruck, dass sie billige Arbeitskräfte aus Rumänien anheuern und sie ähnlich wie Tiere in Massenunterkünften unterbringen müssen.

Freut es Sie, dass zunehmend mehr Bio-Lebensmittel verkauft werden?

Ich finde schon, dass es durch den Klimawandel auch einen Bewusstseinswandel gibt. Das Wachstum zeigt das Potenzial. Aber es ist eine zweischneidige Sache. Die großen Supermarktketten tun es nicht aus Überzeugung, sondern als Geschäft. Dadurch kommt die Ware ebenfalls in die Preismühle und die Qualität leidet. Das zeigt das Beispiel eines deutschen Landwirts, der Bio-Kartoffeln für einen großen Händler produziert hat, bis sie in Ägypten billiger zu haben waren. Er musste sie dann an die Schweine verfüttern. Solche Geschäftspraktiken gibt es bei uns kleineren Betrieben nicht. Wir kaufen nicht irgendwo irgendwelche Waren ein.

Wie lautet Ihre Unternehmensphilosophie?

Unser Anspruch ist, ein klassischer Metzger zu sein, der handwerklich arbeitet. Das ist unser Ding. Wir wissen, woher unser Fleisch stammt. Wir arbeiten direkt mit Bauernhöfen zusammen und kennen alle unsere Lieferanten persönlich. Unser Lammfleisch stammt beispielsweise vom Dinkelsbühlhof im Schwäbischen Wald. Wir lassen die Tiere dort vom Metzger schlachten, damit die Transportwege kurz sind, und verarbeiten das Fleisch dann in unserer Produktionsstätte in Rudersberg. Wenn man ein Tier schon tötet, muss man es möglichst ganz verwerten: Das versuchen wir umzusetzen und zu leben. Wir haben alle eine Verantwortung für den Tier- und den Umweltschutz – der Erzeuger, der Hersteller und der Verbraucher.