Der frühere VW-Chef Matthias Müller, die Chefs vom BMW und Daimler – Harald Krüger und Dieter Zetsche – sowie der damalige Verbandspräsident Matthias Wissmann (v. li.) zählten zu den Teilnehmern des Dieselgipfels vor einem Jahr. Foto: dpa

Auf dem Dieselgipfel vor einem Jahr wurde viel beschlossen: Was hat sich bewährt, was floppt? Ein Faktencheck.

Berlin - Bund, Länder und Autoindustrie haben vor einem Jahr auf dem Dieselgipfel eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Luftqualität in Großstädten zu verbessern. Was ist aus den Versprechen geworden? Ein Überblick.

Hat sich die Autoindustrie an ihre Zusagen gehalten?

Bisher sind nicht alle Zusagen eingelöst. Wort hielt die Automobilindustrie beim Versprechen, dass sie sich am Sofortprogramm „Saubere Luft“ finanziell beteiligt. Die Hersteller Daimler, VW, BMW und Ford haben sich verpflichtet, 250 Millionen Euro zum Ein-Milliarden-Euro-Programm beizutragen. Sie erhöhten sogar ihren ursprünglichen Anteil, weil sich die ausländischen Importeure verweigern. Dabei tragen auch ausländische Autos zur schlechten Luft in deutschen Städten bei. Wegen der späten Regierungsbildung und der verzögerten Verabschiedung des Bundeshaushalts konnten die Hersteller das Geld zunächst nicht überweisen. Ein Hersteller soll jetzt bezahlt haben, die übrigen sollen das bis September tun.

Wo bleibt die Autoindustrie hinter den Versprechen zurück?

Die Autokonzerne sagten vor einem Jahr zu, 5,3 Millionen ältere Dieselfahrzeuge mit einem Software-Update auszurüsten. Damit soll der Stickoxidausstoß der Fahrzeuge um ein Viertel reduziert werden. Doch die Umrüstung kommt nur schleppend voran. In der Zahl von 5,3 Millionen nachzurüstenden Dieselautos sind 2,5 Millionen Pflichtrückrufe von VW enthalten, die von den Behörden schon 2016 angeordnet worden sind. Volkswagen muss die Abschalteinrichtungen mit Software-Updates rückgängig machen. Der Austausch bei VW ist fast abgeschlossen. Bei den übrigen Software-Updates handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Hersteller. Bisher sind in dieser Gruppe nur rund 400 000 Software-Updates aufgespielt worden: Insgesamt sind damit 2,9 Millionen Dieselautos umgerüstet. Bis Jahresende sollten alle 5,3 Millionen Fahrzeuge auf neuem Stand sein. Das ist kaum zu schaffen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte: „Ich habe die Unternehmen dazu aufgefordert, bis zum 1. September die Software-Entwicklung für die Updates abzuschließen.“ Grund für die Verzögerungen sind auch lange Genehmigungsprozesse beim Bundesamt. Der Deutsche Städtetag hält die Software-Updates nicht für ausreichend. Der Spitzenverband der Kommunen fordert Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselautos.

Kann die Autoindustrie auch einen Erfolg vorweisen?

Ja, die Kaufprämien für Neuwagenkäufer kamen bei den Kunden gut an. Die Hersteller lockten mit Preisnachlässen von mehreren Tausend Euro, wenn Kunden ihren alten Diesel in Zahlung gaben oder verschrotten ließen und im Gegenzug einen Neuwagen mit niedrigen Schadstoffwerten kauften. Die Aktion lief bei den meisten Marken Ende Juni aus. Nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie (VDA) machten 200 000 Kunden vom Angebot Gebrauch. Dies dürfte sich auch noch in den nächsten Monaten positiv bei den Neuzulassungen bemerkbar machen. Den größten Erfolg mit den Kaufprämien hatte Volkswagen.

Wirkt das Bundesprogramm zur Luftreinhaltung?

Der Deutsche Städtetag rügt, dass Bundesregierung und Autoindustrie vor einem Jahr zwar Geld versprochen hätten, bisher aber keine Mittel an die Kommunen geflossen seien. Inzwischen hat Verkehrsminister Scheuer aber Förderbescheide mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro bewilligt. Zunächst müssen die Kommunen Anträge einreichen, die dann geprüft und bewilligt werden. Danach können die Städte und Gemeinden mit dem Kauf von Elektroautos, Elektrobussen oder der Umsetzung neuer Verkehrsleitsysteme beginnen. Erst wenn die Projekte umgesetzt sind, fließt Geld. Der Deutsche Städtetag kritisiert, dass es erst im Juni die ersten Förderbescheide gegeben habe. Maßnahmen zur Luftverbesserung wirkten sich damit erst in Zukunft aus. Das Programm soll zum Beispiel auch den Schadstoffausstoß von Bussen im öffentlichen Nahverkehr senken. Bisher seien 1000 Anträge für die Nachrüstung von Diesel-Bussen eingegangen, erklärte das Verkehrsressort. Da die Typenvielfalt bei Bussen begrenzt ist und der Motorraum größer ist, lässt sich der Motor leichter mit einem Katalysator ausstatten als bei Pkw.

Was ist aus den Versprechen der Kanzlerin geworden?

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor der Bundestagswahl 2017 angekündigt, die Industrie solle nicht aus den Verpflichtungen entlassen werden. Merkel wollte einen weiteren Dieselgipfel mit Unternehmensvertretern anberaumen. Doch die Bundesregierung hat sich von diesem Vorhaben verabschiedet. Eine Folgeveranstaltung mit der Industrie ist nicht vorgesehen. Damit hat die Lobby erfolgreich Versuche abgewehrt, von der Politik an die Kandare genommen zu werden. Ob sich die Automobilwirtschaft dauerhaft durchsetzt, muss sich noch zeigen. Die Industrie wehrt sich bis jetzt erfolgreich gegen die Pflicht zu Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselautos. Diesen Standpunkt teilte Merkel zunächst. Im September will die Bundesregierung entscheiden, ob der Industrie nicht doch noch die Pflicht zu Hardware-Nachrüstungen auferlegt wird. Das fordert Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der Verkehrsminister ist dagegen.