Die Fraktionsspitzen von Grünen und CDU pflanzen als Symbol für nachhaltige Zusammenarbeit einen Baum vor dem Landtag. Foto: dpa

Schwarze Trauben und Kiwis sind passé, jetzt gibt es Butterbrezeln. Grüne und CDU feiern, dass sie das erste Jahr ihrer Koalition geschafft haben. Ausgelassene Freude will beim Fest im Landtag aber nicht aufkommen.

Stuttgart - „Grenzenlos glücklich“, steht unter den bunten Bildern auf den Stellwänden im Landtagsfoyer, in dem die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU am Dienstag den ersten Jahrestag ihrer Koalition gefeiert haben. Doch das Motto bezieht sich nicht auf die Papierhochzeit von grün-schwarz, wie man im Duktus der Ehejubiläen sagen würde, es ist der Titel einer Ausstellung, die derzeit im Landtag gezeigt wird. Die spielt mit Flaggen und hat mit Grün-Schwarz gar nichts zu tun.

Die erste grün-schwarze Regierungskoalition gleicht nach einem Jahr eher einem Zweckbündnis. Die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) haben zum Frühstück geladen. Vorbei die Zeiten, als wie vor einem Jahr bei der Präsentation des Koalitionsvertrags grüne Kiwi und schwarze Trauben symbolträchtig die Tische zierten. Jetzt gibt es Butterbrezeln, Müsli, Fruchtsalat und belegte Brötchen. Man ist im nüchternen Alltag angekommen. Man hat ein Butterbrezelverhältnis.

Die Abgeordneten beider Seiten sind nicht eben vollzählig erschienen. Längst nicht alle sahen die Feierlichkeit am späten Vormittag als hinreichenden Anlass, früher in die Landeshauptstadt anzureisen, als es die nachmittäglichen Fraktionssitzungen erfordern. Die Stehtische füllen Fraktionsmitarbeiter auf.

Grüppchen bleiben unter sich

Die Feier hat den Charme einer Pflichtveranstaltung. Die Grüppchen bleiben vorwiegend unter sich, schwarze Abgeordnete unterhalten sich meist mit schwarzen Abgeordneten, grüne mit grünen. Nicht viele finden einen Grund zu Freude. Doch, Nicole Razavi, die Verkehrsexpertin der CDU, ist zufrieden. Sie feiert „ein Jahr ganz erfolgreiche Koalition“. Grün-Schwarz sei „erfolgreicher als zu Anfang erwartet“ und der CDU gehe es gegenwärtig ganz gut. „Wir haben unsere Themen bisher ganz gut vermittelt, das wird draußen wahrgenommen“. Ihr Fraktionskollege Winfried Mack, der sich am Anfang gar nicht mit der Idee eines grünen Partners anfreunden konnte, witzelt jetzt „der Ministerpräsident ist bei der CDU“ und Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Agrarministerium findet, „es kann so weiter gehen“. Gut, es gebe regelmäßig Konflikte, „doch wir haben eine Konfliktlösungsstrategie gefunden“.

Chance in der Unterschiedlichkeit

Die Grünen tun sich schwerer, Positives zu finden. Ein Jahr sei schon ein Grund zu feiern, meint Sandra Boser, die Bildungsexpertin. „Wir ziehen im Großen an einem Strang“, man müsse in die Zukunft schauen, sagt sie und dass auch eine Chance darin liege, „dass so unterschiedliche Partner zusammen gefunden haben“.

Weil es zu einer richtigen Familienfeier gehört, sprechen die Oberhäupter die offiziellen Worte. Andreas Schwarz findet es „Beachtlich, dass wir uns auch in strittigen Themen einigen“, etwa bei der Luftreinhaltung. Er sagt, „wir arbeiten gut zusammen, wir stellen immer das Wohl des Landes in den Mittelpunkt“. Wolfgang Reinhart hat „Anfangszauber“ wahrgenommen, der sei jetzt aber vorbei. Jetzt sei man in den Mühen der Ebene angelangt, aber die Partnerschaft habe sich im ersten Jahr bewährt. Jeder müsse seinen Anteil an Kompromissfähigkeit einbringen „den guten Willen haben wir“.

Baum als Symbol

Auch an Symbolik fehlt es nicht. Man pflanzt einen Baum. Weil es immer gut ist, einen Baum zu pflanzen, wie Andreas Schwarz sagt. Weil es Stuttgart besonders gut tut, einen Baum zu pflanzen, und weil er für „,mehr Grün in der Stadt“ ist.

Auch Wolfgang Reinhart findet die Baumpflanzung eine gute Idee. So ein Baum ist halt etwas bleibendes, „was wir politisch gestalten, soll auch etwas bleibendes sein“. Dann Reinharts Wunsch gemünzt auf den Baum und wohl auch auf die Koalition „vivat, crescat, floreat“ (er möge leben, wachsen und gedeihen).

Dann zieht die überwiegend dunkel gekleidete Festgemeinde auf den gepflasterten Wegen unter Umgehung des Baustellendrecks zum Ort der Baumpflanzung. Spötter fühlen sich an einen Trauerzug erinnert. Dann warten auch schon die Spaten und symbolträchtig schaufeln erst mal die Fraktionsspitzen Boden auf dem Wurzelballen.

Gepflanzt wird eine Winterlinde, sieben Meter hoch, zwischen 15 und 20 Jahre alt, vier mal verpflanzt, wie die Experten der Möhringer Gartenbaufirma erklären, die abseits des Geschehens darauf warten, bis sie die Planen, die zum Schutz des feinen Schuhwerks ausgelegt waren, einrollen können um den Baum tatsächlich zu pflanzen, während die Gesellschaft längst zu Prisecco aus Schlat und Pinot Pix vom Weingut des Abgeordneten Reinhold Pix ins Foyer zurückgekehrt ist.

Die Grünen versäumen nicht zu erwähnen, dass sie ja schon 1980 zu ihrem Einzug in den Landtag einen Baum gepflanzt hätten. Dies e Linde sei jetzt immerhin 20 Meter hoch. Allerdings sei die erste eingegangen, das wird aber nicht offiziell erklärt.

Nüchterne, aber positive Bilanz

Eine Stunde nach den Parlamentariern werden die Regierenden ebenso nüchtern eine positive Bilanz ziehen. Dafür, dass wir uns nicht gesucht haben aber finden mussten, arbeitet die Koalition gut zusammen“, konstatiert der Ministerpräsident. „Und es wird immer besser“, sagt Winfried Kretschmann. „Wenn es drauf ankommt, haben wir das Land und seine Menschen im Blick“. Sein Vize Thomas Strobl verweist extra auf seine lindgrüne Krawatte, die er zur Feier des Tages angelegt habe. Er geht so weit zu sagen, „die CDU ist glücklich mit der Koalition. Sie wird sie zu Ende führen.“ Vielleicht ist das Glück nicht grenzenlos. Aber auf die Frage, was verbessert werden sollte, fällt weder Strobl noch Kretschmann eine Antwort ein.