Auf deutsche Siege darf auch in Böblingen mit Schnaps angestoßen werden, genauso wie mit Bierflaschen. Foto: dpa

Ein Privatmann bringt die städtischen Auflagen zur Fußball-Europameisterschaft zu Fall.

Böblingen - Nein, er wird kein Bierchen zischen auf den Sieg. „Ich trinke nur gelegentlich mal ein Beck’s am See“, sagt Martin Weber, der Mann, der das Schnapsverbot für Böblingens Zentrum während der Spiele der Fußball-Europameisterschaft zu Fall gebracht hat. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die städtische Verordnung gekippt. Gleiches gilt für das Verbot, aus Gläsern oder Flaschen zu trinken. Weber heißt der Kläger nur für diesen Text. Seinen wirklichen Namen möchte er nicht veröffentlicht sehen.

Zwar hatte auch die SPD im Gemeinderat gegen den Erlass Einspruch eingereicht. Mit der Klage erfolgreich war aber ein Privatmann. „Nein“, sagt Weber, er ist kein Jurist, „ich bin Software-Entwickler, „aber so einen Antrag kriege ich schon noch hin“. Den hatte er am Mittwoch eingereicht und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Was einem Ersuchen auf eine Eilentscheidung entspricht. Schließlich waren bis zum Eröffnungsspiel nur noch drei Tage Zeit. Weber argumentierte, dass die Anordnungen seine persönliche Freiheit einschränken und fügte Urteile aus anderen Städten an. „Mich hat einfach geärgert, dass die Stadt 98 Prozent friedlichen Fußballfans wegen 15 Chaoten mit dem Rasenmäher über die Füße fährt“, sagt er.

Das Gericht übernimmt die Argumente des Klägers

Das Gericht hat seine Argumente nahezu vollständig übernommen. Allerdings wollte Weber auch das Verbot von Pyrotechnik und anlasslose Taschenkontrollen verhindern. Diesen Teil des Einspruchs lehnte das Gericht ab. Das Abbrennen von Feuerwerk ist außerhalb der Silvesterzeit ohnehin verboten. Wer Pyrotechnik dabei hat, wird auch beabsichtigen, sie abzubrennen, argumentieren die Richter.

Abgesehen davon ist das Urteil eine Ohrfeige für die städtischen Juristen. Die Stadt bewege sich auf rechtlich sicherem Grund, hatte der städtische Pressesprecher Wolfgang Pfeiffer noch am Mittwoch gesagt. Die Anordnung sei juristisch sorgfältig geprüft worden. Weber argumentierte mit einem Urteil, in dem der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen der Stadt Freiburg aufgehoben hatte. Im Wesentlichen hatten damals die Richter erklärt, es dürfe nicht jedem das Trinken verboten werden, nur weil einige sich daneben benehmen.

Diese Begründung übernahm das Verwaltungsgericht Stuttgart – gleichsam im Umkehrschluss zur Pyrotechnik: Nicht jeder, der Schnaps dabei hat, beabsichtigt sich zu prügeln, und nicht jeder, der aus einem Glas trinkt, beabsichtigt, es zu zerschlagen. Juristisch macht dies den Unterschied zwischen einer Gefahr und einem Gefahrenverdacht aus. Ein reiner Verdacht rechtfertige aber keine Verfügung gegen die Allgemeinheit.

Oberbürgermeister reagiert enttäuscht

Böblingens Oberbürgermeister Wolfgang Lützner reagierte enttäuscht auf die Niederlage. „Ich bedaure es, dass das Bedürfnis nach Sicherheit so nachrangig bewertet wird“, sagte das Stadtoberhaupt. Ihm sei aber bewusst gewesen, dass die Stadt mit ihrem Verbot juristisches Neuland betreten habe. Laut Lützner habe die Diskussion um die Anordnung „gezeigt, dass die überwältigende Mehrheit der Fußballfreunde ein friedliches Fest feiern will“ – ob mit oder ohne hochprozentigen Alkohol und Bierflaschen, ließ der Oberbürgermeister offen.

Noch ist das Urteil kein endgültiges. Die Stadtverwaltung kann Widerspruch gegen die Entscheidung einreichen. Ob dies geschieht, soll nach Mitteilung der Pressestelle in der nächsten Woche entschieden werden. Zunächst müsse die Urteilsbegründung genau gelesen – und juristisch sorgfältig geprüft werden.