Schwäbische Weisheiten auf Aufklebern verkaufen sich gut: „Wenn no älle wäret, wie i sei sodd!“ Foto: Edizio Käpsele

Zur Rettung der Vielfalt rufen die Vereinten Nationen am 21. Februar den Tag der Muttersprache aus. Von etwa 6000 Sprachen, die weltweit gesprochen werden, sei die Hälfte vom Aussterben bedroht. Stolz können Schwaben nicht nur an diesem Tag auf ihre Mundart sein, meint unser Autor Uwe Bogen im Leitartikel.

Stuttgart - Kaum ist der Valentinstag rum, der die Schlossverwalter des Landes auf die glorreiche Idee brachte, knutschende Paare kostenlos in die Barockpracht von Solitude, Ludwigsburg und anderer Herrscherhäuser von einst zu lassen, folgt der nächste Spezialtag. Doch der wird in den Amtsstuben der grün-schwarzen Macht leider noch nicht zur PR genutzt. Am Dienstag, 21. Februar, ist Tag der Muttersprache, den die Unesco seit dem Jahr 2000 stets eine Woche nach Valentin ausruft. Doch wo, bittschön, dürfen wir uns gratis neischwätza? Wäre zu schön, wenn nach küssenden Paaren stolze Schwaben an den Kassen von Landeseinrichtungen anrücken könnten, um sich mit der Deklamation landestypischer Laute den Eintrittspreis zu sparen.

Die Vereinten Nationen wollen die Vielfalt retten. Von etwa 6000 Sprachen, die weltweit gesprochen werden, sei die Hälfte vom Aussterben bedroht, heißt es dort. Schwäbisch gehört zum Glück zu jener Hälfte, die nicht auszurotten ist. Ganz im Gegenteil: Schwaben boomen gerade wie noch nie. Dies beweisen nicht nur der Erfolg der Großen Landesausstellung „Die Schwaben“ im Alten Schloss und die Rückkehr der Zeichentrickstars Äffle & Pferdle, für die sich in einer bis zum 9. April laufenden Online-Petition an OB Fritz Kuhn weit über 10 000 Fans eine Fußgängerampel in Stuttgart wünschen. Schwäbisch sells: Mundartsprüche auf Bäbber, Karten, Shirts, Tassen und Servietten sind der Renner. „Bevor i mi uffreg, isch mrs lieber egal“, steht da drauf oder: „’s Läba isch koi Schlotzer.“

Und was ist mit der Vatersprache?

Lange genug neigten Schwaben dazu, sich und ihren Kosmos klein zu machen. Um harte Wörter a bissle aufzuweichen, haben sie die beiden Buchstaben l und e an viele Endungen gehängt. Sprachexperten bezeichnen die Verniedlichung mit le hochtrabend als schwäbischen Diminutiv. Wer meint, Schwaben würden sogar mit Gefühlen geizen, hat nicht mitbekommen, wie selbstbewusst sie längst sind.

Schwäbisch isch obacha cool!

Die Vereinten Nationen wünschen, dass wir die Muttersprache als wertvollen Schatz erkennen. Aber was ist mit der Vatersprache? Vom Vaterland ist die Rede, nicht vom Mutterland. Es gibt den Vater Rhein, aber die Mutter Erde. Und es gibt von allem etwas. Viele sind zweisprachig aufgewachsen. Wenn die Mutter etwa Schwäbin ist und der Vater aus Brandenburg kommt, lernen die Kinder eine Mischung aus Muttersprache (Schwäbisch) und Vatersprache (Hochpreußisch). Nur Schwäbisch schreiben lernen sie nicht.

Am 22. Februar folgt der Sei-Bescheiden-Tag

Das Lesen von Mundarttexten ist auf längerer Strecke mühsam. Schwäbisch hört sich besser an, als es gedruckt aussieht. Die schwäbische Sääle – wer kann sie ergründen? Dass Bayern stolz auf sich sind, ist so selbstverständlich wie das Bier auf ihrem Oktoberfest. Nur wir Schwaben irritieren, wenn wir uns nicht mehr verschüchtert geben, wenn wir plötzlich unser Land toll finden und das „Ländle“, den nicht sehr lustigen Begriff, aus unserem Wortschatz streichen.

Beim Tag der Muttersprache ist es so wie beim Valentinstag: Echte Liebe lässt sich nicht auf einen einzelnen Tag beschränken. Wir lieben unser Schwäbisch und unser schwäbisches Leben – auch im Rest des Jahres. Im Kalender der kuriosen Feiertage folgt aufs Lob der Muttersprache am 22. Februar der aus den USA stammende Be Humble Day, der Sei-bescheiden-Tag. Ins Großmaul-Amerika von Donald Trump passt der nicht mehr. Letztlich ist der Be Humble Day aber auch nichts anderes als ein Schwabentag. Wir sind bescheiden und gleichzeitig stolz auf unsere Eigenarten, denn: Es gibt nix Besseres als ebbes Guads!

uwe.bogen@stzn.de