Der Bundestag hat die Öffnung der Ehe für Homosexuelle beschlossen - das stößt bei gleichgeschlechtlichen Paaren im Südwesten bereits auf erstes Interesse. Foto: dpa

Der Bundestag hat gerade die Ehe für alle beschlossen, da trudeln schon die ersten Nachfragen bei den Standesämtern im Südwesten ein. Kommt ein Ansturm von Eheschließungen auf die Behörden zu?

Stuttgart - Der Bundestag hat die Öffnung der Ehe für Homosexuelle beschlossen - das stößt bei gleichgeschlechtlichen Paaren im Südwesten bereits auf erstes Interesse. „Wir stellen das jetzt schon fest. Es kommen jeden Tag Anfragen rein“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Fachverbands der Standesbeamten in Baden-Württemberg, Verena Rathgeb-Stein. Allein im Standesamt in der Stuttgarter Innenstadt seien in einer Woche etwa 15 bis 20 Anfragen eingegangen. Dabei gehe es neben dem Wunsch nach einer Eheschließung auch darum, bereits eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in eine Ehe umzuwandeln.

In anderen Städten dagegen läuft das Interesse langsam an. So fragten in Heidelberg erst zwei Paare nach den Möglichkeiten einer Umwandlung, wie eine Sprecherin sagte. Es sei aber auch noch ein sehr früher Zeitpunkt - die Menschen wüssten, dass die Umsetzung etwas dauere und warteten daher erst noch ab. Der Bundestag hatte am vergangenen Freitag mit einer breiten Mehrheit die völlige rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen beschlossen, einschließlich des uneingeschränkten Adoptionsrechts.

Keine großen Wartezeiten entstehen lassen

Sollte es in der Zukunft einen Anstieg der Eheschließungen im Südwesten geben, könnten die rund 1300 Standesämter das aber bewältigen, sagte Rathgeb-Stein vom Fachverband. „Wir werden das unterbringen, das ist unsere Aufgabe. Der Zeitfaktor ist natürlich da, aber wir tun alles, damit keine großen Wartezeiten entstehen“, sagte sie. Allerdings sei es für die Behörden durchaus eine Herausforderung, eine höhere Nachfrage mit den vorhandenen Kapazitäten zu stemmen.

Eine Segnung der gleichgeschlechtlichen Paare wird es in Württemberg aber wohl nicht so schnell geben. Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: „Die Konsenssuche wird nicht einfach.“ Ein „Hauruckverfahren“ sei nicht gut. Die evangelische Landeskirche von Württemberg debattiert derzeit kontrovers, ob Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare möglich sein sollen. Über die Haltung soll im Herbst das Kirchenparlament entscheiden. Dort haben konservative Strömungen die Mehrheit.

Die meisten anderen evangelischen Landeskirchen - darunter die badische Landeskirche - ermöglichen bereits einen öffentlichen Segnungsgottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare. Der als gemäßigt-konservativ geltende württembergische Bischof hält sich mit einer klaren Positionierung und Vorschlägen weiter zurück. „Es sollte in dieser Frage, die doch für viele Menschen sehr bewegend ist, ein möglichst großer Konsens erreicht werden“, meinte Bischof July.

Kirche bleibt bei Ablehnung

Die katholische Kirche dagegen bleibt bei ihrer Ablehnung: Die Diözese Rottenburg-Stuttgart etwa verweist darauf, dass sich die Haltung zur kirchlichen Ehe ungeachtet der politischen Diskussion nicht verändere. Die sakramental geschlossene Ehe sei Mann und Frau mit der Offenheit für Kinder, die aus der Verbindung hervorgehen, vorbehalten, erläuterte ein Sprecher kürzlich. Eine Ehe zwischen Homosexuellen sei theologisch nicht möglich.

2015 wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Südwesten 52 627 Ehen geschlossen. Dagegen ist die Zahl der eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften vergleichsweise gering: 2015 waren es 748. Dabei gab es ein deutliches Gefälle zwischen Städten und ländlichen Regionen: Während beispielsweise in Stuttgart 86 und in Mannheim 59 Partnerschaften eingetragen wurden, waren es etwa im Hohenlohekreis 4 und im Kreis Freudenstadt 3 Partnerschaften.