Eine Steinwüste auf dem Killesberg verschreckt Eltern, Hundebesitzer und den Schäfer. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

360 Eidechsen haben im Spätsommer auf der Feuerbacher Heide eine neue Heimat gefunden. Wie viele von ihnen übrig sind, lässt sich nicht sagen. Andere Tiere dagegen werden das Gebiet künftig meiden.

Stuttgart - Einige Spaziergänger stehen an der Parlerstraße und schauen den Hang hinauf. Wo noch vor einigen Monaten eine satte Wiese war, dominieren jetzt Steinhaufen. „Das ist der größte Schwachsinn hier“, sagt eine Frau, die ihren Hund ausführt. „Früher haben die Leute die Fläche genutzt. Wenn die Eidechsen hätten hier sein wollen, dann wären sie ja längst da gewesen.“

Die Projektpartner von Stuttgart 21 haben im Spätsommer 360 streng geschützte Mauereidechsen aus dem Neckartal auf den Killesberg umgesiedelt – unter heftigen Protesten. Inzwischen sind die Zäune um das Gelände entfernt. Dafür stehen 19 Warnschilder. „Die Wälle sind nicht zum Begehen vorgesehen und geeignet. Es besteht Verletzungsgefahr. Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr. Eltern haften für ihre Kinder“, heißt es an jeder Ecke der 15 000 Tonnen schweren Aufschüttungen. Vier weitere Schilder erklären das neue Eidechsen-Habitat.

Die Steinwüste und die Warnhinweise werfen bei vielen, die hier unterwegs sind, Fragen auf. Schließlich hatten die Projektpartner nicht nur in einer Anwohnerinformation betont, die Nutzung des Geländes sei weiterhin vollumfänglich für alle möglich. „Ich kann doch hier die Kinder nicht mehr Drachen steigen lassen, wenn ich aufpassen muss, dass sie den Steinhaufen nicht zu nahe kommen und sich womöglich verletzen“, sagt eine Mutter, die mit Kinderwagen unterwegs ist. Ihre Begleiterin spricht von einem „Schwabenstreich“. Und Hundebesitzer berichten, dass sich bereits mehrere Tiere an den groben Steinen schwer verletzt hätten – bis hin zu teilamputierten Pfoten.

Schäfer gibt die Fläche zurück

Doch das ist nicht alles. Hatten die Projektpartner stets betont, auch der weithin beliebte Schäfer könne die Fläche weiter mit seiner Herde nutzen, sieht das inzwischen anders aus. „Da kann ich mit den Schafen nicht mehr rein“, sagt Reinhold Weiss. Der Betrieb aus Leonberg hat auf der Feuerbacher Heide bisher auch Heu gemacht. „Das geht auch nicht mehr. Das lässt sich mit Maschinen jetzt nicht mehr bewirtschaften“, sagt der Schäfer. Er habe der Stadt deshalb mitgeteilt, sie solle die Eidechsen-Fläche aus dem Pachtvertrag herausnehmen.

Der Schäfer ärgert sich, dass alles „sehr schnell und unüberlegt“ gegangen sei. „Das ist teuer und schade um die Fläche“, sagt Weiss. Er denkt offenbar darüber nach, ob es sich für ihn nach 38 Jahren überhaupt noch lohnt, künftig auf die Feuerbacher Heide zu kommen, die ihr typisches Landschaftsbild auch der Schafbeweidung verdankt: „Das ist ohnehin immer weniger geworden. Aber jetzt behalten wir mal noch den Vertrag für die angrenzende Fläche.“

Bei der Stadt bestätigt man, dass der Schäfer auf das Garten-, Friedhofs- und Forstamt zugekommen sei, um mitzuteilen, dass er die Fläche auf der Feuerbacher Heide nicht mehr nutzen wird. Man habe ihm inzwischen verschiedene Ausweichmöglichkeiten angeboten, sagt eine Sprecherin. Dazu gehören Flächen auf dem Wartberg-Areal, im Viergiebel-Gebiet zwischen Birkenwald- und Parlerstraße und auf den Fildern.

Hundebesitzer in Sorge

Mancher Hundebesitzer nimmt sein Tier jetzt freiwillig an die Leine. Vorgeschrieben ist das auf der Feuerbacher Heide nicht. „ Es gibt keine Einschränkungen durch die Grünflächensatzung oder Polizeiverordnung“, sagt eine Rathaus-Sprecherin. Ausnahmen seien die Liegewiese rund um den Bismarckturm sowie die dort unmittelbar angrenzenden Grünflächen. Diese fallen unter die Straßen- und Anlagen-Polizeiverordnung. Hier müssen Hunde an die Leine.

Ein Anwohner hat jetzt noch einmal einen Brief an mehrere Grünen-Abgeordnete sowie an die Bahn geschrieben. Er fordert längst versprochene Antworten auf noch offene Fragen ein. Darin ist die Rede vom „Aussitzen dieser für Sie durchaus unbequemen und lästigen Angelegenheit“.

Fazit erst 2020

Wie viele der umgesiedelten Eidechsen überhaupt noch da sind, lässt sich nicht sagen. „Noch sind keinerlei Aussagen zum Gesundheitszustand oder zur Populationsstärke möglich“, sagt ein Sprecher der Bahn-Projektgesellschaft. Frühestens im März oder April könne man sich das anschauen, wenn die Tiere wieder aktiv sind. Wirklich fundierte Aussagen über die Entwicklung seien erst nach Jahren möglich. Ob die Umsiedlung ein Erfolg sei oder nicht, lasse sich wohl 2020 abschätzen, heißt es bei der Bahn. Das Monitoring, also die Beobachtung und wissenschaftliche Begleitung, ist auf fünf Jahre ausgelegt.

So mancher Anwohner kommt da zu ganz eigenen Schlüssen. „Raubvögel und Katzen in dem Gebiet sind gut genährt“, sagt einer. Ein anderer hat beobachtet, dass es in Gärten und auf Terrassen in der Umgebung seit dem Spätsommer viel mehr Eidechsen gebe als sonst. „Die sind doch längst alle umgezogen, weil sie nicht in diesen Sozialbauten leben wollen“, sagt er und schüttelt den Kopf.