Wie eifersüchtig jemand ist, hängt von der individuellen Persönlichkeit ab. Foto: Huna/Fotolia

Menschen, die noch nie eifersüchtig waren, findet Harald Oberbauer suspekt. Der Psychiater leitet in Innsbruck die einzige Eifersuchtssprechstunde im deutschsprachigen Raum. Eifersucht kann gefährlich sein, eine leichte Form gilt unter Experten aber sogar als liebesfördernd.

Stuttgart - Dietmar kocht vor Wut. Als er in der Handtasche seiner Freundin Belinda nach einem Taschentuch suchte, hat er zufällig die Visitenkarte eines Hotels entdeckt. Nun kreisen seine Gedanken nur noch um die eine Frage: „Betrügt mich Belinda mit einem anderen Mann?“ Um Beweise für die vermeintliche Untreue zu finden, spioniert Dietmar seiner Freundin nach. Und wartet auf den richtigen Augenblick, um ihr Mobiltelefon nach eindeutigen Nachrichten zu durchforsten. Warum er Belinda nicht einfach mit seinem Verdacht konfrontiert, fragt Dietmars bester Freund kopfschüttelnd. „Damit sie es nicht mehr leugnen kann“, erwidert Dietmar.

Menschen wie Dietmar behandelt Harald Oberbauer ständig. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie leitet in Innsbruck die einzige Eifersuchtssprechstunde im deutschsprachigen Raum. In die medizinische Klinik kommen Menschen, die extrem eifersüchtig sind und deshalb auch von Oberbauers Ärzte-Kollegen oder sogar von Gerichten an ihn überwiesen werden. Der Experte berät aber auch nur ein bisschen Eifersüchtige. Und davon gibt es viele.

„Eifersucht an sich ist nicht krankhaft und weit verbreitet. 98 Prozent der Menschen sind von einer leichten Form betroffen“, sagt Oberbauer. Für ihn gehört Eifersucht zur biologischen Grundausstattung des Menschen. Sie wirkt seiner Ansicht nach sogar beziehungsfördernd. Es sei doch ein schönes, prickelndes Gefühl, mit einem Menschen zusammenzusein, der von allen bestaunt wird, sagt Oberbauer. „Bis zu einem gewissen Grad erfüllt einen das ja mit Stolz. Außerdem zeigt es dem Partner, dass er jetzt am Ball bleiben und sich möglicherweise anstrengen und um die Liebe kämpfen muss.“

Leichte Eifersucht macht den Partner sexuell attraktiver

Das sieht der Mannheimer Psychologe und Bestsellerautor Rolf Merkle („Eifersucht: Vertrauen lernen – die Angst, nicht geliebt zu werden, überwinden“, Pal-Verlag) ähnlich. „Leichte Eifersucht verdeutlicht, dass der Partner uns wichtig ist. Er wird sexuell attraktiver für uns.“ Eifersucht könne zudem ein Hinweis dafür sein, sich um sich selbst zu kümmern und sein Selbstwertgefühl zu steigern. „Eifersucht positiv einzusetzen bedeutet, sich unabhängiger vom Partner zu machen, sich eigene Stärken bewusst zu machen, eigene Interessen zu entwickeln und die Überzeugung aufzubauen: Ich bin ein liebenswerter Partner und habe meinem Partner viel zu geben“, sagt Merkle. Aus seiner Sicht gehört Eifersucht jedoch nicht automatisch zur Liebe oder zu einer Beziehung. „Jeder sollte selbst entscheiden, wann Eifersucht noch das Salz in der Suppe ist – und wann die Suppe versalzen ist.“

Der Psychologe beschreibt Eifersucht als eine Mischung aus verschiedenen negativen Gefühlen. „Man hat Angst, den anderen zu verlieren, ihm nichts mehr zu bedeuten, nicht oder nicht mehr attraktiv genug zu sein.“ Das kann Menschen in ein Gefühlschaos stürzen. „Man empfindet Ärger bis hin zu Wut – über den Partner oder den vermeintlichen Rivalen. Es entstehen Minderwertigkeitsgefühle und Selbstzweifel“, so Merkle: Man ist von sich nicht überzeugt, hält sich nicht für liebenswert und zweifelt an der Liebe des Partners.

Bei manchen Menschen ist Eifersucht stärker ausgeprägt als bei anderen. Wie bei Dietmar, bei dem sich alles nur noch um das Thema dreht. „Wenn Eifersucht meineLebensqualität oder die meines Partners beeinträchtigt, oder wenn man darunter leidet, ist sie krankhaft“, sagt Oberbauer. Frauen und Männer sind laut Studien zwar gleich oft eifersüchtig. Die Eifersucht äußert sich jedoch unterschiedlich: Frauen kontrollieren eher, spionieren, werden depressiv oder geben sich die Schuld an der Misere. Männer hingegen bedrohen den Partner, sperren ihn ein, werden gewalttätig. Psychologe Merkle ergänzt: „Frauen reagieren häufiger auf tatsächliche oder eingebildete emotionale Untreue mit Eifersucht, Männer auf tatsächliche oder eingebildete sexuelle Untreue.“ Schlimmstenfalls verfällt der Betroffene dem „unkontrollierbaren Wahn, er werde betrogen“, sagt Oberbauer. Auch deshalb enden Eifersuchtsdramen immer wieder tödlich. „Man bringt Menschen wegen Geld oder aus Liebe um.“

Wer gar nie eifersüchtig ist, sollte sich fragen, ob er den Partner überhaupt liebt

Bei krankhaft Eifersüchtigen stellt Oberbauer meist eine Grundstörung fest. Alkoholsucht, eine Depression oder ein verringertes Selbstwertgefühl. Menschen mit körperlichen Gebrechen neigen manchmal dazu, ihr Leiden als Grund für den Betrug heranzuziehen. Impotenz spielt ebenfalls eine Rolle. Eifersüchtig sind insbesondere ältere Männer, die mit einer jungen Frau liiert sind. „Auch Menschen mit einer Hirnschädigung können sehr eifersüchtig sein“, sagt Oberbauer. Und er führt  einen weiteren Grund an, den Männer seiner Aussage nach aber ungern hörten: „Laut Sigmund Freud ist übersteigerte Eifersucht Ausdruck einer latenten Homosexualität.“ Die These dabei sei: Die Frau mache etwas, was der Mann sich nicht zugestehe, weil er es sich nicht zugestehen dürfe: mit einem Mann turteln.

Die Grenze zwischen leichter und krankhafter Eifersucht ist manchmal fließend. Die Experten raten zu professioneller Hilfe wie die Unterstützung durch einen Psychologen oder eine Paarberatung, wenn man den Eindruck hat, mit seinem Gefühlsleben nicht mehr klarzukommen. „Oder wenn Beziehungen bereits an Eifersucht zerbrochen sind“, sagt Merkle.

Überhaupt keine Eifersucht zu verspüren könnte einen indes auch beunruhigen. Zumindest, wenn man Harald Oberbauer glaubt. Jene zwei Prozent, die nach eigenen Angaben noch nie eifersüchtig waren, hält der Psychiater für auffällig: „Da würde ich mir Gedanken über meine Beziehungsfähigkeit machen.“ Solche Menschen hätten womöglich den falschen Partner – und liebten ihn nicht.

Tipps gegen Eifersucht

Eifersüchtige müssen sich nicht unbedingt in Therapie begeben. Manchmal helfen Strategien, um das Gefühl zu bekämpfen.

Betroffene sollten sich klarmachen, dass sie sich selbst durch ihre Gedanken und Fantasien eifersüchtig machen, sagt der Psychologe Rolf Merkle. „Der Partner löst keine Eifersucht aus. Es sind die eigenen misstrauischen und ängstlichen Gedanken,die dafür verantwortlich sind.“

Der zweite Schritt bestehe darin, sein Selbstwertgefühl zu stärken: sich selbst annehmen und akzeptieren lernen, sich seiner Vorzüge und positiven Seiten bewusst zu werden, sich selbst als liebenswert ansehen. „Erst, wenn ich mich für liebenswert halte, kann ich einem anderen glauben, dass er mich liebt. Solange ich mich nicht für liebenswert halte, werde ich immer an der Liebe eines anderen zweifeln und folglich Angst haben, ihn zu verlieren“, sagt Merkle.

Auch Gespräche mit Freunden können helfen

Unabhängiger und selbstständiger werden, rät Merkle als dritten Schritt. Damit meint er alleine auszugehen, sich ohne den Partner mit Freunden zu treffen, eigenen Hobbys nachzugehen oder Tätigkeiten zu finden, die befriedigen und Bestätigung geben.

Der Psychiater Harald Oberbauer empfiehlt, sich immer zu fragen, ob eine eifersüchtige Reaktion angebracht ist. „Nach der ersten Wut sollte man einen Schritt zurücktreten, tief durchatmen und nachdenken.“ Auch Gespräche mit Freunden können helfen. Neutrale Personen können die Situation aus objektiver Sicht bewerten.

Ist der Partner eifersüchtig, sollte man ihm erklären, dass man ihn liebt und seineEifersucht unbegründet ist, sagt Merkle. Bei häufiger und starker Eifersucht jedoch fruchten weder Beruhigungen noch Erklärungen: „Dann hilft nur noch, dem Partner die Verantwortung für seine Gefühle zurückzugeben und ihm immer wieder zu sagen, dass nur er es so sieht.“ Man sollte ihn zudem ermutigen, sich therapeutische Unterstützung zu holen und gegebenenfalls eine Paartherapie anregen.