Die Ehrlich Brothers füllen mit ihrer bombastischen Show fünfmal hintereinander die Schleyerhalle. Zwischen den großen Illusionen haben die viel kleineren ihren ganz besonderen Charme.
Jedem Zauber wohnt ein Anfang inne, könnte man ein Zitat von Hermann Hesse umdrehen, wenn die Sprache auf die Ehrlich Brothers kommt. Ein schwer erkämpfter Anfang, der am Ende den Zauber ganz leicht erscheinen lassen soll, denn hinter den Illusionen der Brüder steckt richtig harte Arbeit. Fünf Jahre lang sollen Andreas und Chris Ehrlich, die ehrlich gesagt Reinelt heißen, an der Nummer gebastelt haben, in der sie auch über die Bühne der Schleyerhalle fliegen und sich in überdeutlich große Schmetterlinge verwandeln, die eine Runde über den Köpfen der Zuschauer drehen.
Die Show braucht 40 Lastwagen
Dort spielen sich im Laufe des Abends noch ganz andere Dinge ab: Flammenwerfer speien im Rhythmus zu Heavy Metal, Fallschirme mit Süßigkeiten für die vielen Kinder im Publikum segeln von der Decke. Und ganz am Ende schneit es, ausgehend von einer Schneekugel und den bloßen Händen der Brüder, nun endlich doch noch in Stuttgart, wenigstens indoor. Für diesen Trick soll vor langer Zeit, als die Ehrlich Brothers noch gar nicht groß waren, David Copperfield bei ihnen angerufen haben, um ihn zu kaufen. Doch Andreas und Chris Ehrlich hörten auf ihren an Leukämie verstorbenen Vater und eroberten mit dem Schnee lieber selbst die großen Bühnen: ohne Eigenkapital, ohne Künstleragentur, aber mit dem festen Glauben, „dass die Zuschauer emotionalisiert und euphorisiert nach Hause gehen“, wie sie in einem Interview mit der „Zeit“ sagten.
Für die aktuelle Show braucht es 40 Lastwagen
Das funktioniert auch in Stuttgart gut, wo die Schleyerhalle, die für diese Show mit maximal 8700 Sitzplätzen bestuhlt ist, an zwei Tagen fünfmal hintereinander gefüllt wird. Das ist dann schon die Größenordnung des Weltrekords für Illusionisten, den die Ehrlich Brothers aufgestellt haben: 40 000 Zuschauer an einem Ort, wo sonst eher selten gezaubert wird – im Düsseldorfer Fußballstadion.
Die aktuelle Show nun, die in 40 Lastwagen unterwegs ist, heißt „Diamonds“ und ist ein Best of aus zehn Jahren auf Tour – beziehungsweise: „Wir haben zehn Jahre an diesen Diamanten geschliffen“, wie Andreas, der Ältere mit der Igelfrisur, auf der Bühne sagt. Zwischendurch macht er sich bei jeder Gelegenheit lustig über Chris, den Jüngeren mit der Kakadufrisur. Der muss nach ein paar Fingerübungen und Mitmachaktionen fürs Publikum gleich mal in ein albernes Löwenkostüm schlüpfen, damit der böse „Magier mit der Maske“ mal wieder einen Trick verraten kann. Das wird in der überraschenden Slapsticknummer nicht wirklich getan. Und doch bekamen die Ehrlich Brothers wegen der Entweihung kleinerer Zaubereien einst Ärger mit dem Magischen Zirkel von Deutschland, aus dem sie schließlich ausgetreten sind.
Überhaupt nehmen die beiden alles nicht so ernst, mit einer gehörigen Portion Selbstironie ausgestattet am wenigsten sich selbst, was zwischen Pathos und Bombast, der durch die Show geballert wird, guttut. Sie reden viel über sich, aber auch mit dem Publikum, das immer wieder ins Programm mit einbezogen wird. Für Raimund und Birgit, die seit 44 Jahren verheiratet sind, werden Eisenbahnschienen zu einem Herz aus Stahl verbogen. Zur Erinnerung gibt es generationengerecht ein Selfie aus der Polaroid-Kamera. Auch Kinder dürfen auf die große Bühne: Der kleine Max wird an einer Stahlplatte postiert, durch die Chris hindurch schwebt. Als Belohnung darf der Siebenjährige mit seiner Familie ins House of Magic nach Oberhausen, denn das gibt es ja auch noch, zusätzlich zu den Shows, die in den Werkstätten im ostwestfälischen Bünde zusammengeschweißt werden und mit denen im Herbst nächsten Jahres endlich Amerika entdeckt werden soll.
Aber Monstertruck hin, Harley Davidson her, die auf der Bühne beziehungsweise aus einem riesigen Tablet herbeigezaubert werden – es kommt eben doch nicht auf die Größe an. Es sind gerade die kleinen Tricks, die ihren besonderen Charme ausstrahlen, übertragen auf die größten Videoleinwände, die die Schleyerhalle wohl jemals gesehen hat. Für Tamara schwebt ein Papierknäuel vor ihrer Nase und verwandelt sich in eine Rose. Für Willy wird eine Münze durch den Boden einer Cola-Flasche geklopft, die so zur „schwäbischen Spardose“ wird: „Das Geld geht rein, aber nie wieder raus.“ Und im „Déjà-vu“-Trick, einem Bühnenritual seit vielen Jahren, wird aus 20 Euro erst ein Fünfer und dann ein 100-Euro-Schein gefaltet. Herzlichen Glückwunsch, Marcel!
Kitsch und klassische Zaubertrick
Kitsch und klassische Zaubertricks
Zwischendurch wird es auch romantisch, wenn Chris, der ewige Single – Andreas ist verheiratet und hat drei Kinder –, doch noch eine Frau an seine Seite bekommt. Erst als Schatten, dann ganz in echt taucht das Klischee einer reizenden Assistentin auf, mit der Chris zu Ed Sheerans „Thinking Out Loud“ in einem 3D-Ballsaal tanzt und nebenbei die altbekannte Kleiderwechselnummer adaptiert. Hach!
Der Schnee übrigens, der von der Hallendecke rieselt, besteht natürlich aus großen Papierschnipseln, die man sich am Ende aus den Haaren und Klamotten streifen muss. Willkommen zurück in der Realität! Aber bezaubernd war es schon, trotz des ganzen Merchandise-Brimboriums drumherum vom Ehrlich-Brothers-Badetuch bis hin zur Ehrlich-Brothers-Geldwalze.
Magischer Tag in der Schleyerhalle
Diamonds
Weitere Shows an diesem Montag, 30.12. 24 um 11, 15 und 19 Uhr in der Schleyerhalle.