Eigentümer und Mieter auf Grundstücken mit dichter Bebauung müssen eher weniger Angst vor der Neuberechnung der Grundsteuer haben. Foto: dpa/Jens Kalaene

Die Furcht ist groß, dass die Grundsteuerbelastung im Jahr 2025 durch die Steuerreform steigt. Die Hebesätze, die dann gelten, kennt man noch nicht. Ein Einspruch dagegen käme aber auch zu spät, heißt es im Stuttgarter Rathaus.

Die Ungewissheit ist groß, die Furcht vor drastisch steigenden Belastungen auch: Nicht wenige Grundstückseigentümer fordern von der Stuttgarter Verwaltung unter OB Frank Nopper (CDU) ein Eingreifen und rasche Klarheit über die Hebesätze, die die Stadt Stuttgart mit Beginn des Jahres 2025 anwenden will, wenn die Grundsteuerreform umgesetzt werden soll. Doch die Stadtverwaltung findet, so einfach sei das halt nicht.

Wann gibt es Klarheit über die Hebesätze?

Noch nicht einmal im Jahr 2023 und im Frühjahr 2024 werde man die neuen Hebesätze bestimmen können, meint die Verwaltung, sondern vielleicht Mitte 2024. Verwaltung und Gemeinderat wollen ja bewerkstelligen, dass die Stuttgarter in der Summe nicht mehr Grundsteuern abführen müssen als vor der Reform, als zur Berechnung Einheitswerte herangezogen wurden und nicht wie künftig Bodenrichtwerte, die an Verkehrswerten in ähnlichen Lagen orientiert sind. Bisher kann man nur annehmen, dass bei diesem Vorsatz die derzeitigen Hebesätze in Stuttgart gesenkt werden müssen, wenn statt der Einheitswerte künftig die Bodenrichtwerte und damit letztlich die Verkehrswerte für die Grundsteuerbemessung herangezogen werden.

Hier klemmt es im Rathaus.

Die Verwaltung sagt, nach der Grundsteuererklärung bei den Finanzämtern hätten erste Eigentümer zwar bereits Grundsteuerbescheide mit Wirkung ab 2025 erhalten, die Datenbasis sei aber nicht gut genug, damit man im Rathaus berechnen könnte, wie ein aufwandsneutraler Hebesatz ab 2025 aussehen müsste. Die Finanzverwaltung im Rathaus beugte auf Nachfrage der Annahme vor, sie könnte doch allein schon mit den Grundstücksgrößen und den Bodenrichtwerten, die ihr ja allesamt bekannt sein müssten, die neuen Grundsteuerschuldbeträge nach der Reform errechnen.

Die aktuelle Art der Nutzungen, sagt die Stadtverwaltung, sei ihr nur teilweise bekannt. Aber es gebe noch weitere Faktoren die eine solche Rechnung nicht möglich machten. Es gebe in Stuttgart etwa 120 000 Sondereigentume, „somit also bei mehr als der Hälfte aller wirtschaftlichen Einheiten“. Sondereigentume mit überwiegender Wohnnutzung hätten eine um 30 Prozent reduzierte Grundsteuermesszahl. Außerdem nennt die Stadtverwaltung das Problem, dass zwar verschiedene Daten vorhanden seien, sie aber erst noch zusammengeführt werden müssten, wofür auch noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt seien.

So denkt man bei den Eigentümern

Gerd W. aus dem Stuttgarter Stadtbezirk Nord ist einer von Hunderten von Einwohnern, die sich an die Stadtverwaltung wandten. Er hat jetzt sogar schon zum zweiten Mal an hingeschrieben, weil er mit der Antwort auf das erste Schreiben nicht einverstanden war. Gerd W. findet die Zeitplanung „äußerst unfair“. Denn spätestens im Frühjahr müssten der Finanzbehörde alle notwendigen Unterlagen vorliegen, meint er. Die Stadtverwaltung müsse dann doch in der Lage sein, bis spätestens Sommer 2023 den passenden Hebesatz zu bestimmen. Gerd W., aber auch viele andere Eigentümer blicken gespannt darauf, wie viel sie künftig mehr, oder in Einzelfällen vielleicht auch weniger bezahlen müssen. Sie greifen aber auch grundsätzlich an, wie das Land die Reform umsetzen will, die dem Bund vom Bundesverfassungsgericht aufgegeben wurde.

Hauptkritikpunkte: Grüne Inseln in der Stadt wie unbebaute Grundstücksteile werden wie normale, bebaubare Grundstücksteile behandelt, dabei brauche gerade Stuttgart sie zur Belüftung des Talkessels; die Nebenkosten drohten in vielen Fällen zu steigen; auch Eigentümer könnten wegen steigender Kosten – für Grundsteuer und Energie sowie durch die Inflation – zum Wegziehen in günstigere Wohnungen und Gegenden gezwungen werden. Falls sich im Grundsatz aber nichts ändert, müsse die Stadt korrigierend eingreifen und etwa einen Bonus für klimarelevante Grundstücksteile und einen Malus für großflächige Betonburgen anwenden, fordert unserer Leser Gerd W..

Wie wichtig ist ein frühes Bekanntwerden des Hebesatzes?

Gerd W. wittert in der Vorgehensweise der Stadt eine „Überrumpelungstaktik“. Wenn die neuen Hebesätze erst Mitte 2024 bekannt würden, sei die Reaktionsfrist für die Eigentümer bis zum Versand der Steuerbescheide viel zu kurz. Nach Auffassung der Stadtverwaltung hängt eine mögliche juristische Gegenwehr aber nicht an der Klärung der Hebesätze: Wenn man annähme, dass eine rechtliche Überprüfung erst ab dem Jahr 2025 stattfinden könnte, wäre das „unzutreffend“, erklärte sie. Die Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide der Finanzämter könnten innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe zunächst per Einspruch beim Finanzamt und nach Ergehen der Einspruchsentscheidung durch Klage vor dem Finanzgericht angegriffen werden. Völlig sinnlos, so die Stadtverwaltung, wäre jedoch ein Widerspruch gegen die Grundsteuerfestsetzung für 2025 an die Adresse der Kommunen. Das ergebe sich aus der Abgabenordnung. Kurzum: „Wenn nicht zuvor die Grundlagenbescheide angefochten wurden, wären diese bestandskräftig und müssten zwingend der Grundsteuerfestsetzung zugrunde gelegt werden.“