Kevin Großkreutz trifft auf Ex-Club Borussia Dortmund.Kevin Großkreutz trifft auf Ex-Club Borussia Dortmund. Foto: Baumann

Der tief gefallene Kevin Großkreutz bestreitet nochmal ein großes Spiel – in der ersten Runde des DFB-Pokals geht es mit dem KFC Uerdingen gegen seine große Liebe Borussia Dortmund. Wie geht es der Weltmeister an?

Stuttgart - Besonders viele sportliche Erfolge hat Kevin Großkreutz in den zurückliegenden Jahren nicht feiern dürfen, womöglich erlebte er am 15. Juni auch deshalb einen besonders intensiven Moment der Fußballglücks. „Ich war mit meiner Familie zuhause, mit meinen Kindern, mit meiner Frau, und dann wurde das Los gezogen, wir sind alle durchgedreht“ erzählt der 31 Jahre alte Fußballprofi des Drittligavereins KFC Uerdingen.

Das Los bescherte Großkreutz ein Duell im DFB-Pokal mit Borussia Dortmund, mit dem Club seiner Heimat, seiner Vergangenheit, seines Herzens. Seit er denken kann, ist er hingebungsvoller BVB-Fan. „Ich hatte innerhalb von zwei Minuten 200 WhatsApp-Nachrichten, ganz Dortmund hat sich gefreut“ erzählt er nun vor der Partie an diesem Freitag (20.45 Uhr/Sport 1). Für einen Abend steht der Weltmeister von 2014 damit noch einmal im Mittelpunkt des Fußballgeschehens, während sein Alltag mittlerweile zwischen Halle, Meppen und Zwickau stattfindet.

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Großkreutz wirkt nicht unglücklich, aber er hat nach seinem Abschied aus Dortmund 2015 einen Karriereverlauf mit geradezu tragischen Zügen erlebt. Zunächst wechselte er zu Galatasaray Istanbul, wo er aufgrund eines Formfehlers nicht spielberechtigt war; ohne ein einziges Pflichtspiel für die Türken bestritten zu haben, zog er nach einem halben Jahr geplagt von Heimweh zurück nach Deutschland.

Er ging zum VfB Stuttgart, mit dem er in die zweite Liga abstieg und wo sein Vertrag nach gut einem Jahr in Folge einer Prügelei im Rotlichtmilieu aufgelöst wurde. Anschließend spielt er eine Saison bei Darmstadt 98 in der zweiten Liga, bevor er im Sommer 2018 in die Dritte Liga nach Uerdingen wechselte. „Um näher an der Familie zu sein“, wie er sagt.

Bei der WM 2014 spielt Großkreutz keine Minute

Die Spätphase der Karriere des Kevin Großkreutz ist die Geschichte von einem gefallenen Helden, eine Geschichte, die auch deshalb so außergewöhnlich ist, weil der gebürtige Dortmunder viel, viel höher geflogen ist, als die allermeisten anderen Profis mit ähnlichen fußballerischen Fähigkeiten. „Mit meinem Verein Meister zu werden und den Pokal zu gewinnen, viel größer geht es nicht“, sagt er auf die Frage nach den Karrierehighlights. Nur dass er sogar Weltmeister ist, bleibt in seinem Rückblick unerwähnt, dieser Titel hat seine Schattenseite. Großkreutz hat 2014 in Brasilien keine Minute gespielt, dennoch wird er wie ein exotisches Tier als „Weltmeister“ bestaunt. Überall, wo er hinkommt, weht der Gedanke durch die Köpfe, dass hier ein Fußballer vom allergrößten Gipfel des Fußballuniversums ziemlich tief gefallen ist.

Der Trainingsalltag in Krefeld fand in der zurückliegenden Saison über weite Strecken auf einem tief zerfurchten Übungsrasen statt, die Kabinen, die Duschen, die Aufenthaltsräume atmen den Fußballcharme des vergangenen Jahrtausends. Wie gut ihm das wirklich gefällt, bleibt unklar, auch wenn Großkreutz versichert: „Jetzt bin ich glücklich, dass ich hier bin, ich habe zwei Jahre Vertrag und werde alles für den KFC geben.“ Er spielt jetzt für einen Club, der von einem unberechenbaren Russen beherrscht wird, von einem Mann, dessen Reichtum aus undurchsichtigen Quellen stammt und der nach Misserfolgen reichlich schnell zum Mittel des Trainerwechsels greift.

Lobende Worte des Trainers

Aber irgendwie passt das zu den vielen anderen Schlagzeilen rund um diesen Profi, die mitunter wirken, als stammten sie aus einer Zeit, in der der Fußball noch wild und ungezähmt war. Nach der Niederlage mit dem BVB im DFB-Pokalfinale 2014 urinierte Großkreutz in die Lobby eines Berliner Luxushotels, in Köln soll er einen pöbelnden Fußballfan einen Döner ins Gesicht geworfen haben, er wurde wegen Körperverletzung angezeigt.

Es folgte der Ausflug ins Stuttgarter Rotlichtmilieu, und vor einigen Wochen kam es zu einer Auseinandersetzung am Rande eines Kreisligaspiels in Dortmund-Kemminghausen, wo eine Gruppe dubioser Figuren ihn Medienberichten zufolge verprügeln wollte. Und dass Großkreutz eine gewisse Neigung zum körperlichen Übergriff hat, suggerierte am vorigen Wochenende auch der kräftige Tritt in die Wade des Großaspacher Gegenspielers Dimitry Imbongo Boele, er wurde für vier Ligaspiele gesperrt. Das sei „unüberlegt“ gewesen, sagt er dazu nur, Fragen zu der aggressiven Aktion sind in den Tagen vor dem Spiel gegen den BVB nicht gestattet.

Sein derzeitiger Trainer Heiko Vogel findet trotz all dieser Vorkommnisse aber nur lobende Worte für seinen Spieler. „Er ist in der Kabine wichtig, er ist auf den Platz wichtig und, was ich an ihm schätze und liebe: Er lebt den Fußball.“ Und nun beschert der DFB-Pokal diesem schillernden Spieler ein Duell gegen den Verein seines Herzens – zumindest intensiv ist es also geblieben auf dem außergewöhnlichen Weg des Kevin Großkreutz.

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