So sahen die hochfliegenden Pläne für das neue Quartier auf dem früheren IBM-Areal aus. Foto: Steidle Architekten/Stahlberg, Rebecca

Die finanziellen Turbulenzen beim Immobilienkonzern Adler wirken sich auch in Stuttgart aus: Baubürgermeister Peter Pätzold hat den Bebauungsplan für den Eiermann-Campus erst einmal gestoppt. Das Linksbündnis im Rat fordert eine Intervention der Stadt.

Auch im Stuttgarter Rathaus reagiert man zunehmend besorgt auf die Vorgänge rund um den luxemburgischen Immobilienkonzern Adler. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sagte auf Anfrage unserer Zeitung, der eigentlich für den Sommer geplante Auslegungsbeschluss des Bebauungsplans für das Eiermann-Areal in Vaihingen, das im Besitz der zu Adler gehörenden Consus Real Estate ist, werde erst einmal auf Eis gelegt. Die Auslegung ist Voraussetzung dafür, dass der Gemeinderat Baurecht schaffen kann. Damit würde das knapp 20 000 Quadratmeter große Grundstück automatisch im Wert steigen – den Planungsgewinn könnte der Eigentümer dann bei einer eventuellen Veräußerung abschöpfen. Auf dem früheren IBM-Gelände plant die Stadt eigentlich das nach dem Rosensteinquartier zweitgrößte Neubaugebiet Stuttgarts mit rund 2000 Wohnungen nebst entsprechender Infrastruktur und Grünanlagen.

 

Baubürgermeister zweifelt an Handlungsfähigkeit des Investors

Pätzold hatte zuvor bereits im Ausschuss für Stadtentwicklung Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Investors geäußert. „Das muss jetzt zeitnah geklärt werden“, so der Bürgermeister. Hintergrund sind die offen zutage getretenen finanziellen Turbulenzen beim Mutterkonzern Adler. Die Adler-Group hatte von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kein Testat für den vorgelegten Jahresabschluss erhalten. Im Klartext: Die Prüfer konnten aufgrund fehlender Dokumente nicht bestätigen, dass die Bilanz die wirtschaftliche Realität des Unternehmens abbildet. Daraufhin waren mehrere Mitglieder des Verwaltungsrates der Adler-Group von ihren Posten zurückgetreten, die Adler-Aktie stürzte an der Börse ab.

Gerüchte über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Luxemburger Konzerns gab es schon seit geraumer Zeit. Bauprojekte in der ganzen Republik – in der Region Stuttgart unter anderem auch der Schwabenland-Tower in Fellbach – stocken, Handwerker, Architekten und Bauunternehmer klagten über unbezahlte Rechnungen. Dabei hatte die von Adler 2020 übernommene Consus Real Estate mit ihren Plänen für das neue Quartier ursprünglich den Gemeinderat durchaus überzeugt. Das sogenannte Schleifenhaus, das als Lärmschutz gegenüber der am Rande des Quartiers verlaufenden Autobahn 8/81 dienen soll, wurde als eines der Renommierprojekte für die Internationale Bauausstellung 2027 (IBA) auserkoren.

Prognosen von Analysten für Adler-Group fallen nicht gut aus

Doch die Planung gestaltete sich schwierig: Ein Grund sind die vier denkmalgeschützten Büropavillons des Architekten Egon Eiermann auf dem Gelände, zu deren Erhalt und denkmalgerechter Sanierung sich der Investor verpflichtet hat. Zuletzt allerdings verzögerte sich der für 2020 geplante Beginn des ersten Bauabschnitts auf 2023, obwohl Stadt und Consus stets die gute und kooperative Zusammenarbeit betont hatten.

Mit den Turbulenzen bei der Adler-Group steht das Projekt jetzt womöglich auf der Kippe. Zwar hatte Adler noch vor der Präsentation der Bilanz auf Anfrage betont, der Campus werde als Build-to-hold-Projekt entwickelt: „Das bedeutet, dass wir die entstehenden Wohnungen nach deren Fertigstellung in den Bestand der Adler-Group übernehmen.“ Doch daran will man im Rathaus nicht mehr so recht glauben. Die Sorge vor einer Pleite des Konzerns geht um, zumal Börsenanalysten Adler keine guten Prognosen ausstellen. Baubürgermeister Pätzold will mit seinem Kollegen, Wirtschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU), schon mal vorbeugend darüber reden, ob und wie die Stadt selbst bei dem Projekt einsteigen und gegebenenfalls zumindest Grundstücksanteile erwerben könnte, um die geplanten Wohnungen für rund 4000 Menschen bauen zu können.

Linksbündnis erneuert Forderung nach städtischer Intervention

Das Linksbündnis im Rat, das bereits vor sieben Jahren den Ankauf des Areals durch die Stadt gefordert hatte, sieht sich bestätigt. „Wir hätten das Grundstück 2015 selbst erwerben und bebauen sollen, dann würden die Wohnungen bis zur IBA schon stehen“, sagt Stadtrat Luigi Pantisano. Der damalige Wirtschaftsbürgermeister Michael Föll (CDU) habe dies aber verhindert.

Als das Land damals Interesse an einem Kauf gezeigt habe, um dort eine zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge einzurichten, sei das Grundstück rasch an die Gerch-Group des früheren Eigentümers der Villa Berg, Mathias Düsterdick, verscherbelt worden, die es dann später weiterveräußerte. Das Eiermann-Areal sei „ein Paradebeispiel für die verfehlte Grundstückspolitik der Stadt“, so Pantisano Die Fraktionsgemeinschaft regt nun an, der Gemeinderat solle das Areal als städtebauliches Entwicklungsgebiet ausweisen: Das hätte laut Pantisano zur Folge, dass das Grundstück höchstens zum Verkehrswert weiterveräußert werden und die Stadt in das Projekt einsteigen könnte. Auf Basis des städtebaulichen Wettbewerbs von 2016, den das Münchner Büro Steidle Architekten in Kooperation mit Realgrün Landschaftsarchitekten gewonnen hatte, könnte dann die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWSG den Stadtteil errichten, so Pantisano. Die Stadt müsse sich jedenfalls für den schlimmsten Fall wappnen.

Historie des Eiermann-Areals

Besitzverhältnisse
Das rund 181 000 Quadratmeter große Grundstück war nach dem Weggang von IBM 2015 zunächst vom Immobilienfonds CB Richard Ellis an die Gerch-Gruppe verkauft worden. 2017 veräußerte Gerch das Gelände an die schweizerische SSN-Group mit Sitz in Zug, wenig später wiederum ging diese in der Düsseldorfer Consus auf, die dann im Jahr 2020 von der Adler-Group übernommen wurde.

Planungen
Gemäß den Wettbewerbsvorgaben sollen die historischen Eiermann-Pavillons erhalten und restauriert werden. Darum herum gruppieren sich Wohnungen für Studenten (Schleifenhaus) und Familien mit Infrastruktur sowie großzügige Grünflächen und ein neu angelegter See.