Die Erleichterung ist ihm ins Gesicht geschrieben: Nach dem schweren Erdbeben in der thailändischen Hauptstadt Bangkok suchte der Esslinger Ralf Weinberger wie viele andere Menschen Zuflucht in einem Park. Dort konnte er wenige Stunden später schon wieder lächeln. Foto: privat

Das Erdbeben in Südostasien hat viele Todesopfer gefordert. Der Esslinger Ralf Weinberger hat die Katastrophe in der thailändischen Hauptstadt Bangkok erlebt. Für ihn ging das Beben glimpflich aus, doch die Bilder des Unglücks gehen ihm nicht aus dem Kopf.

Ralf Weinberger ist Esslinger durch und durch. Doch in der kältesten Zeit des Jahres zieht es den 62-Jährigen nach Fernost. Weil sich dank Internet und Smartphone auch in der Ferne arbeiten lässt, verbringt er jedes Jahr einige Wochen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Er liebt das Land, die Menschen und die fernöstliche Gelassenheit. Dass seine Welt plötzlich ins Wanken geraten könnte, hätte er nie vermutet. Doch von einem Augenblick auf den anderen war am Freitag alles anders: Ein schweres Erdbeben hat Thailand und Myanmar erschüttert, zahlreiche Menschen wurden verletzt oder gar getötet.

 

Für Ralf Weinberger ging die Naturkatastrophe glimpflich aus. Doch die Bilder der Verletzten, Getöteten und Verwüstungen, die ihm Freunde von anderswo zuschickten, gehen ihm nicht aus dem Kopf. „Ich saß um die Mittagszeit in meinem Apartment im neunten Stock eines Hochhauses mitten in Bangkok bei der Arbeit, als plötzlich mein Stuhl zu wackeln begann“, erzählt der Esslinger Kanu-Kapitän, Heilpraktiker, Mentalcoach, Gedächtnistrainer, Vortragsredner, Buchautor und Zauberkünstler.

Unglücksbilder des Erdbebens in Bangkok bleiben im Gedächtnis

Auf einer Baustelle in Bangkok ist beim Erdbeben am Freitag ein Hochhaus eingestürzt. Foto: dpa

„Erst dachte ich, dass das alte Möbel zusammenbricht“, erzählt er. „Dann sah ich, dass auch Schreibtisch, Bildschirm, Lampe und schließlich das ganze Haus in Bewegung waren. Als die Swimmingpools auf den Dächern benachbarter Hochhäuser immer stärker überschwappten, war mir klar, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. Ich wollte so rasch wie möglich aus dem Haus und mich an einem Ort in Sicherheit bringen, wo ich nicht verschüttet werden kann, falls das Haus zusammenbrechen sollte.“

Im ersten Moment dachte Weinberger an jenes Unglück im Jahr 2009, als das Kölner Stadtarchiv wegen gravierender Fehler beim Bau einer nahen U-Bahn-Haltestelle einstürzte: „Vor meinem Haus in Bangkok wird auch gerade eine U-Bahn-Haltestelle gebaut. Aber da sah ich rasch, dass alles in Ordnung war.“ Wenig später hatte er Gewissheit, dass ein schweres Erdbeben das Land erschüttert hatte. „Damit hätte ich nie gerechnet, weil Bangkok nicht als Erdbebengebiet gilt“, sagt der Esslinger. „Aber offenbar darf man sich davor niemals sicher sein.“

Die Normalität kehrt nach dem Erdbeben vielerorts zurück

Anderswo in Bangkok herrschte wenige Stunden nach der Katastrophe wieder Normalität. Foto: privat

Als sich der erste Schreck gelegt hatte, musste der 62-Jährige über sich selbst staunen: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich in solchen Momenten ganz automatisch funktionieren würde. Als alles bebte, war mein erster Gedanke, dass ich nur noch rauswollte. Ich habe in die Tasche gesteckt, was mir gerade in die Hände fiel, und dann war ich auch schon draußen. Das ganze Treppenhaus war voll, vor jedem Haus in der Umgebung standen unzählige Menschen, die sich auch in Sicherheit bringen wollten. Viele haben dann in einem nahen Park Zuflucht gesucht, weil man dort sicher sein konnte, dass nichts herunterfällt.“ Als das Beben vorüber war, ging Weinberger zurück in seine Wohnung, packte das Nötigste zusammen und machte sich dann ebenfalls auf den Weg in den nahen Park.

Nach dem Erdbeben liest er, dass in Bangkok ein Hochhaus eingestürzt ist

Vier Stunden hat der Esslinger dort verharrt. Er hat seine Freundin in Deutschland beruhigt, hat mit Freunden in der Stadt und im ganzen Land kommuniziert, er hat via Handy Nachrichten aus den Erdbebengebieten aufgesogen und erfahren, dass anderswo in Bangkok ein Hochhaus, das gerade gebaut wird und noch nicht stabil genug stand, zusammengestürzt ist und zahlreiche Arbeiter unter sich begraben hat. „Wenn man das sieht und liest, wird einem erst so richtig klar, wie viel Glück man selbst gehabt hat“, sagt Weinberger. „Man denkt an die schweren Erdbeben etwa in der Türkei und die vielen Gebäude, die dort eingestürzt sind. Und man ist dankbar für die strenge Bauaufsicht in Thailand, die dafür sorgt, dass die Häuser stabil gebaut werden und dass Pfusch so weit wie möglich verhindert wird. Trotzdem gab es auch in Thailand Gegenden, die weit schlimmer vom Erdbeben betroffen waren.“

In Bangkok kehrt die Normalität nach dem Beben schnell zurück

Wie lange das Beben gedauert hat, kann Weinberger nicht mehr sagen: „Wenn alles um dich herum bebt, wird Zeit relativ. Da werden Sekunden zur Ewigkeit, und du hoffst nur noch, dass es gut ausgeht und endlich vorbei ist.“ Wenige Stunden nach dem Erdbeben war in weiten Teilen von Bangkok die Normalität zurückgekehrt: „Wenn man nicht weiß, dass es kurz zuvor ein Erdbeben gegeben hat, würde man kaum ahnen, was hier passiert ist. Man läuft hier nicht mehr herum und duckt sich aus Sorge vor einem neuen Erdbeben. Geschäfte sind wieder geöffnet, die Menschen sitzen in den Cafés, als wäre nichts gewesen.“ Und wie geht es Ralf Weinberger inzwischen? „Ich habe keine Sorge, dass so rasch wieder etwas Ähnliches passieren könnte“, verrät er. „Das fühlt sich ganz anders an als etwa nach einem Einbruch in der eigenen Wohnung, wo viele noch Monate später verunsichert sind. Ich fühle mich sicher, schließlich stand unser Haus ganz sicher. Aber die Bilder aus anderen Regionen gehen mir nicht aus dem Kopf.“

Der Notfallkoffer bleibt gepackt

Flucht
 Als in Bangkok die Erde bebte, hat Ralf Weinberger nur rasch einige Habseligkeiten in die Tasche gesteckt, um dann fluchtartig sein Apartment zu verlassen. Erst als Entwarnung kam, nutzte er die kurze Zeit bis zum Nachbeben, um etwas systematischer das Nötigste aus dem Haus zu holen.

Grundausstattung
„Als Erstes habe ich überlegt, was ich im Notfall wirklich brauche und was nur Luxus wäre“, erinnert sich Weinberger. Natürlich mussten Geld, persönliche Dokumente und das Handy in Sicherheit gebracht werden. Dann ein Rasierer und eine Handvoll Unterhosen. „Die müssen sauber sein“, schmunzelt Weinberger. „Die Hose kann notfalls dreckig sein.“ Saubere T-Shirts gehören ebenso zur Notausrüstung wie Deo: „Man weiß ja nie, wann man wieder zum Duschen kommt. Wer will schon als Müffelmann daherkommen?“ Dazu Sonnenhut und Sonnenbrille, ein großes Badetuch, das auch als Decke dienen kann, eine Flasche Wasser und ein Buch – Weinbergers Notfallkoffer bleibt künftig immer gepackt.

Zauberhaft
Als Zauberkünstler hat Ralf Weinberger auch noch zwei Zaubertricks eingepackt: „Wenn die Evakuierung länger dauert und Kinder dabei sind, freuen die sich vielleicht über etwas Abwechslung.“