Der Verein Aufbruch Stuttgart feiert Geburstag. Foto: dpa

Der Verein Aufbruch Stuttgart feiert Geburtstag. Für StN-Autor Nikolai B. Forstbauer Anlass, der „Bürgerbewegung für die Stadt der Zukunft“ mehr Mut zu ungewöhnlichen Wegen zu wünschen.

Stuttgart - Diesen Donnerstag wird gefeiert in der Landeshauptstadt. Beschworen werden die Wiederentdeckung des bürgerlichen Geistes, die Wiederentdeckung des Interesses an Architektur als gebautem Raum, ja, die Wiederentdeckung Stuttgarts.

„Bürgerbewegung für die Sadt der Zukunft“

Real gefeiert wird ein Geburtstag: das einjährige Bestehen des Vereins Aufbruch Stuttgart. Nach eigener Definition „die unabhängige Bürgerbewegung für die Stadt der Zukunft – für eine Stadt, von der wir träumen“. Das Ziel: ein Gegenmodell zur autogerechten Stadt zu entwickeln, Stadtraum überhaupt als öffentlichen Raum wieder erlebbar zu machen. Ein Ziel, das auf Defizite hinweist – in der seit 2011 grün gelenkten Landesregierung wie aufseiten der Stadt unter Führung des 2012 mit Grün-Hoffnung gewählten Oberbürgermeisters Fritz Kuhn.

Alle Aufmerksamkeit gilt zunächst der B 14

Wo aber beginnen? Am einfachsten doch mit dem Thema Stadtautobahn, mit der die Mitte der Landeshauptstadt durchschneidenden Bundesstraße 14. Dort, wo in Stuttgart immer alles beginnt, seit man sich das schöne Wort Stadtreparatur auf die Fahnen geschrieben hat. Und dies war – nein, nicht vor einem Jahr – vor vier Jahrzehnten. Umso mehr, als sich die B 14 mit einem zweiten Begriff verbindet, der so griffig wie falsch ist: Kulturmeile.

Prüfstein Staatstheater-Areal

Eine Meile ist eine Linie. Dabei geht es doch längst um ein weit ausgreifendes Kulturquartier. Und: Die der Linie B 14 geltende Energie fehlt in zentralen Zukunftsfragen – allen voran die städtebauliche Neuordnung des Staatstheater-Areals. Diese steht ja hinter dem viel zu kleinen Wort von der Sanierung des Opernhauses Stuttgart. Wer trägt diese für Generationen zukunftweisende Neuordnung mit Um- und Neubauten? Wer sichert sie meinungs- und (wenn notwendig) finanzstark gegen voreilige Abstriche ab? Der Politik alleine wird dies nicht gelingen. Hier ist bürgerschaftliches Engagement gefragt.

Internationale Bauausstellung überlagert Stadtquartier-Diskussion

Der Verein Aufbruch Stuttgart kann hier eine zentrale Rolle spielen. Es wäre eine Langzeitaufgabe. Eine Aufgabe, die als Diskussion über Straßen- und Stadträume die ganze Stadt in den Blick nimmt. Das Gegenteil aber droht: Schon zeigt sich eine neue Linie, der man folgt, auf der man tanzt: die Internationale Bauausstellung 2027. Die Idee aber, Stadtquartiere der Zukunft entstehen zu lassen, ist ein Beitrag zum olympischen Wettbewerb verdichteter, vernetzter, ökologischer. Dieser findet täglich global statt, bietet ständig neue Lösungen.

IBA als reine Debatte – das wäre ein Aufbruch-Thema

Im besten Fall? Stellen diese Projekte – weltweit oft von Stuttgarter Vordenkern realisiert – Fragen. Zu bautechnischen und energietechnischen Entwicklungen. Mehr noch aber nicht an das, was kommen könnte, als an das, was ist. Wie etwa funktionieren heute die Modellstadtviertel von gestern? Wie Quartiere, die bereits diverse Reparaturanläufe hinter sich haben? Die IBA nicht als gebaute Größe, sondern als Debatte – das wäre ein Aufbruch-Thema.

Traum vom jährlichen Bürgerfest

Im September 2017 wurde Stuttgarts Mitte für einen Sonntagvormittag von der Autobühne zur Aktionsbühne für Fußgänger – überragt von Artisten auf einem Hochseil über der B 14. Dieses Ereignis zu wiederholen steht ganz oben auf der Aufbruch-Wunschliste. Wäre aber ein solches jährlich drei- bis vierstündiges Bürgerfest nicht buchstäblich eine Luftnummer? Nicht, wenn die Artisten ihre Seile kreuz und quer in der ganzen Stadt spannen würden. Stuttgart real vernetzt – das wäre ein so spektakuläres wie umfassendes Aufbruchsszenario. Das Selbstverständnis einer die Landes- und Stadtpolitik sanft begleitenden Diskussionsplattform führt dagegen den so ambitioniert gestarteten Aufbruch Stuttgart in die Sackgasse.