Deutlich zu wenige Menschen verirren sich derzeit in die Calwer Passage in der Stuttgarter Innenstadt, obwohl sie als architektonisches Juwel gilt Foto: Piechowski

Gespräche werden mit mehreren Interessenten geführt – Eigentümerin hält Umbau für notwendig.

Stuttgart - Der Glanz ist noch nicht ganz verblasst. Ihren ganz eigenen Charme hat sich die Passage am Rotebühlplatz in den vergangenen Jahrzehnten bewahrt. Doch die großen Kundenströme machen inzwischen einen Bogen um die 15 Geschäfte, die einst als Vorzeigeprojekt des Stuttgarter Einzelhandels galten. Der Hauch des Exklusiven hat sich abgeschwächt. Derzeit stehen zwei Läden leer. Ein Café als Anziehungspunkt gibt es längst nicht mehr.

Das weiß auch die Besitzerin. Die Württembergische Lebensversicherung feilt seit Jahren an einem neuen Konzept. „Nach unserer Auffassung birgt die Passage ein großes Potenzial“, sagt der Immobilienleiter Klaus Betz. Dreh- und Angelpunkt sei „eine behutsame Vergrößerung der einzelnen Ladengeschäfte“, um den Mietern eine langfristige Perspektive zu geben. Viele von ihnen erhalten seit geraumer Zeit nur noch kurzfristige Mietverträge. „Ein großer, kundenanziehender Magnetbetrieb“ solle die Aufenthaltsqualität stärken, so Betz. So könne man auch den kleineren, inhabergeführten Fachgeschäften die Chance erhalten, in ihrer Nische erfolgreich zu sein.

So weit, so gut. Doch der starke Ankermieter ist offenbar nicht in Sicht. Denn trotz des Potenzials bevorzugt die Württembergische einen Verkauf der Calwer Passage. „Wir führen derzeit mit einer Handvoll Kaufinteressenten Gespräche“, bestätigt Betz. Ausschlaggebend seien wirtschaftliche Gründe: „Wie bei jeder Investitionsentscheidung spielt die Wirtschaftlichkeit die maßgebliche Rolle.“ Und vermutlich auch ein ungleich größeres Nachbarprojekt. Ins Gerber an der Paulinenbrücke mit Läden, Wohnungen und Büros steckt die Württembergische derzeit 250 Millionen Euro. Eine Entscheidung über Verkauf oder Umbau der Calwer Passage soll laut Betz in den nächsten Wochen fallen: „Bis zum Ende des ersten Halbjahres 2012 werden wir eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen haben.“ Ein möglicher Kaufpreis wird nicht genannt.

Geschäfte sollen größer werden

Wer auch immer der künftige Besitzer der Passage ist – es dürfte einiges an Arbeit auf ihn zukommen. Die Württembergische sieht nicht nur die Notwendigkeit, die Zuschnitte der Geschäfte zu ändern, ohne zu sehr ins Gebäude einzugreifen, sondern auch Modernisierungsbedarf bei der Haustechnik. Wie viel man investieren müsste, werde derzeit ermittelt, heißt es.

Ob ein neuer großer Ankermieter zur Passage passt, ist bei den derzeitigen Mietern allerdings umstritten. Die Befürchtung: Der typische Charme könnte unter einer Filiale einer großen Kette leiden. „Ein Anfang ließe sich schon mit Kleinigkeiten machen, etwa mit einer gescheiten Beleuchtung und einem vernünftigen Putzdienst“, sagt eine Ladeninhaberin. Große Einigkeit herrsche unter den Mietern nicht, was auch daran liege, dass die einen sehr hohe, die anderen fast keine Mieten zahlen. Der Eindruck: Es fehlt komplett an einem Konzept.

Das sehen auch Experten so. Besonders die versteckten Zugänge zur Passage stoßen auf Kritik. „Nur ein bisschen an den einzelnen Läden rumzumachen bringt nichts“, sagt Citymanager Hans H. Pfeifer. Man müsse sich grundsätzliche Gedanken machen und vor allem die Passage nach außen öffnen: „Es gibt viele Stellschrauben, an denen man dort drehen müsste.“

Experten fordern bessere Zugänge

„Die Anschlüsse an die umgebenden Stadträume lassen von Anfang an zu wünschen übrig“, sagt auch Roland Ostertag von der Stiftung Architekturforum. Man müsse dort Abhilfe und Atmosphäre schaffen und dabei erkennen, was die Passage innerhalb der Stadt leisten könnte. „Ich wundere mich, dass die Besitzerin sich so wenig um dieses versteckte Juwel kümmert“, sagt Ostertag. Das Architekturforum sei schon vor Jahren mit seinen Angeboten, mit Veranstaltungen Leben in die Calwer Passage zu bringen, auf Ablehnung gestoßen.

Die Händler in der Passage wundern sich angesichts der Diskussionen über vieles. Etwa darüber, dass die Württembergische auf zahlreiche Briefe, Anrufe oder Verbesserungsvorschläge nicht reagiere. „Mit uns spricht niemand, wir bekommen nur nichtssagende Antworten“, ärgert sich eine Ladenbetreiberin und sieht die Verantwortung nicht nur bei der Vermieterin: „Warum haben etwa Stadt, SSB oder City-Initiative keinerlei Interesse daran, dass sich etwas zum Guten verändert? Auf keiner Ebene wird der Versuch gemacht, etwas voranzutreiben.“

Zumindest die City-Initiative will diesen Vorwurf nicht so stehen lassen. „Wir haben mehrfach den Versuch unternommen, Gespräche zu führen“, sagt Pfeifer. Es sei allerdings sowohl von der Vermieterin als auch von den Mietern null Resonanz gekommen. Man sehe den Handlungsbedarf, werde aber ohne die nötigen Partner nichts unternehmen. Vielleicht könnte sich dieser Zustand ja mit einem Eigentümerwechsel ändern.