Rabiye Sönmez (rechts) konnte Bettina Pinter und ihren drei Töchtern eine ehrenamtliche Helferin vermitteln. Foto: Caroline Holowiecki

Mit drei kleinen Kindern hat man schnell alle Hände voll zu tun. Da bleibt oft nicht einmal mehr Zeit, in Ruhe zu duschen. Das Sozialunternehmen Wellcome setzt an dieser Stelle an und unterstützt junge Familien in alltäglichen Dingen.

Fasanenhof/Leinfelden - Mara hat die Schokokekse auf dem Esstisch entdeckt. Natürlich haben die eine magische Anziehungskraft auf die Vierjährige. Während ihr sprechendes Spielzeug vor sich hindudelt und sie sich an die Süßigkeiten heranpirscht, widmet sich ihre kleine Schwester Greta dem Flötenspiel. Als Anderthalbjährige kann sie das freilich noch nicht so gut, aus dem Instrument kommt eher ein schrilles Tuten als eine Melodie. Gretas Zwillingsschwester erkundet derweil den Flur. Eltern wissen: Das ist eine völlig normale Szene für drei Kinder. Sie wissen aber auch: Der ganz normale Familienalltag kann auch ermüdend sein.

Bettina Pinter, die Mama der drei Mädchen, nickt wissend. Schon während der Schwangerschaft mit den Zwillingen war ihr klar gewesen: Allein schaffe ich das nicht. Für drei kleine Kinder sind zwei Hände zu wenig. Der Ehemann ist tagsüber arbeiten, die Familie wohnt weit weg von Heumaden. Allein die beiden Kleinen anzuziehen, in den Kinderwagen zu packen, die Große vom Kindergarten zu holen, mit dem Trio wieder nach Hause zu kommen, „da war ich körperlich fertig“, bekennt die Mutter. Unterstützung hat sie bekommen, als sie schon schier nicht mehr daran geglaubt hat. Durch Wellcome.

Die Wartelisten sind lang

Innerhalb des ersten Lebensjahres werden Familien durch Ehrenamtliche gestärkt, die stundenweise ins Haus kommen. Dabei geht es darum, dass die Freiwilligen den Müttern bei alltäglichen Dingen zur Hand gehen. Viele sind schlichtweg überfordert mit dem neuen Familienmitglied, haben keine Zeit mehr für Arztbesuche, Behördengänge, Erledigungen – oder einfach nur ein erholsames Nickerchen. „Ich habe eine Frau, die hofft auf ehrenamtliche Unterstützung, damit sie wenigstens einmal die Woche in Ruhe duschen kann“, erklärt Rabiye Sönmez vom Fasanenhof.

Das Sozialunternehmen Wellcome wird in Stuttgart vom Haus der Familie in Bad Cannstatt getragen; einer von etwa 250 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben Rabiye Sönmez kümmern sich zwei weitere Koordinatorinnen darum, Familien und Ehrenamtliche zusammenzuführen. Während die Kolleginnen sich die Arbeit nach Bezirken teilen, ist Sönmez, die türkische Wurzeln hat, auch für Familien mit Migrationshintergrund zuständig. „Wir haben sehr viele Familien, gerade mit Zwillingen, und viel zu wenige Ehrenamtliche“, sagt die 44-Jährige. Die Wartelisten sind lang. Nicht wenige fliegen nach einem Jahr, wenn der Anspruch erlischt, wieder runter, ohne dass sie Unterstützung bekommen haben. „Allein bei mir warten momentan fünf, sechs Familien. Wie soll ich denen helfen? Ich nehme das mit nach Hause“, klagt die Fasanenhoferin.

Keine Haushaltshilfe, sondern moderne Nachbarschaftshilfe

Auch Bettina Pinter hatte schon die Hoffnung aufgegeben, Hilfe zu bekommen. „Ich hatte das Problem, dass ich für die Große keine Zeit mehr hatte – einfach mal auf den Spielplatz oder spazieren gehen“, erzählt sie. Doch dann klingelte Irene Wedel an ihrer Tür. Die Ehrenamtliche nahm ihr einmal die Woche für ein paar Stunden die Zwillinge ab, half beim Baden, beim Anziehen, ging mit den Kindern nach draußen, damit die Mutter in Ruhe bügeln oder duschen konnte. „Sie hat mit mir immer das Zahlenspiel gespielt“, erzählt die kleine Mara und lächelt. Für Pinter ein Segen. „Man ist einfach wieder netter, wenn man ausgeruhter ist. Man hat als Mutter oft ein schlechtes Gewissen“, sagt sie. Was Rabiye Sönmez betont: Die Ehrenamtlichen sind keine Putz- und Haushaltshilfen. Moderne Nachbarschaftshilfe nennt sie das Konzept.

Für die 31-jährige Irene Wedel aus Leinfelden ist das Ehrenamt ein Ausgleich, wie sie betont. „Im Büro habe ich viel mit Zahlen zu tun. Das Soziale hat mir gefehlt“, sagt sie, und ihr Arbeitgeber fördere das ehrenamtliche Engagement. Seit November 2014 hat sie für Wellcome bereits vier Familien geholfen. Die Dankbarkeit, die sie immer wieder gespürt habe, „die tut einem schon auch gut“.

Neue Ehrenamtliche Familienunterstützer gesucht

Ein halbes Jahr lang hat Wedel die Pinters aus Heumaden unterstützt. Die Zwillinge sind mittlerweile vormittags in der Kita, die Situation hat sich etwas entspannt. Dennoch sagt Bettina Pinter lächelnd: „Ich vermisse meine Irene.“ Sie sei wie eine gute Freundin gewesen. „Ich würde es jeder Familie gönnen.“ Auch Rabiye Sönmez würde sich wünschen, dass jede Familie in Not von dem Angebot profitiert, ist daher quasi pausenlos auf der Suche nach neuen Mitstreitern. Die Ehrenamtlichen bekommen die Fahrtkosten erstattet, werden zudem zweimal im Jahr von Wellcome zu Gruppenveranstaltungen eingeladen. Wer will, darf Weiterbindungen in Anspruch nehmen, etwa einen Wickelkurs besuchen. Vorlegen müssen die Helfer ein Führungszeugnis.

Das bestehende Team sei bunt gemischt. Studenten, Rentner, Mütter und Kinderlose. Sönmez weiß, dass zwischen den Familien und den Helfern oft richtige Freundschaften entstehen. Nicht selten werden Feiertage zusammen gefeiert. Und auch Irene Wedel wird immer noch zu Kindergeburtstagen eingeladen, wie sie freudig sagt.

Kontakt zu Rabiye Sönmez kann man über Telefon 07 11/2 20 70 93 22 oder per E-Mail an stuttgart@wellcome-online.de aufnehmen. Mehr auf www.wellcome-online.de.