Kein profanes Kostüm, sondern religiöses Original – allerdings ist der Bart nicht echt, sondern aus teurem Büffelhaar Foto: Kraufmann/ Wagner

Seit 31 Jahren besucht Wolfgang Kimmig-Liebe als Sankt Nikolaus Bedürftige in Stuttgart und der Welt. Auch sein Kostüm ist etwas ganz Besonderes.

Stuttgart - Wolfgang Kimmig-Liebe will den Menschen Trost spenden. Als Nikolaus besucht er kranke Menschen – auch in Krisenregionen. „Heute lebe ich so, wie es das Original einst vorgelebt hat“, sagt Kimmig-Liebe. Papst Benedikt XVI. hat ihn für sein Wirken gesegnet.

Herr Kimmig-Liebe, wie sind Sie zum Nikolaus geworden?
Zuerst war ich der Weihnachtsmann in diesem rot-weißen Pummelanzug, der sehr gut ankommt. Dann bin ich auf Sankt Nikolaus gestoßen, der damals in der türkischen Stadt Myra gelebt hat. Das habe ich mir zu Herzen genommen und die türkische Regierung gefragt, ob ich im Gewand des heiligen Nikolaus seine Geburtsstätte besuchen darf. Alle haben mich kräftig ausgelacht, das kommt heute noch vor, aber das macht mir wenig aus. Ich habe es geschafft und vom türkischen Kultusminister eine Einladung bekommen. Als ich dann in der St.-Nikolaus-Kirche in Myra stand, musste ich mich vom Weihnachtsmann auf den Nikolaus umstellen und dachte so bei mir: Ja, das machst du. Du machst den Menschen jetzt Freude, gehst auf sie zu und versucht Gutes zu tun, denn Gutes tun steckt an. Seitdem reise ich jedes Jahr in die Türkei. Anfangs wurde ich genau überprüft, aber wenn ich heute dort ankomme, lassen sie mich ohne Passkontrolle einreisen, weil man mich wiedererkennt.
Warum braucht es in der modernen Zeit noch eine traditionelle Figur?
Wir brauchen mehr Nikoläuse, auch ohne Gewand. Es gibt sie schon: Krankenschwestern, die Tag und Nacht ihre Patienten pflegen. Oder Menschen, die in den Hospizen und in den Altenheimen bedingungslos ihre Kraft opfern, sich aufopfern für andere. Genau diese Menschen möchte ich als Nikolaus unterstützen und ihnen Trost spenden.
Was macht einen richtigen Nikolaus aus?
Er kommt natürlich in der Vorweihnachtszeit und ist Bischof. Das wird oft verwechselt, und ich werde als Weihnachtsmann angekündigt. Der echte Nikolaus hat sich sein Leben lang um die Armen gekümmert. Heute lebe ich so, wie es das Original einst vorgelebt hat. Papst Benedikt XVI. hat das 2007 erkannt, mich gesegnet und offiziell zu einem der Nachfolger des Heiligen Sankt Nikolaus ernannt.
Wann und wie verwandeln Sie sich?
Ich möchte eigentlich immer Nikolaus sein, auch wenn man mich als Wolfgang Kimmig-Liebe beim VfB Stuttgart sieht oder ich mit meiner Freundin Karin ins Kino gehe. Aber spätestens im Mai kribbelt es wieder; der Höhepunkt ist die Zeit, wenn man mich ruft, das ist von August bis Januar. Ich besuche Kindergärten, Altersheime, Krankenhäuser und Hospize, denn Sterbende können nicht auf Weihnachten warten. Ich fliege aber auch im Gewand weg und bringe Spenden in Regionen wie Gaza, Aleppo oder zu Flüchtlingskindern an die türkische Grenze. Ich werde aber auch in Algerien und Marokko geliebt, die Kinder nennen mich dort Noel Baba.
Wie viel steckt von Ihnen selbst im Nikolausgewand?
Mir ist es vorbestimmt, als Nikolaus zu wirken und den Menschen Gutes zu zeigen. Aber es ist einfacher, Gutes zu tun in einem Gewand, da spüren es alle. Ohne Gewand schaut nicht jeder, da spüren es nur die Einzelnen. Mein Gewand ist kein Kostüm, sondern von der katholischen Kirche ausgeliehen und stammt von einem echten Bischof. Ich hüte es in meinem Schrank und trage es nur in der Türkei. Die heutige Nikolausfigur trägt ein Ornat, das signalisiert: Das ist etwas Heiliges. Ob in Gaza oder in Syrien: Selbst gläubige Muslime sehen mich als eine heilige Person an – das hat mir schon einige Male das Leben gerettet, als ich in Krisenregionen unterwegs war.
Was halten Sie von anderen Nikolaus- und Weihnachtsmanndarstellern?
Einfach ist das nicht. Ich begegne vielen auf dem Weihnachtsmarkt. Und sie machen ihre Aufgabe richtig gut. Aber es gibt hie und da welche, deren Charakter durch Alkohol verändert wird und die sich lächerlich mit diesem Kostüm zeigen. Das macht keine gute Werbung für den echten Sankt Nikolaus. Auch als Weihnachtsmann muss man die Würde tragen, ein guter Mensch zu sein. Wer in die Augen der Kinder schaut, der erkennt, wie ernst sie die Sache und eben auch die Darsteller nehmen. Da fällt einem im Traum nicht ein, sich im Gewand oder Kostüm danebenzubenehmen.