Stefan Mellmann (links) und Thorsten Gutbrod im Wilhelmspalais. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Ort lebendiger Kultur: Die Wagenhallen-Macher bespielen die ehemalige Stadtbücherei in Stuttgart.

Stuttgart - Seit Oktober 2011 stand das Wilhelmpalais leer bis auf ein kurzes Gastspiel der Kunstakademie mit ihrer Jahresausstellung. Nun wollen Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod, die erfolgreich die Wagenhallen bespielen, das Haus in einen Ort lebendiger Kultur verwandeln, ehe es zum Stadtmuseum wird.

Barteile, Scheinwerfer und Kabel sind im Foyer des Wilhelmspalais verteilt – drei Tage vor Eröffnung deutet nichts auf selbige hin. Wer die Herren Mellmann und Gutbrod kennt, weiß indes, dass kein Grund zur Sorge besteht: In den Wagenhallen haben sie schon oft bewiesen, dass sie einen nackten Raum binnen kurzer Zeit in ein Kultur-Wohnzimmer verwanden können. „Wir sind glücklich, dass die Stadt uns das Vertrauen schenkt“, sagt Mellmann. In der Tat ist das keine Selbstverständlichkeit: In Stuttgart tut man sich mit Zwischennutzungen schwer, und fürs Wilhelmspalais gelten Auflagen, besonders was die schmale Treppe angeht.

Wer Mellmann und Gutbrod zuhört, ahnt, wie die beiden Stuttgarts Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann überzeugt haben: mit einem differenzierten, dem Haus angemessenen Konzept für Gastronomie und Kulturprogramm. „Ganz wichtig ist: Wir sind keine Disco“, sagt Gutbrod, um Missverständnisse gleich auszuräumen, und Mellmann fügt an: „Wir machen auch keine Clubkonzerte, wenn es bei uns Musik gibt, dann eher Avantgarde.“

In der Küche sollen regionale Produkte zum Einsatz kommen

Zur Basis wird die Gastronomie im Erdgeschoss, „am Frontportal eine Bar-Situation mit Blick aufs Kunstmuseum, hinten ein gepflegter Biergarten“, sagt Mellmann. In der Küche sollen regionale Produkte zum Einsatz kommen, Weine liefert Sommelier Bernd Kreis. „Bei uns gibt es nicht die gängigen Champagnersorten“, sagt Mellmann, „sondern besondere, und man kann eine Flasche schon für 55 Euro bekommen.“

Ähnlich ausgesucht soll es beim Kulturprogramm zugehen, für das viele Räume zur Verfügung stehen – der Max-Bense-Saal etwa ist schalldicht, Lesungen sind dort auch bei vollem Gastro-Betrieb ungestört möglich. Gutbrod und Mellmann treten nur vereinzelt selbst als Veranstalter auf, entscheiden aber, an wen sie vermieten. „Wir wollen uns klar abheben von den Wagenhallen, das Palais ist ein eigenständiger Ort mit einem eigenen Profil“, sagt Mellmann. Ausstellungen, Lesungen, Theater, Musik soll es geben – „wir haben schon sehr viele Anfragen“, sagt Gutbrod. Das Bundesjugendorchester sowie die benachbarte Musikhochschule haben sich bereits eingebucht. Im ersten Stock ist eine Architekturschau in Planung. Dass der Saal dort als Ausstellungsraum funktioniert, hat die Kunstakademie bei ihrer Jahresschau bewiesen; die Hochschule hat gekämpft, ins Wilhelmpalais zu dürfen, und als Pionierin vorgeführt, dass das Haus für kulturelle Zwischennutzung taugt.

Auch eine Lesereihe ist im Werden. „Man könnte damit auf den Balkon zum Charlottenplatz gehen“, sagt Gutbrod, „die Stadt mit einer Lesung beschallen.“ Das Gebäude und seine Lage bewusst einzubeziehen ist Teil des Konzepts. Fotograf und Videokünstler Mellmann schwebt eine Videoinstallation auf der Front vor: „Man könnte es so erscheinen lassen, als würde das Palais zusammenbrechen“, sagt er – „man müsste aber testen, ob das die Autofahrer erschreckt.“

Mindestens bis Oktober 2013 dauert die Zwischennutzung

Kurz vor Eröffnung gibt es noch viel zu tun – besonders auf der Frontseite, die sich zur Müllhalde entwickelt hat, seit die Stadtbücherei 2011 ausgezogen ist. „Das sind nicht nur Penner und jugendliche Trinker“, sagt Gutbrod, „sondern auch ganz normale Bürger, die verstohlen Müll wegwerfen oder glauben, sie müssten ihre Hundehaufen nicht mitnehmen, weil das Haus ja leer steht.“ Mit der Wiederbelebung dürfte sich dieses Problem von selbst erledigen.

Mindestens bis Oktober 2013 dauert die Zwischennutzung, die endet, wenn der Umbau fürs Stadtmuseum beginnt. Bis dahin hat die Kultur in Stuttgart ein Palais. „Es ist schön, in der Innenstadt zu sein“, sagt Mellmann. Die Innenstadt, die mit solchen Farbtupfern nicht gerade gesegnet ist, könnte das Kompliment direkt zurückgeben.

Eröffnung ist am Freitag, von 22 Uhr an ist der Eintritt für jedermann frei. Die Gastro öffnet täglich um 12 Uhr, Montag Ruhetag.

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