Jonas Koudissa war Pfarrer in Sillenbuch und Leinfelden-Echterdingen, derzeit sucht er eine neue Aufgabe und kümmert sich um den Aufbau einer Akademie im Kongo. Foto: Stahlberg

Der ehemalige Sillenbucher Pfarrer Jonas Koudissa hat ein Buch über das Flüchtlings- und Migrationsproblem in Afrika verfasst. Im Kongo möchte er eine Akademie aufbauen, in der die Elite zur Demokratie umgeschult wird.

Sillenbuch - Mitnichten höchst kompliziert oder gar nur für ein wissenschaftliches Publikum verfasst: das Buch „Ethik und Migration“ von Jonas Koudissa ist für eine breite Leserschaft gedacht. „Ich habe mich angestrengt, es so zu schreiben, dass es Spaß macht, es zu lesen“, sagt der 54-Jährige. Das behandelte Thema hingegen ist ein ernstes. Das Werk trägt den Untertitel: Das afrikanische Flüchtlings- und Migrationsproblem. Eine Herausforderung für Europa und Afrika.

Das Buch ist Jonas Koudissas Promotionsschrift, seine zweite. Er hat bereits einen Doktortitel in Politikwissenschaft, nun auch einen in Sozialethik. In seinem Werk geht es darum, dass Solidarität auf den guten Willen des Handelnden angewiesen ist. Sein Ansatz lautet: „Wenn ich durch meine Handlungen die Rechte anderer verletze, muss ich meine Handlung verändern.“ Nicht aus Nächstenliebe soll man also anderen helfen, sondern weil es eine Verpflichtung ist. Er sagt: „Europa kann nicht als Wohlstandsinsel bestehen, umgeben von einem Ozean der Armut.“

Koudiss war Pfarrvikar in der Gemeinde Sankt Michael

Jonas Koudissa ist kein Unbekannter auf den Fildern. 2010 war er als Pfarrvikar in der Gemeinde Sankt Michael in Sillenbuch tätig, voriges Jahr hatte er eine Pfarrstelle in Leinfelden-Echterdingen und war bei der Katholischen Erwachsenenbildung Stuttgart (Keb) beschäftigt. Zuvor war er in Gemeinden in Untertürkheim, Ludwigsburg und Heumaden. Seine Stelle in Leinfelden-Echterdingen ist zum Ende des Jahres ausgelaufen, die Wohnung auf dem Fasanenhof hat er gekündigt. Derzeit wohnt der Priester bei einer befreundeten Familie in Möhringen. Seine Absicht, in den Kongo zurückzugehen – er ist in der Hauptstadt Brazzaville geboren – kann Koudissa noch nicht in die Tat umsetzen.

„Ich möchte dort eine Akademie gründen, in der die Elite umgeschult wird“, sagt er. Der Mangel an Demokratiefähigkeit in seinem Land treibt ihn um, 1999 hat er ein Buch verfasst mit dem Titel „Sind zentralafrikanische Staaten zur Demokratie unfähig?“. Seine These laute, dass die Elite unwillig sei, erklärt er. „Die Akademie hat das Ziel, die Führungskräfte umzuschulen, damit mittel- und langfristig die Grundlagen für eine demokratische Gesellschaft geschaffen werden“, beschreibt er. An der Finanzierung fehlt es allerdings. Aktuell läuft ein Antrag beim katholischen Hilfswerk Missio, die Entscheidung steht noch aus.

Der Pfarrer würde gerne zurück nach Afrika

Seit 20 Jahren lebt Jonas Koudissa auf beiden Kontinenten. Nach Deutschland kam er, um sich zu qualifizieren; wirken möchte er in Afrika. Heimisch fühlt er sich in beiden Welten. Seit 2004 besitzt er die doppelte Staatsbürgerschaft. In einer Gemeinde jedoch hat er noch keine Heimat gefunden. Die Chemie hat nicht gestimmt, manches Mal sei er auf Ablehnung gestoßen. „Sicher bin ich bisweilen unbequem. Jesus war auch unbequem. Wer das Evangelium ernst nimmt, muss unbequem sein“, sagt der Katholik.

Jonas Koudissa steht am Scheideweg. Der Konflikt ist kurz zusammengefasst: „Ich habe keine Stelle, um zu bleiben, und keine Mittel, um zu gehen“, sagt er. Bleiben würde er gerne als Wissenschaftler, der gleichzeitig auch in einer Gemeinde mitwirkt – das könne er sich gut vorstellen, sagt er. Gehen möchte er, um seine Akademie zu gründen, in der Kongos Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Kultur das Demokratieverständnis nahe gebracht wird. Die Grundlagen müssen geändert werden, davon ist der Ethiker überzeugt. „Wenn wir die Ungerechtigkeiten abschaffen, dann muss man den Armen gar nicht helfen.“ Umdenken sei angesagt, in Europa und auch in Afrika.