Clara Jans und Paula Denz enthüllen ihre Gedenktafel für Hans Scholl. Sie soll im Treppenhaus des Mörike-Gymnasiums an den Weiße-Rose-Mitbegründer erinnern. Foto: Simon Granville

Der NS-Widerstandskämpfer Hans Scholl steht im öffentlichen Gedenken oft im Schatten seiner Schwester Sophie, obwohl er es war, der mit Alexander Schmorell die ersten Weiße-Rose-Flugblätter schrieb. Jetzt ehrt das Mörike-Gymnasium seinen ehemaligen Pennäler.

Ludwigsburg - Nach Sophie Scholl ist in Ludwigsburg ihre einstige Grundschule benannt. Aber was erinnert in der Stadt an ihren Bruder Hans, der doch der Vordenker der NS-Widerstandsgruppe Weiße Rose war? Zu wenig, fand Ralph Hillig – mittlerweile pensioniertes und jetzt eigens aus Nordrhein-Westfalen angereistes Mitglied des damaligen Schulleitungs-Teams am Mörike-Gymnasium – vor rund zwei Jahren.

Er lobte unter den älteren Schülern einen Wettbewerb für die Gestaltung eines Kunstwerks für Hans Scholl aus, damit zumindest an Scholls einstiger Schule – damals eine Oberrealschule – ein sichtbares Erinnerungszeichen gesetzt wird.

Wo der Schüler Hans vor 90 Jahren die Treppen herunter fegte

Nun, 78 Jahre nachdem Hans Scholl und die anderen Weiße-Rose-Mitglieder nach dem Urteil des NS-Scharfrichters Roland Freisler unter dem Fallbeil starben, ist die aus diesem Wettbewerb entstandene Gedenktafel enthüllt worden. Sie soll im Schultreppenhaus an Hans Scholl erinnern – alle, die „täglich hier herunterfegen, so wie er vor 90 Jahren herunterfegte und wohl kaum gedacht hätte, dass hier einmal an ihn erinnert würde“, wie Ralph Hillig sagt. „Was mag er damals gedacht haben? Gut, dass ich in Mathe heute nicht drankam? Ob ich die nette Waltraud vom Goethe nebenan nachher sehe? Schön, dass ich heute Mittag meine Kameraden beim CVJM treffe?“

Hans Scholl lebte zwischen seinem zwölften und 14. Lebensjahr in Ludwigsburg. Nicht viel älter waren Clara Jans und Paula Denz, als ihr Entwurf für die Hans-Scholl-Gedenktafel vor zwei Jahren grünes Licht erhielt. Ralph Hillig war der Geschichte-Lehrer der damaligen Zehntklässlerinnen. „Wir kannten eher Sophie Scholl“, erzählen die beiden, „es war spannend, sich mit Hans zu beschäftigen.“

Hans Scholl wendet sich von der NS-Ideologie ab

Sie recherchierten zu dem Medizinstudenten, der – zunächst beim Jungvolk der Hitlerjugend und dort sogar als Fähnleinführer aktiv, gleichzeitig aber von den Idealen der bündischen Jugend entflammt und sich immer stärker und konsequenter an der Botschaft des Christentums orientierend – sich vom NS-Regime abwandte und im Sommer 1942 in den ersten Weiße-Rose-Flugblättern zum Widerstand aufrief. Die Zeit als Sanitäter an der Westfront in Frankreich 1940 und an der Ostfront in Russland 1942 hatten ihm vollends die Augen über die Barbarei des Hitler-Regimes geöffnet.

„Der deutsche Name bleibt für immer geschändet, wenn nicht die deutsche Jugend endlich aufsteht, rächt und sühnt zugleich, ihre Peiniger zerschmettert und ein neues geistiges Europa aufrichtet“, schrieb die Weiße Rose im letzten, dem sechsten Flugblatt, bei dessen Verteilung im Lichthof der Münchner Universität die Gruppe durch den Verrat des Hausmeisters aufflog und der Gestapo ausgeliefert wurde. Die Flugblätter haben Clara und Paula für die Vorbereitung auf ihr Projekt gelesen.

Eine Initiative mit Strahlkraft

Dass ihr fein gearbeitetes Kunstwerk, – eine Gedenktafel mit einem Bronzerelief, das Hans Scholls Gesicht im Profil zeigt – erst mit einiger zeitlicher Verzögerung den Weg in die Öffentlichkeit fand, lag unter anderem an Materialproblemen und an Corona.

Dafür gab es zur Enthüllung – die gerade rechtzeitig stattfand, bevor die zwei mittlerweile 18-jährigen Abiturientinnen die Schule nun verlassen – einen großen Bahnhof. Unter anderem sprachen Claudia Rugart, Abteilungsleiterin Schule und Bildung am Stuttgarter Regierungspräsidium, der Landrat Dietmar Allgaier und die Erste Bürgermeisterin Renate Schmetz. Auch Norbert Brugger, Dezernent des Städtetags, saß im Publikum. Eine Gästeschar, die zeigt, dass diese Schulinitiative einen durchaus über das Mörike hinausreichende Strahlkraft hat.

Die Fundamente für einen kritischen Geist

Claudia Rugart berichtete von der frappierenden Erkenntnis, die sie überkam, als sie 13-jährig Inge Scholls Buch über ihre Geschwister las: „Dass junge Menschen in diesem Alter eine Verantwortung von solcher Tragweite übernehmen können. Dass Jungsein keine Entschuldigung fürs Wegsehen und Hinnehmenwollen ist. Und dass wir wissen können, wenn wir wissen wollen.“ In ihre Rede flocht sie Konstantin Weckers Weiße-Rose-Hymne ein – und deren Quintessenz: „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen.“ Gut möglich, sagte Renate Schmetz, dass Hans Scholls Ludwigsburger Zeit zum „Fundament für seinen kritischen Geist“ beigetragen habe.

„Die Bronzetafel wird uns von heute an immer an Hans Scholl und das, wofür er starb, erinnern“, so die Überzeugung von Schulleiterin Sylvia Jägersberg. „Auf diesen Moment habe ich lange hingefiebert.“ Clara Jans und Paula Denz werden an ihrem Werk, bei dessen Entstehungsprozess ihnen der Kunstlehrer Alexander Schikowski zur Seite stand, nicht mehr allzu oft vorbeikommen. Umso erleichterter seien sie gewesen, sagen die beiden jungen Frauen, als es aus der Bronzegießerei gekommen sei: „Es war schön, es fertig zu sehen.“