Nach dem Messerangriff auf den damals 25-Jährigen Daniel H. war es im Sommer 2018 in Chemnitz zu schweren Ausschreitungen gekommen. Foto: AP

Ob es nach einem tödlichen Messerangriff in Chemnitz „Hetzjagden“ auf Migranten gegeben hatte, wurde lange diskutiert. Nun berichtet ein Rechercheverbund über Erkenntnisse des Sächsischen Landeskriminalamts.

Dresden/Chemnitz - Bei den Ausschreitungen in Chemnitz vor einem Jahr ist es offenbar zur gezielten Jagd auf Migranten und vermeintliche Migranten gekommen. Das geht aus Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und NDR hervor, deren Ergebnisse am Montagabend online veröffentlicht wurden.

In Chats auf den Handys von Rechtsextremen aus dem Großraum Chemnitz sollen sich dem Medienbericht zufolge zahlreiche Dialoge finden, in denen sich die Rechten zu „Jagden“ verabredet hätten. Der Rechercheverbund beruft sich auf einen vertraulichen Bericht des sächsischen Landeskriminalamtes (LKA).

Demo-Teilnehmer sprachen selbst von „Jagd“

Am 26. August 2018 war in Chemnitz ein Deutscher nach einer Messerattacke getötet worden. Der Streit um die Frage, ob es anschließend Hetzjagden gegeben habe, wurde auf Bundesebene zur Zerreißprobe für die Koalition aus Union und SPD – und führte letztlich dazu, dass der damalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, seinen Posten verlor.

Das Landeskriminalamt komme in seinem Bericht zu der Einschätzung, die Demonstrationen seien durch „eine hohe Gewaltbereitschaft gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten, Personen mit tatsächlichem oder scheinbaren Migrationshintergrund, politischen Gegnern, sowie Journalisten“ geprägt gewesen, hieß es. Die Mehrheit der Chats stamme vom 26. und 28. August 2018. Demnach hätten rechtsextreme Demonstrationsteilnehmer selbst den Begriff „Jagd“ verwendet, Tage bevor die mediale Debatte über die Frage der Hetzjagden angestoßen wurde.

Sachsens Ministerpräsident: Gab „keine Hetzjagd“

Einer der Chatteilnehmer, der spätere mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe „Revolution Chemnitz“, Christian K., soll dem Bericht zufolge am Nachmittag des 26. August versucht haben, weitere Teilnehmer für die Demonstration zu mobilisieren. Einem Chatpartner soll er mitgeteilt haben, er wisse noch nicht, wie es weiterginge, und dass er keine Information habe „ob noch eine Jagd ist“, hieß es. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte nach den Ausschreitungen in Chemnitz in einer Regierungserklärung im Landtag erklärt, dass es „keinen Mob und keine Hetzjagd“ gegeben habe.