SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann nach seiner Befragung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages. Foto: dpa

Im Bundestag wird versucht, die Puzzle- ­teile im Fall Edathy zusammenzufügen. SPD-Fraktionschef Oppermann wird vom BKA-Chef entlastet. Die Union sieht dennoch weiteren Bedarf an Aufklärung.

Im Bundestag wird versucht, die Puzzle- teile im Fall Edathy zusammenzufügen. SPD-Fraktionschef Oppermann wird vom BKA-Chef entlastet. Die Union sieht dennoch weiteren Bedarf an Aufklärung.

Berlin - Die Latte lag hoch. Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses, hatte am Morgen noch die prominenten Gäste gemahnt, ja nicht zu mauern. BKA-Präsident Jörg Ziercke, SPD-Fraktionschef Zhomas Oppermann und alle anderen, die das Gremium im Fall Edathy anhören wollte, sollten Klartext reden. Andernfalls drohe ein Untersuchungsausschuss. Das war zwar eine klare Ansage. Was die Ausschussmitglieder später zu hören bekamen, konnte die Parlamentarier aber nicht zufrieden stellen.

Dabei gab es einige interessante Neuigkeiten. Die Abgeordneten erfuhren etwa von Ziercke, dass die Ermittler lange Zeit gar nicht wussten, dass ein Bundestagsabgeordneter auf der Kundenliste des kanadischen Pornorings stand. Das Bundeskriminalamt hatte bereits seit über einem Jahr in der Sache ermittelt, gab dann im Oktober 2013 eine Liste mit 80 Namen aus der Kundendatei an das niedersächsische Landeskriminalamt, um die Wohnorte der Verdächtigen zu ermitteln. Die Liste ging auch an die Polizei in Nienburg. Dort war Edathy bestens bekannt. Und dort schrillten erstmals die Alarmglocken. Ziercke: „Ich erfuhr durch den Anruf eines Kommissariatsleiters aus Nienburg am 15. Oktober um 15.21 Uhr, dass es sich um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten handelt.“ Daraufhin hat der BKA-Chef einen Tag später zum Hörer gegriffen und Innenstaatssekretär Fritsche informiert.

Neuigkeiten gab es auch zum Brief an die Bundestagsverwaltung, in dem die Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen gegen Edathy Anfang Februar anzeigte. Das Schreiben ist seltsamerweise verzögert und in einem auffälligen Couvert bei der Verwaltung angekommen. Der Chef der Bundestagsverwaltung erklärte, das Schreiben sei zwei Mal frei gestempelt worden. Einmal von einem regionalen Postdienstleister, ein zweites Mal von einem zweiten Dienstleister, der den Weitertransport nach Berlin übernommen habe. Das erklärt womöglich den langen Lauf. Aufgerissen war der Umschlag aber nicht. Er habe sich in einem „merkwürdigen Zustand“ befunden, der „ursprüngliche Verschluss hat wohl nicht gehalten“. Der Ausschussvorsitzende Bosbach kann kaum verbergen, dass er über die dilettantische Art der Versendung empört ist: „Mir ist überhaupt nicht klar, warum der Brief nicht per Boten nach Berlin geschickt wurde.“

Schon Ziercke Oppermann?

Nun zu dem Anruf Oppermanns im BKA. Ziercke wunderte sich, ja er war befremdet, als er den SPD-Mann am Apparat hatte. Das ist ihm wichtig: Er habe davor das letzte Mal vor Jahren Kontakt zu Oppermann gehabt. Nach allgemeinen Begrüßungsformeln sei dieser zur Sache gekommen und habe berichtet, was er über Kanäle in der SPD erfahren habe. Darauf sei das Gespräch „spürbar angespannt“ geworden, sagte Ziercke. Er selbst habe eisern zur Sache geschwiegen: „Ich hatte mir verordnet, nichts zu kommentieren.“ Für Ziercke war das Gespräch rechtlich unbedenklich: Oppermann habe ihn nicht bedrängt, „strafrechtlich hatte es keine Relevanz“.

Die Opposition geht davon aus, dass Ziercke Oppermann schont. Der Grüne Konstantin von Notz kommentiert das Telefonat bissig: „Ein Gespräch ohne Ziel und ohne Inhalt, zwei Männer schweigen sich an – wer soll das denn glauben?“

Und Oppermann? Der heutige Fraktionschef, der etwa gegen den strauchelnden CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seinerzeit kräftig austeilte, muss jetzt viel einstecken. Bosbach hält ihm vor, in seiner Erklärung aus der Vorwoche wohl gelogen zu haben. Oppermann hatte erklärt, er habe sich am Telefon von Ziercke die Sache bestätigen lassen. Stephan Mayer (CSU) sagte: „Es war ein Fehler, dass Oppermann bei Ziercke angerufen hat.“Und im Bundestag ruft der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster dem sichtlich nachdenklichen Oppermann zu: Dieser solle mal darüber nachdenken, warum alle Leute hinterher Ärger bekommen, wenn er sich mit ihnen unterhalte.

Seehofer und SPD-Abgeordnete für Untersuchungsausschuss

Oppermann kämpft um sein Amt, ahnt, dass es eng ist, versucht es mit Demut: „Mir tut aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde. Es tut mir auch persönlich leid“ Eine Entschuldigung war das zwar nicht, die die Union gefordert hatte, aber immerhin eine Geste in Richtung der schäumenden Union. Im Ausschuss sagte Oppermann noch, er halte es auch für „völlig abwegig“, dass irgend jemand aus dem SPD-Lager Edathy einen Tipp gegeben habe. Auch in seinem Gespräch mit Edathy am 8. November, in dem der sich nach seinen Karrierechancen erkundigte, habe er, Oppermann, nichts angedeutet.

Die Opposition ist nicht zufrieden, kann nicht zufrieden sein. Auffällig ist dennoch, dass sie trotzdem nicht nach einem Untersuchungsausschuss ruft. Ganz anders die Vertreter der Koalition. Von CSU-Chef Horst Seehofer und auch aus der SPD war zu hören, dass man nichts gegen einen Untersuchungsausschuss habe.

So weit, so wenig befriedigend die parlamentarische Aufarbeitung. Im Fall Edathy gibt es auch etwas Neues: Der Bundestagspräsident erteilte der Staatsanwaltschaft Hannover gestern Nachmittag die Erlaubnis, die Computer und Speichermedien aus dem ehemaligen Bundestagsbüro von Edathy sicherzustellen und zu durchsuchen.