Ministerpräsident Armin Laschet auf dem CDU-Landesparteitag am 9. Juni: Botschaft und tatsächliche Erfolge wollen noch nicht recht zueinander passen. Foto: dpa

Seit einem Jahr regiert Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen. Viel ist der Koalition noch nicht gelungen. Da hat Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Glück, dass die oppositionelle SPD seit ihrem Absturz vor allem mit sich selbst beschäftigt war.

Düsseldorf - Dass Armin Laschet (CDU) am 27. Juni 2017 zum nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, hatte er drei Wahlkampfhits zu verdanken: Vor allem in puncto Sicherheit, Schule und Verkehr hatte die CDU der SPD-Gegenspielerin Hannelore Kraft Versäumnisse vorgeworfen. Ein Jahr später haben Laschet und sein Koalitionspartner FDP selbst kaum Zählbares vorzuweisen.

 

Aktionismus in der Sicherheit Initiative zeigt die Regierung auf dem Feld der Sicherheit, nachdem im Wahlkampf gebetsmühlenartig „No-Go-Areas“ beklagt worden waren, in denen sich nicht einmal die Polizei mehr hineintraue. Medienwirksam wurden große Polizeieinsätze etwa im Essener Norden inszeniert, um gegen Clan-Kriminalität vorzugehen. Martin Florack, Politikwissenschaftler an der Universität Siegen, nennt dies „Symbolpolitik ohne große substanzielle Veränderung“.

Zudem hat Innenminister Herbert Reul (CDU) ein neues Polizeigesetz nach bayerischem Vorbild mit mehr Kompetenzen für die Polizei erarbeitet – doch vor wenigen Tagen wurde das Werk wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht zuletzt beim Koalitionspartner FDP zurückgestellt. Entschärfungen wurden bereits angekündigt. „Da ist der Aktionismus ziemlich schnell gebremst worden“, urteilt Florack.

Auch sollen bis 2022 jährlich 2300 neue Stellen für die Polizei geschaffen werden, doch kaum anderes hatte auch die alte rot-grüne Regierung versprochen. Stellen zu schaffen sei ohnehin leichter, als geeignete Bewerber zu finden, meint Florack. An der Praxis ändere dies zunächst nichts.

Alte Frontstellung in der Schulpolitik Größter Schritt in der Bildungspolitik ist die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium – dieser Beschluss muss erst einmal umgesetzt werden. Spannend findet der Politikwissenschaftler die neue Zuspitzung um den sieben Jahre alten Schulkonsens, mit CDU, SPD und Grüne damals einen jahrzehntelangen Konflikt über das Schulsystem beigelegt hatten. Die SPD sieht das Abkommen von der CDU verletzt und überlegt, den Kompromiss aufzukündigen. Und die Schwarzen werfen den Roten vor, sie wollten jetzt doch wieder nur die Einheitsschule. „Das wäre eine Rückkehr zur alten Frontstellung“, sagt Florack. Die Schulministerin Yvonne Gebauer ist von der FDP, die sich am Schulkonsens ohnehin nicht beteiligt hatte – dies begünstigt die Polarisierung noch.

Aktuell fehlen etwa 1800 Lehrerstellen. Den „Lehrermangel hat die neue Schulministerin genauso am Hals wie die alte“, sagt der Politologe. „Insofern hat das Feld Potenzial, für die neue Regierung genauso ein Verliererthema zu werden wie für die alte.“

Hilfe für die Wirtschaft Weil der Landeshaushaushalt so viel Geld wie Jahrzehnte nicht mehr hat, ist das alte Streitthema Verschuldung abgeräumt. „Das ist aber auch kein Steuerungsthema für die Landesregierung, weil die verfügbaren Landesmittel im Haushalt relativ gering sind“, sagt Florack. Dies passe nicht zur öffentlichen Aufmerksamkeit.

FDP-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart erfreut die Wirtschaft zudem mit „Entfesselungspaketen“. Da geht es unter anderem um eine Lockerung des Ladenschlusses, die Abschaffung der sogenannten Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe, die Überarbeitung des Tariftreuegesetzes für die öffentliche Hand und die Beschleunigung von Planungsverfahren. „Hübsch“ sei dies alles, sagt Florack. Dies werde jedoch nicht über die wirtschaftspolitische Orientierung von NRW entscheiden. Eine eigene Wirtschaftspolitik lasse sich daraus ohnehin nicht ableiten.

Entscheidend werde eher sein, welchen Kurs die Regierung in der Energiepolitik und beim Kohleausstieg einschlägt. Immerhin eint Laschet und die großen Gewerkschaften das Interesse am Erhalt des Industriestandortes, weshalb die Arbeitnehmerorganisationen derzeit noch eine „Beißhemmung“ hätten.

NRW steht noch immer im Stau Auch die Verkehrsstaus waren ein Dauerbrenner im Wahlkampf. „Das war klassische Propaganda ohne Substanz“, sagt Florack. Heute stehen die Autofahrer noch immer im Stau. Das Problem: die Situation wird eher noch schlechter, sobald viel Geld in die marode Infrastruktur fließt, weil die Zahl der Straßenbaustellen dann entsprechend zunimmt. „Etwas anderes zu behaupten, war von Beginn an unredlich.“

Schwächen beim Personal Nach dem Bundestagswahlkampf und der Regierungskrise in Berlin hat die Landespolitik erst von Februar an Fahrt aufgenommen. Noch immer hat der Ministerpräsident als CDU-Vize mehr mit dem Unionschaos, mit Bundes- und Europapolitik zu tun als mit Landespolitik. Das hemmt ihn. Die FDP wiederum musste sich nach dem Abgang von Parteichef Christian Lindner gen Berlin neu ordnen.

Zudem zeigte Laschet keine gute Hand bei der Personalauswahl. Zunächst wollte er den Medienunternehmer Stephan Holthoff-Pförtner zum Medienminister machen – das ging schief. Im Mai musste auch noch die affärengeplagte Umwelt- und Agrarministerin Christina Schulze Föcking (CDU) zurücktreten. „Sie war von Beginn an mit Vorwürfen konfrontiert und für die Opposition das billigste Opfer“, sagt Florack. „Da hat sich Laschet Probleme eingehandelt, die er hätte vermeiden können.“

Das Glück der CDU: Speziell die SPD, die an diesem Samstag Sebastian Hartmann zum neuen Chef wählen will, sei sehr mit sich selbst beschäftigt. „Die Opposition hat zu vielen konkreten Fragen selbst keine Antworten“, sagt Florack. „Daher ist kein Widerstand im parlamentarischen Betrieb erkennbar.“