Unheimlich: Wer einbricht, stiehlt nicht nur Gut und Geld, sondern auch ein Stück Sicherheit Foto: dpa

Was bringt einen Menschen dazu, in ein fremdes Haus einzusteigen? Das lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern nur im Einzelfall. Wir haben einen jungen Mann gefragt, was er sich bei seinem Einbruch gedacht hat.

Stuttgart - Er kommt tatsächlich, und er ist sogar pünktlich. Radu (Name v. d. Red. geändert) hat Scheiße gebaut, wie er sagt, denn er stand schon mehrfach vor Gericht. Diebstahl, schwerer Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung – trotz seiner jungen Jahre hat er ein beachtliches Register angehäuft. Zuletzt wurde er zu einer Bewährungsstrafe verdonnert. Darüber redet man nicht unbedingt mit einem Fremden.

Doch Radu redet, auch weil seine Bewährungshelferin ihn dazu ermutigt. Und weil es ihm hilft, die Sache zu verarbeiten. Unauffällig sieht er aus, ein schmächtiger 20-Jähriger in Jeans und Sweatshirt, er könnte auch Student sein. Doch an Lebensplanung dachte in seiner „Scheißgruppe“, wie er seine Ex-Kumpels nennt, vor drei, vier Jahren niemand. Nur daran, schnell an Geld zu kommen.

Für Drogen? Nein, wehrt er ab, das sei nicht sein Ding. In die Kategorie „Beschaffungskriminalität“ fällt der in Rumänien aufgewachsene junge Mann nicht. Er war auch kein Profi, eher Gelegenheitseinbrecher.

Wozu also das Geld? „Für alles Mögliche“, lacht er verlegen. Was Jugendliche eben so haben wollen, neue Schuhe, Smartphones, schicke Klamotten. „Manche hatten aber Not“, sagt er, „echt kein Geld.“

Das Fenster war gekippt

Also kamen sie auf die Idee, es sich zu holen. „Das Fenster war gekippt“, beschreibt Radu, wie sie in einem Gewerbegebiet in eine Werkstatt einstiegen. Leichte Beute also, was der Richter dann strafmindernd bewertete. „Einbrechen ist manchmal schon einfach“, sagt Radu.

Nicht ganz so leicht war es, ins Kassenhäuschen beim Freibad zu kommen. Und beim Kino in der Nachbarstadt haben sie ein Fenster mit einem Stein zertrümmert – was Einbrecher eigentlich selten tun, wie Polizisten versichern: Die Verletzungsgefahr ist hoch. Doch es waren ja Amateure, und so haben sie auch nicht darauf geachtet, dass sie Finger- und Schuhabdrücke hinterließen. Die wurden ihnen letztlich zum Verhängnis, zwei, drei Monate nach der letzten Tat.

Gelohnt hat sich die Sache nicht mal finanziell. Gut, in der Kinokasse sei etwas Geld gewesen, sagt Radu. Aber in der Werkstatt fanden sie nur 20 Euro, ein Handy und ein Navi. Waren sie da enttäuscht? Doch schon, nickt er. Das Handy habe die Polizei dann bei ihm zu Hause entdeckt. Was bar zu holen war, haben sie bei McDonald’s um die Ecke gleich auf den Kopf gehauen. Warum sind sie nicht in ein Wohnhaus eingestiegen? „Darüber haben wir nicht nachgedacht“, antwortet er. Vielleicht war auch Scheu im Spiel oder die Angst, jemandem zu begegnen. „Dann wären wir weggerannt“, versichert er. Bewaffnet sei keiner von ihnen gewesen.

Die Clique gibt Halt

Angestachelt hätten sie sich gegenseitig, wie sie da in der Stadt herumlungerten, ohne Job, ohne Aufgabe, aber mit viel „Scheiße zu Hause“, wie er sagt. Auch Radu ist in schwierigen Familienverhältnissen groß geworden, war jedenfalls völlig desorientiert nach seinem Umzug nach Deutschland. Da habe die Clique eben Halt gegeben. „Wir haben gefragt, was können wir machen, um an Geld zu kommen?“

Der Älteste aus der Gruppe hat offenbar das große Wort geführt, den Plan für alles gemacht. Ihn fand der damals 17-Jährige ziemlich cool. Heute sitzen mehrere seiner früheren Kumpels im Knast, auch wegen Wohnungseinbrüchen.

„Ich hab’ einfach nicht nachgedacht damals“, sagt er. Erst mit der Zeit sei ihm klargeworden, was falsch lief. Als zum Beispiel der Richter in der Verhandlung vorlas, was schon so alles zusammenkam: „Es ist nicht so einfach, das anzuhören.“

Der Richter habe ihm dann auch gesagt: Wenn man einen Einbruch begehe, dann sei das nicht nur ein Einbruch, sondern „man verletzt auch die Seele von jemandem“. Radu: „Das war mir so nicht klar.“ Der Werkstattbesitzer war übrigens auch im Gerichtssaal. „Doch der hat mich nicht mal angeguckt“, sagt Radu verwundert.

Der Richter macht Eindruck

Bei dem jungen Mann scheint der Prozess also eine Art Läuterung bewirkt zu haben. Und ganz ohne Wirkung waren auch nicht die zwei Wochenenden Jugendarrest wegen einer anderen Sache: „Das war die schlimmste Erfahrung, die ich bisher hatte.“ 48 Stunden sei er allein in einem Zimmer gewesen, er habe nicht geschlafen.

Seine Bewährungszeit ist jetzt bald abgelaufen, er hat sich in den zwei Jahren nichts mehr zuschulden kommen lassen. Radu will sich Arbeit suchen, um Geld zu verdienen. Nächstes Jahr dann würde er gern eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker beginnen, immerhin hat er den Realschulabschluss.

Zu den vorbestraften Kumpels sei der Kontakt abgebrochen, versichert er, und seine Miene hellt sich auf: „Ich habe jetzt eine Freundin.“ In deren Nachbarschaft sei kürzlich am helllichten Tag eingebrochen worden, erzählt er. Und man hört heraus, dass die Freundin das ziemlich schlimm fand.