Einer der Kritikpunkte am neuen Edeka-Werbespot ist das Auto-Kennzeichen: In Neonazi-Kreisen steht das „SS“ für die einstige NS-Organisation, die unter anderem für die Verwaltung der Konzentrationslager zuständig war. Foto: Youtube/Edeka

Der Supermarktriese Edeka möchte mit einem neuen Werbespot zur Weihnachtszeit an den Erfolg des vergangenen Jahres anknüpfen. Stattdessen hagelt es Kritik wegen angeblicher Nazi-Symbolik. Zu Recht?

Stuttgart - Im vergangenen Jahr hatte die Supermarktkette Edeka mit dem Werbespot, in dem ein Großvater seinen eigenen Tod vortäuscht, um seine in aller Welt verstreute Familie zu Weihnachten nach Hause zu locken, einen viralen Hit gelandet. Fast 52 Millionen Mal ist der Spot bei Youtube zwischenzeitlich angeschaut worden, er prägte für einige Zeit den Hashtag #heimkommen. Allerdings kam der Spot nicht bei allen Zuschauern an: Viele fanden die Idee des Großvaters reichlich makaber und völlig unangemessen.

Nun wollte Edeka an den Erfolg des Vorjahres anknüpfen und brachte einen neuen Werbespot ins Netz, mit dem Hashtag #zeitschenken, wieder von der bekannten Werbeagentur Jung von Matt. Er handelt von Eltern, die so sehr mit den Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt sind, dass ihre vernachlässigten Kinder einsam aus dem Fenster schauen und traurige Smileys malen. Schließlich erkennen die Eltern, dass der Erfolg der Familienweihnacht nicht vom Aufwand der Dekoration abhängt, sondern von der Zeit, die alle miteinander verbringen.

Doch statt Rührseligkeit herrscht im Netz Empörung. Der Grund sind angebliche Nazi-Codes, die in dem Spot auftauchen. „Absicht oder Fauxpas?“ fragt das Medien-Magazin Meedia in einem Beitrag. Konkret geht es um die beiden Autokennzeichen „MU-SS 420“ und „SO-LL 3849“, die in dem Clip auftauchen. „SS“ steht in Neonazi-Kreisen heute für die Nazi-Organisation „Schutzstaffel“, abgekürzt „SS“. Sie war unter anderem zuständig für die Verwaltung der Konzentrations- und Vernichtungslager im Dritten Reich.

Die Zahlenfolge 420 erregte bei der von Meedia interviewten Expertin ebenfalls Anstoß: Auf Englisch lese sich das als „Four-Twenty“, was auch für das Datum 20.4. stehen könne, den Geburtstag Adolf Hitlers. Die Zahl 84, die im zweiten Kennzeichen zu finden ist, könne für den achten und vierten Buchstaben im Alphabet stehen, also „HD“, was demnach in rechten Kreisen eine Abkürzung für „Heil Deutschland“ gilt.

Edeka hat inzwischen reagiert

Edeka hat inzwischen reagiert. Gernot Kasel, Abteilungsleiter Mitarbeiter- und Medienkommunikation bei dem Unternehmen, erklärte gegenüber dem Branchenmagazin Horizont: „Bei dem Autokennzeichen ‚MU-SS’ handelt es sich um ein Fantasiekennzeichen, angelehnt an den Titelsong in unserem Spot. Wir bedauern es, wenn hier ein falscher Eindruck erweckt wurde. Dies lag keinesfalls in unserer Absicht.“

Tatsächlich ist der Song zur Werbung geprägt von den Verben „muss“ und „soll“ und erzählt davon, was die gestressten Eltern noch meinen, tun zu müssen oder zu sollen. Die Textpassagen sind so markant, dass die Kennzeichen offensichtlich darauf abgestimmt sind. Und um in den Zahlenketten Nazi-Codes zu entdecken, muss man schon ein bisschen um die Ecke denken. Letztlich bleibt von der Diskussion über die angebliche Nazi-Symbolik wohl schlimmstenfalls ein Fall von Instinklosigkeit bei den Verantwortlichen.

Abgesehen davon, dass Auto-Kennzeichen mit Buchstabenfolgen wie SS, KZ oder SA, die ans Dritte Reich erinnern, in Deutschland ohnehin verboten sind und nicht ausgegeben werden, stellt sich die Frage, wie originell es eigentlich ist, Auto-Kennzeichen mit solchen Anspielungen symbolisch aufzuladen. Das kann man auch einfach albern finden.

Und die Zahl 420, um die Verschwörungstheorien vollständig zu machen, könnte auch für den 20. April stehen, an dem in der amerikanischen Subkultur gerne der weichen Droge Cannabis gehuldigt wird. Noch Fragen?