Simon Schempp zu seiner aktiven Zeit, in der er vier WM-Titel gewonnen hat. Foto: dpa/Martin Schutt

Für den viermaligen Weltmeister Simon Schempp ist die WM in Slowenien eine ganz besondere, weil es die erste nach seinem Rücktritt ist. Der Uhinger fiebert am Fernseher mit Partnerin Franziska Preuß mit.

Stuttgart - An diesem Mittwoch (15 Uhr/ARD) beginnt die WM mit der Mixed-Staffel auf der Hochebene Pokljuka in Slowenien. Simon Schempp ist zwar kürzlich zurückgetreten, dennoch beobachtet er die Szene genau – auch weil seine Partnerin mitläuft.

Herr Schempp, verfolgen Sie die WM 2021 als Ex-Biathlet anders als 2019 und 2020, wo Sie nicht qualifiziert waren?

Ja natürlich, der mentale Abstand ist jetzt größer. Davor war es sehr schmerzhaft, dass ich mich nicht qualifiziert hatte, nun verfolge ich die WM gelassener. Auf die Männer-Rennen habe ich trotzdem einen anderen Blick, weil ich da jahrelang mitgelaufen bin, das lässt mich wirklich nicht kalt.

Sie sitzen zu Hause vorm Fernseher. Gab es keine Überlegung, ob Sie in irgendeiner Form in Slowenien hätten dabei sein können?

Nein, wegen Corona und all den Sicherheitsvorkehrungen wäre das kompliziert geworden, das stand nie zur Debatte.

Sie sind der Partner von Franziska Preuß, hätte man da kein Schlupfloch finden können?

Nein, aber natürlich werde ich ihre Rennen am Fernseher anschauen, wir werden auch übers Handy Kontakt zueinander halten. Natürlich fiebere ich mit, wenn die Franzi läuft, da bin ich wirklich angespannt.

Wird sie eine WM-Medaille mitbringen?

(Lacht.) Ich denke, dass mehrere Mitglieder der deutschen Mannschaft Medaillenchancen haben. Für eine Einzelmedaille kommt auch die Franzi (Preuß, d. Red.) infrage, sie ist aktuell die Stärkste im Frauenteam. Wenn der eine Schuss mehr ins Ziel geht, sind ihre Chancen ausgezeichnet – es wäre schön, wenn das bei der WM klappen würde.

Und die übrigen Deutschen?

Denise Herrmann könnte der Schießstand entgegenkommen, er gehört zu den einfacheren, weil man aus einer Abfahrt kommt. Deswegen glaube ich, könnte sie gut durchkommen – dann ist viel möglich, weil ihre Laufleistung zuletzt wieder ausgezeichnet war. Bei den Männern ist Arnd Peiffer ein Kandidat für eine Medaille. Mir ist aufgefallen, dass er besonders stark ist, wenn man nicht zu viel von ihm erwartet. Erik Lesser ist eine Wundertüte bei großen Wettkämpfen, wenn er einen guten Tag erwischt, kann es weit nach vorne gehen. Benni Doll ist läuferisch wieder besser geworden, bei ihm steht und fällt die Medaille am Schießstand.

Die Norwegen sind alle sehr stark.

Ja, gerade Johannes Thingnes Bö – wie er zuletzt in Antholz im Massenstart dem Feld davongelaufen ist, das verdient allergrößten Respekt. Stula Holm Lägreid gefällt mir sehr gut, weil er konstant arbeitet, Tarjei Bö hat viel Erfahrung, und Johannes Dale kann auch immer aufs Podium kommen. Bei den Frauen zählen Marte Olsbu Röiseland und Tiril Eckhoff zu den Favoritinnen.

Was machen die Norweger besser als der Rest?

Wenn wir das wüssten. Mir ist nur aufgefallen, dass sie vor Jahren in der Breite nicht so stark aufgestellt waren, sie hatten zwei, drei Spitzenleute, aber keine gute zweite Reihe.

Zuletzt wurde darüber diskutiert, ob die deutsche Nachwuchsarbeit besser sein könnte.

Der Schritt von den Junioren in den Weltcup ist unglaublich schwer, aber nicht unmöglich. Andere Nationen machen es vor. Es rücken in Deutschland keine richtig jungen Leute so um die 20 nach – Magdalena Neuner, Laura Dahlmeier waren so jung; die Franzi war erst 18. Früher sind solche Talente häufiger im Weltcup zum Einsatz gekommen, und zwar nicht nur zum Reinschnuppern, sondern regelmäßig – weil sie schnell durch Leistung überzeugt haben. Und das haben wir schon seit Jahren nicht mehr.

Man müsste also mehr Talente im Weltcup an den Start lassen?

Aber nicht in der Form, indem man ihnen Geschenke macht. Das wäre der falsche Ansatz. Jeder muss lernen, dass man sich einen Start im Weltcup erarbeiten muss.

An fehlenden Vorbildern kann’s nicht liegen.

Nachwuchs gibt’s schon, es ist aber aus meiner Sicht eine Mentalitätswandlung zu erkennen. In diesem Sport wird niemandem etwas geschenkt, man muss auf dem Weg in die Weltspitze enorm viel Arbeit investieren und Entbehrungen in Kauf nehmen. Biathlon ist ein knallhartes Geschäft. Aber wenn man das nötige Talent mitbringt und seinen Weg geht, auch wenn es wehtut, kann man in jungen Jahren an der Spitze anklopfen.

Man kann gut leben vom Biathlon, wenn man zur Weltspitze zählt. Die Preisgelder sind hoch.

Man kann sehr gut davon leben, keine Frage, aber das trifft nur für die Sportler in der Weltspitze zu, sagen wir bis Platz 15 oder 20 im Gesamtweltcup – dahinter werden die Verdienstmöglichkeiten ziemlich schnell geringer. Da geht es nicht ohne Förderung.

Ist die in Deutschland ausreichend?

Wir haben eine sehr gute Förderung im Wintersport mit dem Behördensystem (Sportler sind beim Zoll, der Polizei oder der Bundeswehr angestellt, d. Red.). Das sind beste Voraussetzungen, um sich ganz auf den Sport zu konzentrieren und gleichzeitig ein Einkommen zu beziehen, das ausreicht. Es liegt kaum an der fehlenden Förderung, wenn in Deutschland wenig Talente nachkommen.

Kommen wir wieder zur WM. Zwölf Tage sind lang, kommt da Lagerkoller auf?

So eine WM geht unheimlich schnell vorbei, man hangelt sich von Wettkampf zu Wettkampf, man hat kaum Zeit, nachzudenken.

Und man kann Medaillen nicht feiern, weil gleich der nächste Wettbewerb ansteht.

Überhaupt nicht (lacht.) Das Programm ist so kurz getaktet – wenn man mit einem sehr guten Ergebnis einsteigt, vielleicht sogar auf dem Podium steht, beginnt gleich danach die Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf.

Man sollte also wie Sie 2017 in Hochfilzen den WM-Titel am letzten Wettkampftag holen.

Das ist auch nicht besser, denn danach ist keiner mehr im Hotel, mit dem man feiern könnte, weil alle abgereist sind. Egal, wann man Weltmeister wird, richtig feiern kann man nicht. Aber das ist für uns ja auch nicht das Wichtigste, wir leben von den Emotionen und den Erinnerungen, die wir mitnehmen.

Und von den Medaillen . . .

Bei uns zu Hause liegt oder hängt keine Medaille, kein Pokal sichtbar in der Wohnung. Sie sind in einem Schrank gut verstaut.