Die Aids-Pandemie macht nur noch selten Schlagzeilen. Der Erreger kann mit Medikamenten kontrolliert werden. Das Stigma einer Infektion ist nach Aussagen von Helfern aber geblieben. Foto: dpa

Ehrenamtliche begleiten beim Buddy-Programm der Aidshilfe HIV-Positive. Sie wollen Gesprächspartner sein, die Betroffenen aus der Isolation helfen sollen. Die Coronapandemie erschwert ihre Arbeit.

S-West - Renate Schaible erzählt von einem Besuch bei ihrem „Buddy“ im Pflegeheim. „Buddy“ bedeutet auf Englisch Kumpel oder Freund. Die Aidshilfe an der Johannesstraße unterhält seit ihrer Gründung 1985 ein Freiwilligenprogramm. Ehrenamtliche begleiten dabei als sogenannte „Buddys“ HIV-Positive. Im Moment gibt es laut dem Projektleiter Mustafa Kapti 21 dieser Buddys. Das Coronajahr habe es den Ehrenamtlichen und ihren Klienten nicht leicht gemacht, fügt der Sozialarbeiter hinzu.

Die 67-jährige Helferin Schaible beschreibt die Umstände eines Besuches im Pflegeheim unter Bedingungen der Pandemie als schwierig. Der HIV-positive Mann, dem sie schon eine Weile vor der Pandemie als Buddy zur Seite stand, habe aufgrund eines Schlaganfalls Probleme, sich zu artikulieren. Mit Maske und Abstand sei ein Gespräch nur schwer möglich gewesen, berichtet sie.

Helferin musste in Quarantäne

Bereits im November hat Schaible eine Pause eingelegt bei den Besuchen. Normalerweise besucht sie den HIV-positiven-Mann einmal in der Woche für einen zwei- oder dreistündigen Plausch.

Die Helferin hielt sich aber aus familiären Gründen in der Schweiz auf. „Ich musste danach zehn Tage in Quarantäne und konnte ihn nicht sehen“, erzählt die ehrenamtliche Begleiterin. Schaible engagiert sich seit 2008 im Buddy-Programm der Stuttgarter Aidshilfe. Zuvor habe sie schon in der Sterbebegleitung als freiwillige Helferin gearbeitet, erzählt sie. „Ich suchte ein neues Ehrenamt, bei dem ich aber auch eine längere Beziehung zu Menschen aufbauen kann. Deshalb habe ich mich für das Buddy-Programm entschieden“, erklärt sie. Eine HIV-Infektion ist aus medizinischer Sicht kein Todesurteil mehr. Eine frühzeitige Therapie mit Medikamenten kann verhindern, dass sich Aids entwickelt. Voraussetzung ist allerdings, dass HIV-Positive von ihrer Infektion wissen und frühzeitig eine Therapie beginnen. Je weiter fortgeschritten die Infektion ist, desto schwieriger gestaltet sich die Therapie.

Helfern engagiert sich seit 2008

Therapie verhindert Aids

Obwohl der medizinische Fortschritt HIV-Infizierten mittlerweile eine normale Lebenserwartung ermöglicht, gilt unter Beratern gerade die Zeit nach der Diagnose als Belastung. Termine müssen bei Fachärzten ausgemacht werden. Diese entscheiden über die medikamentöse Therapie. Einzelne Wirkstoffe können trotz allgemein hoher Verträglichkeit immer noch unangenehme Nebenwirkungen haben. In dieser Situation sollen die Buddys als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, mit denen die Betroffenen über ihre Gefühle sprechen können.

Während die HIV-Therapie seit dem Auftreten der ersten Aidsfälle in den 80er Jahren große Fortschritte gemacht hat, erinnert das Stigma einer HIV-Infektion auch heute noch an vergangene Zeiten. „Mit uns können die HIV-Positiven über alles reden, weil wir von der Aidshilfe kommen. Ansonsten trauen sie sich oft nicht, sich zu öffnen“, sagt die Helferin Schaible.

Pandemie erschwert Austausch

Mustafa Kapti von der Aidshilfe bestätigt, dass auch heute eine Stigmatisierung HIV-Positiver Alltag ist und Isolation bedingt. „Deshalb ist die Pandemie für sie ja auch so eine schlimme Zeit. Möglichkeiten, sich etwa bei uns in Gruppen auszutauschen, fallen weg“, sagt er.

Schaible erklärt, dass ehrenamtliche Begleiter von HIV-Positiven eine große Offenheit mitbringen müssten. Sie habe mit Menschen gearbeitet, die sich beim Drogenkonsum mit dem Virus infiziert hätten. „Ich bin verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Mein Leben sieht ganz anders aus“, sagt sie.

Es wird zusammen gelacht

Ihr HIV-infizierter Klient erzähle gern von früheren Eskapaden, die ihr völlig fremd seien. „Wir lachen dann oft gemeinsam darüber, wie unterschiedlich unser Leben verlaufen ist“, sagt sie. Angst vor einer Coronainfektion habe der Mann Ende 60 ihr gegenüber noch nie geäußert, berichtet Schaible.

Mediziner gehen davon aus, dass HIV-Positive in Therapie kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe der vom Coronavirus ausgelösten Erkrankung Covid 19 haben. Die Helferin wertet die Gelassenheit des Mannes als Einstellungssache. „Er ist mit seinem Schicksal versöhnt und im Reinen mit sich“, sagt sie.