Ein Mitarbeiter des Syrischen Roten Halbmondes eilt durch ein Viertel von Ost-Ghuta nahe Damaskus im Rebellengebiet, das von Angriffen der Luftwaffe getroffen wurde. Foto: dpa

Die Lage im Bürgerkriegsland Syrien wird immer unübersichtlicher. Es gibt mindestens fünf verschiedene Schlachtfelder mit den unterschiedlichsten Gegnern: Nationen, Rebellen, Volksgruppen und Milizen.

Damaskus - Syrien ist gegenwärtig der brutalste Konflikt der Welt. Zwar ist der Islamische Staat nach einer dreijährigen Völkerschlacht besiegt, dafür aber gehen seit Beginn des Jahres die Beteiligten der internationalen Anti-IS-Allianz heftiger denn je aufeinander los. Ein Überblick über die fünf wichtigsten Schlachtfelder.

Assad-Regime gegen Opposition

Die schrecklichsten Bilder kommen derzeit aus Ost-Ghuta. Seit Tagen und Wochen wird die Rebellen-Enklave östlich von Damaskus rund um die Uhr bombardiert. „Was hier passiert, ist jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft“, sagte der UN-Hilfekoordinator für Syrien, Panos Moumtzis. „Dieser Albtraum muss aufhören, und zwar sofort.“ Allein in dieser Woche kamen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits mehr als 300 Frauen, Männer und Kinder ums Leben, die meisten begraben unter den Trümmern ihrer zusammengestürzten Häuser. Drei weitere Krankenhäuser wurden durch den syrisch-russischen Bombenhagel zerstört, Narkosemittel und wichtige Medikamente gehen zur Neige. Mehr als 1400 Menschen wurden in den letzten 72 Stunden teilweise lebensgefährlich verletzt, die letzten noch funktionsfähigen Hospitäler sind von dem Elend völlig überwältigt. Zehntausende der 400 000 Eingeschlossenen hungern. Seit Ende November ließ das Regime nur einen einzigen UN-Hilfstransport den Belagerungsring passieren. Inzwischen zieht Baschar al-Assad rund um Ost-Ghuta die Elitetruppen der Tiger-Division zusammen, die das gesamte Gebiet zurückerobern sollen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich von dem Leid der Menschen „zutiefst alarmiert“. Der militärische Durchbruch gelang Assads Armee vor gut einem Jahr, als sie nach einem Dauerbombardement den Rebellen ihre Hochburg Ost-Aleppo entreißen konnte. Die gleiche Strategie verfolgt das Regime nun auch gegen Ost-Ghouta und Idlib im Norden, wo vier Millionen Menschen leben.

Beide Enklaven gehören nominell zu den Deeskalationszonen, in denen die drei Astana-Mächte Türkei, Iran und Russland einen Waffenstillstand durchsetzen wollten. Daran hält sich niemand mehr. Am 3. Februar holten Dschihadisten einen russischen Kampfjet vom Himmel. Der Pilot konnte sich zunächst mit dem Fallschirm retten und sprengte sich am Boden mit einer Handgranate in die Luft, um nicht in die Hände der Aufständischen zu fallen. Zur Vergeltung verstärkten syrische und russische Kampfflugzeuge in Idlib ihre Angriffe auf Wohnviertel und Kliniken.

USA gegen Russland und Assad

Nach den Siegen in Rakka und Deir Ezzor tobt der Feldzug gegen die Reste des Islamischen Kalifates nun am syrischen Unterlauf des Euphrat. Entlang des östlichen Ufers rücken die arabisch-kurdischen Einheiten der Syrisch Demokratischen Front (SDF) vor, die von den USA ausgerüstet und aus der Luft unterstützt werden. Parallel dazu operieren am westlichen Ufer syrische Truppen mit iranisch-irakischen Milizen und russischen Söldnern. Am 7. Februar kam es zu einem bisher beispiellosen Zwischenfall. Nachdem die Assad-Seite die US-geführten SDF-Einheiten mit Panzern und Artillerie angegriffen hatten, wurde sie durch amerikanische Apache-Hubschrauber und Erdkampf-Jets unter Feuer genommen. Mindestens 200 Soldaten kamen ums Leben, darunter mehrere Dutzend russische Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe, die als Paramilitärs im Auftrag Moskaus in Syrien operieren. Ein solches US-Massaker an Russen könnte leicht in eine direkte Konfrontation zwischen USA und Russland münden. Wladimir Putin jedoch entschied sich angesichts der Präsidentenwahl am 18. März, den Vorfall zunächst zu ignorieren und dann herunterzuspielen. Washington ist inzwischen mit 2000 Soldaten vor Ort. Sie sollen laut US-Außenminister Rex Tillerson dort bleiben, und zwar auf unbestimmte Zeit.

Türkei gegen Kurden

Am 20. Januar gab Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Marschbefehl. Die türkische Armee überquerte die Grenze zu Syrien und marschierte in die kurdische Enklave Afrin ein. Sie gehört zu dem quasiautonomen Gebiet Rojava auf syrischem Territorium, welches aus den drei kurdischen Kantonen Al-Jazira, Kobane und Afrin besteht. Die Türkei will vor allem die Volksverteidigungseinheiten der YPG aus dem Grenzgebiet vertreiben, die sie wegen ihrer engen Verbindungen zur PKK für eine Terrororganisation hält. YPG-Einheiten bilden aber auch das Rückgrat der US-geführten Bodentruppen gegen den IS, mit denen die USA vor allem die ölreichen Landstriche im Osten Syriens unter ihre Kontrolle bringen wollen, um sie gegen das Assad-Regime als Faustpfand zu benutzen. Die türkische Offensive kommt bis jetzt nicht so recht voran, die Verluste sind mit 39 türkischen Soldaten und 205 syrischen Mitkämpfern relativ hoch. Am Dienstag kündigte Erdogan an, seine Armee werde Afrin direkt angreifen und abriegeln. „Auf diese Weise wird die Hilfe von außen blockiert“, erklärte er als Reaktion auf die Ankündigung von Damaskus, den Kurden militärisch beizuspringen.

Assad gegen Türkei

Die bedrängten YPG-Kurden von Afrin riefen die syrische Regierung zu Hilfe, weil die USA ihnen in diesem Konflikt mit Ankara die Unterstützung verweigert und Russland sich demonstrativ abseits hält. Seit Dienstagmittag rücken Assads Milizen in die Enklave und ihre Hauptstadt Afrin vor, empfangen von türkischen Artilleriesalven. Diese syrischen „Volkseinheiten“ sollen die Türken vertreiben und entlang der Grenze Position beziehen, was eine direkte Konfrontation zwischen Damaskus und Ankara praktisch unausweichlich macht. Für die Kurden hat die Intervention der ungeliebten syrischen Staatsmacht einen hohen politischen Preis, denn Assad will damit die Autonomie-Wünsche seiner kurdischen Minderheit beschneiden. Aber auch in der benachbarten Rebellen-Provinz Idlib könnten Assads Soldaten mit türkischen Truppen aneinandergeraten. Ankaras Streitkräfte richteten kürzlich in den Städtchen Al-Eis, Tel Touqan und Surman drei vorgeschobene Beobachtungsposten ein. Sie sollen das Vorrücken der Assad-Armee stoppen und das Regime hindern, Idlib zurückzuerobern.

Israel gegen Iran und Hisbollah

Zwar tat Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif den Auftritt von Benjamin Netanjahu auf der Münchner Sicherheitskonferenz als Zirkus ab, aber der Krieg der Worte eskaliert. Wütend hielt Israels Premier am Rednerpult ein Metallstück in die Luft, Teil einer iranischen Drohne, die seine Luftwaffe am 10. Februar über den Golanhöhen abgeschossen hatte. Als Vergeltung flogen israelische F-16 zwei Angriffswellen gegen iranische und syrische Stellungen. Auf dem Heimflug jedoch gelang es der syrischen Luftabwehr, einen der Jets vom Himmel zu holen. Nach Telefonanten Netanjahus mit US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin beruhigte sich die Lage zunächst. Doch Netanjahu ließ in München keinen Zweifel. Sein Land werde es nicht hinnehmen, dass der Iran eine „dauerhafte militärische Präsenz in Syrien“ etabliert und „eine neue Terrorbasis aufbaut, die uns bedroht.“ Nie zuvor stand die Islamische Republik mit eigenen Truppen so nahe vor der Haustür Israels. Und deren geistliche Machthaber denken nicht daran, das Feld in absehbarer Zeit wieder zu räumen. Etwa 3000 Revolutionäre Garden hat Teheran derzeit auf syrischem Boden, die in praktisch allen Kasernen als Militärberater und Ausbilder im Einsatz sind. Hinzu kommen mindestens 10 000 von Teheran rekrutierte und bezahlte Milizionäre, die überwiegend aus Irakern und Afghanen bestehen. Die libanesische Hisbollah ist mit 6000 Kämpfern vor Ort. „Testen Sie nicht unsere Entschlossenheit“, wandte sich Netanjahu in München drohend an die Adresse der iranischen Delegation und fügte hinzu, Israel werde, wenn nötig, nicht nur die Stellvertreter des Iran bekämpfen, sondern auch den Iran selbst angreifen.