Wie viel Wohnungen auf dem ehemaligen IBM-Gelände sinnvollerweise gebaut werden sollen, ist unter den Stadträten umstritten. Foto: dpa

Was genau „funktionsfähig“ heißt, will die Mehrheit im Gemeinderat im Laufe des weiteren Verfahrens klären.

Vaihingen - Nun soll es also noch einmal eine Grundsatzdiskussion geben. Nämlich zu der Frage, was es für ein funktionierendes Quartier braucht. Dabei geht es zum Beispiel um die Einwohnerzahl, um Kindergärten und Schulen, um Läden und um die Anbindung an Bus und Bahn. Die CDU hätte das weitere Verfahren zur Neubebauung des Eiermann-Campus gern ausgesetzt und im Vorfeld geklärt, was genau „funktionsfähig“ für das ehemalige IBM-Gelände im Westen Vaihingens bedeutet – „im Gemeinderat, mit der Expertise der Stadtverwaltung und vielleicht auch noch mit einem externen Gutachter“, sagt der Vaihinger Betreuungsstadtrat Jürgen Sauer (CDU) auf Nachfrage.

Die Freien Wähler, die FDP und der Einzelstadtrat der Stadtisten hatten den CDU-Antrag mit unterzeichnet. Aber die bürgerlichen Fraktionen konnten sich nicht gegen die Mehrheit von Grünen, SPD, und SÖS/Linke-plus durchsetzen. Diese wollen die Frage nach einem funktionsfähigen Quartier im laufenden Verfahren beantworten. Das ist das Ergebnis der Debatte im Gemeinderat am Donnerstagnachmittag. Aus Sauers Sicht ist das falsch. „Aber wir werden uns der weiteren Diskussion nicht verschließen“, ergänzt er.

Erinnerung an das Ergebnis des Kolloquiums

Vorausgegangen war ein Antrag der bürgerlichen Fraktionen mit der Forderung, sich an das Ergebnis des städtebaulichen Kolloquiums von 2013 zu halten. Damals hatten sich die Teilnehmer auf einen Nutzungsmix von 25 Prozent Wohnen und 75 Prozent für Büros, Läden und Forschungseinrichtungen geeinigt. „Das war seinerzeit einvernehmlich beschlossen worden“, erinnert der CDU-Stadtrat. Und es gebe auch gute Gründe dafür, das ehemalige IBM-Gelände zu einem gewerblichen Standort zu entwickeln, flankiert von Sonderwohnformen wie zum Beispiel einem Studentenwohnheim, sagt Sauer.

Die Grünen, die SÖS/Linke-plus und die SPD sahen es anders und reagierten mit einem eigenen Antrag. Ihnen sei es besonders wichtig, dass der künftige Wohnanteil im Garden Campus mindestens die Größe aufweisen sollte, die einen funktionierenden Stadtteil gewährleistet, ist darin zu lesen. „Wie hoch dieser Anteil ist, ist im weiteren Verfahren zu erarbeiten. Ebenso sind die dazugehörigen sozialen Einrichtungen entsprechend den Vorgaben der Verwaltung nachzuweisen.“ Dafür gab es letztlich eine Mehrheit. Nach der ersten Phase des städtebaulichen Wettbewerbs hatte eine Jury vier vorläufige Sieger gekürt. Deren Entwürfe haben aber einen Wohnanteil von 47 bis 67 Prozent. Die bürgerlichen Parteien sehen das skeptisch. Die Mitglieder des Bezirksbeirats befürworteten ihren Antrag. Allerdings äußerten sie auch die Befürchtung, dass sich der Investor, die Gerch-Group, nicht darauf einlassen würde.

Für manch einen ist die Befürchtung eher eine Hoffnung

Diese Befürchtung hat auch Anna Deparnay-Grunenberg, die Vaihinger Betreuungsstadträtin von den Grünen. Es habe sich gezeigt, dass es bei einem Wohnanteil von insgesamt nur 25 Prozent für einen Investor nicht mehr hinreichend lukrativ ist, die denkmalgeschützten Gebäude auf dem Campus zu erhalten. Dies sei aber eines der obersten Ziele. Darum würden die Grünen, die SPD und die SÖS/Linke-plus nicht mehr auf das Ergebnis des Kolloquiums pochen.

Für manch einen in Vaihingen ist die Befürchtung, das Projekt könnte scheitern, freilich eher eine Hoffnung. Denn die Neubebauung des IBM-Geländes ist für die meisten Vaihinger ein ungeliebtes Kind. Sie befürchten zum einen, dass ein Wohngetto entstehen könnt. Zum anderen sehen sie die Gefahr, dass damit noch mehr Verkehr über die sowieso schon stark belasteten Vaihinger Straßen rollt.

Jürgen Sauer betont allerdings, dass es nicht die Intention des CDU-Antrags gewesen sei, die Bebauung des ehemaligen IBM-Geländes hinauszuzögern oder gar zu verhindern. „Die Gerch-Group kannte das Ergebnis des Kolloquiums und hat das Gelände unter diesen Prämissen gekauft“, so der CDU-Stadtrat.