Das Ehrenamt im Südwesten soll honoriert werden. Foto: dpa/Patrick Seeger

Ist es eine gute Idee, junge Leute zu einem verpflichtenden sozialen Jahr zu verdonnern? Der Bundespräsident schiebt diese Debatte wieder an. Im Südwesten setzt die Politik eher auf Anreize für das Ehrenamt als auf eine Pflicht.

Verbilligter Eintritt ins Kino, Theater oder Schwimmbad: Wer sich ehrenamtlich engagiert, soll auch im Südwesten solche Vergünstigungen erhalten. Grüne und CDU wollen die im Koalitionsvertrag geplante Ehrenamtskarte mit Vergünstigungen für sozial engagierte Menschen im Laufe der nächsten zwei Jahre nach und nach auf den Weg bringen.

„Sofern der Landtag die angemeldeten Haushaltsmittel genehmigt, wollen wir die Ehrenamtskarte im Jahr 2023 zunächst in Modellprojekten erproben“, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums. Im Jahr 2024 sollten die Erfahrungen ausgewertet und in ein Konzept eingebracht werden. Die CDU-Fraktion pochte darauf, dass die dafür nötigen finanziellen Mittel im Doppelhaushalt 2023/2024 trotz des eher geringen Spielraums auch freigegeben werden.

Kein Rückhalt für Steinmeier: Pflichtdienst fällt durch

Zuvor hatte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz erklärt, das Ministerium arbeite an Eckpunkten für die Ehrenamtskarte. Schwarz reagierte damit auf die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angestoßene Debatte um ein soziales Pflichtjahr für junge Menschen. Schwarz hält positive Anreize für besser als eine Pflicht. „Ich könnte mir auch eine Art Bonuskarte für junge Menschen, die sich für andere engagieren, gut vorstellen, mit der man kostenlos ins Museum kommt oder Vorteile bei der Bewerbung zum Studium erhält.“ Darauf ziele die Idee einer Ehrenamtskarte ab.

In anderen Bundesländer gibt es die Karte längst

Mit der Karte sollen Menschen Vergünstigungen erhalten, die sich in Verbänden, Vereinen oder auch in der Pflege ehrenamtlich engagieren. Im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU heißt es: „Sie soll den Ehrenamtlichen einen praktischen Nutzen bieten und ihnen ein paar wohlverdiente schöne Stunden ermöglichen - beispielsweise beim kostenfreien Besuch von Kultureinrichtungen.“ Für die Karte hatte sich insbesondere die CDU stark gemacht.

Ganz neu ist die Idee allerdings nicht. In Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern etwa gibt es die Karte bereits, auch in Nordrhein-Westfalen können Ehrenamtliche mit der Karte preiswerter Museen, Kinos oder Theater besuchen, ebenso Schwimmbäder oder auch Kurse in Volkshochschulen. Die Karte erhält dort, wer sich mindestens fünf Stunden in der Woche oder 250 Stunden im Jahr für das Gemeinwohl engagiert.

Das Sozialministerium erklärte, man habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die in Abstimmung mit den Kommunen erarbeiten soll, was die Karte alles enthalten soll. Zuerst wolle man sehen, welche Bonuskarten es in Städten und Gemeinden schon gebe. Zudem wolle man sich anschauen, wie die Karten in anderen Bundesländern funktionierten.

FDP dringt auf Gleichbehandlung bei Ehrenamtlichen

Für die FDP-Fraktion sagte Dennis Birnstock, die geplante Ehrenamtskarte dürfe nicht mehr oder weniger Vergünstigungen beinhalten als bestehende Nachweise wie die Jugendleiter-Card (Juleica). „Die Herstellung einer solchen Gleichwertigkeit könnte mit einem Aufdruck auf der Juleica ganz leicht umgesetzt werden.“ Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werten die Jugendleiterkarte „Juleica“ als Ehrenamtskarte der Kinder- und Jugendarbeit auf und sorgen so für Anerkennung von jungen Ehrenamtlichen.“

Selbst SPD bei Pflichtdienst zurückhaltend

Auch SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch setzt auf Anreize, um noch mehr junge Menschen für ein soziales Jahr zu gewinnen. „Zwischen Ausbildung und Beruf, zwischen Schule und Studium einmal Dienst für die Allgemeinheit zu leisten und dabei gerade auch die Herausforderungen sozialer Berufe kennenzulernen, kann für jeden Menschen ein großer Gewinn sein“, sagte Stoch der SPD. Er könne sich Modelle vorstellen, „in denen ein solcher Dienst zwar nicht zur Pflicht, aber deutlich attraktiver gemacht wird. Vorteile bei der Vergabe von Studienplätzen wären ein Beispiel.“

Steinmeier hatte in einem Interview gefragt, „ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen“. Der Bundespräsident sprach von einer „Pflichtzeit“, die aber kein Jahr lang sein müsse. Aus der Ampel-Koalition in Berlin kam prompt Ablehnung.

Bislang gibt es speziell für junge Menschen das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Diese Angebote stehen jungen Frauen und Männern unabhängig von Schulabschluss, Herkunft oder Einkommenslage bis zum Alter von 27 Jahren offen. Daneben gibt es den Bundesfreiwilligendienst als Angebot für Menschen jeden Alters.