Der Schwäbische Albverein kümmert sich auch um die Natur – wie hier bei einem Pflegeeinsatz in Filderstadt in diesem Herbst. Foto: Thomas Krämer

Es stimmt, viele Vereine auch in Baden-Württemberg haben Mitgliederprobleme. Insgesamt wächst die Zahl ehrenamtlicher Verbände ebenso wie die Zahl ehrenamtlich engagierter Menschen.

Stuttgart - Der Glaube an ein enormes Vereinssterben in Deutschland ist weit verbreitet – aber im Grunde falsch. Detaillierte Zahlen bietet die Ziviz-Survey-Studie, die in diesem Jahr veröffentlicht worden ist. Die wichtigste Erkenntnis: Es werden jedes Jahr noch immer deutlich mehr Vereine neu gegründet als aufgelöst. 2013 waren in Deutschland 10 512 Vereine aus den Registern gestrichen worden; 15 084 kamen aber dazu. Allerdings näheren sich die Kurven kontinuierlich an. 1995 lag die Differenz zwischen verschwindenden und neuen Vereinen noch bei 17 500, im Jahr 2013 waren es nurmehr 4500. Bundesweit gibt es mehr als 600 000 Vereine.

Zudem sagte lediglich ein gutes Fünftel aller 6334 befragten Vereine, im Vergleich zur letzten Studie 2012 Mitglieder verloren zu haben – etwas überproportional leiden darunter die traditionellen und seit langem bestehenden Sport-, Kultur- und Freizeitvereine. Umgekehrt freuten sich 35 Prozent der Vereine über einen Zuwachs an Mitgliedern. Dazu gehört etwa die Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) – allein zwischen 2006 und 2017 hat sich ihre Mitgliederzahl um 50 Prozent auf 30 000 erhöht. Das sportliche Angebot ist gerade für junge Erwachsene und zunehmend auch für Frauen sehr attraktiv.

Die Art des Engagements hat sich stark verändert

Unbestritten ist allerdings, dass das ehrenamtliche Engagement einen Strukturwandel durchlebt – viele Menschen wollen sich nicht mehr langfristig an einen Verein binden oder dort gar eine Funktion übernehmen. Vielmehr wollen immer mehr Menschen die ehrenamtliche Aktivität gut in ihren Alltag integrieren können, und sie wollen mit ihrem Einsatz möglichst schnell einen direkten Erfolg sehen können. Damit tun sich traditionelle Vereine schwer, die eben auch einen Kassenwart und einen Schriftführer brauchen. Moderne kurzzeitige Kampagnen, etwa von Naturschutzverbänden, finden dagegen viel Zuspruch.

Diesen Wandel spürt selbst der Schwäbische Albverein, mit 100 000 Mitgliedern der größte Wanderverein Europas (der DAV als Bergsportverein hat in Deutschland 1,2 Millionen Mitglieder). Auch dort ist die Mitgliederzahl über eine längere Zeitspanne gesehen rückläufig. Doch hat der Verein das wirtschaftliche Potenzial, um gegenzusteuern. So gebe es etwa ein pädagogisches Team, das den Ortsgruppen hilft, Familiengruppen aufzubauen, sagt Sprecherin Sabine Wächter – viele Kinder und Jugendliche würden deshalb Mitglied im Verein. Für die Menschen unter 30 werden spezielle Wanderungen mit jungen Führern angeboten. „Das alles hat einen starken Effekt“, sagt Sabine Wächter.

Vereine wünschen sich weniger bürokratische Hürden

Doch was brauchen die Vereine am dringendsten – außer neuen Mitgliedern? In der Ziviz-Survey-Studie bitten sie vor allem um einen Abbau von Bürokratie – wenn bei jedem Backfest ein Wust an Hygiene-, Brandschutz- und Lebensmittelverordnungen beachtet werden muss, stellt mancher Verein die Aktivität lieber ganz ein. Auch müssten Anträge auf Zuschüsse viel schneller bearbeitet werden.

Einen ganz ähnlichen Trend dokumentiert auch der Deutsche Freiwilligensurvey, der 2016 vorgestellt worden ist. Dabei wurden nicht Vereine, sondern im Jahr 2014 insgesamt 28 700 Bürger befragt. Das zentrale Ergebnis: 48,2 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg engagierten sich ehrenamtlich (im Bundesschnitt 43,6 Prozent). Das ist der zweitbeste Landeswert knapp hinter Rheinland-Pfalz; und gegenüber der letzten Befragung 2009 wuchs die Zahl der Engagierten im Land nochmals um mehr als sieben Prozentpunkte.

Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sagte bei der Präsentation der Studie: „Das Ehrenamt ist nicht tot, im Gegenteil: Es ist quicklebendig.“ Am häufigsten engagieren sich Bürger im Bereich Sport und Bewegung (16,3 Prozent), gefolgt von Schule und Kindergarten (9,1 Prozent) sowie Kultur und Musik (neun Prozent).