Christoph Degenhart ist Verfassungsrechtler an der Uni Leipzig. Im Gespräch erklärt er den Begriff Staatsräson und warum er das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat beschädigt sieht.

Christoph Degenhart ist Verfassungsrechtler an der Uni Leipzig. Im Gespräch erklärt er den Begriff Staatsräson und warum er das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat beschädigt sieht.

Herr Degenhart, was genau versteht man unter dem Begriff Staatsräson?
Die Idee, dass die oberste Leitlinie für das Handeln des Staates sein Wohl, sein Bestand und seine Sicherheit sind. Und dass, wenn es um dieses Ziel geht, es auch erlaubt ist, sich über Gesetze hinwegzusetzen.
Hat Hans-Peter Friedrich als Innenminister nicht im Sinne der Staatsräson gehandelt, wenn er vermeiden wollte, dass die neue Regierung gleich wieder zerbricht?
Ich denke, das hat ihm vorgeschwebt. Aber im Allgemeinen ist gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht. Wenn Sie seine Äußerungen genau ansehen, spricht er davon, Schaden von der Politik abzuwenden. Damit setzt er das Wohl der Politik, der Großen Koalition und ihrer Parteien mit dem Staatswohl gleich. Und das ist die entscheidende Fehlvorstellung – Er setzt Staatsräson mit Parteiräson gleich.
Was macht so ein fehlgeleitetes Verständnis mit unserer Demokratie?
Genau da liegt das Problem. Es schädigt letztendlich den Rechtsstaat. Auch etwa Friedrichs Vorstellung, dass ein Gesetz, das einem nicht passt, sofort aufgehoben werden muss – das alles schwächt das Vertrauen des Bürgers in die Institutionen. Es wäre wesentlich weniger Schaden angerichtete worden, wenn Sebastian Edathy Staatssekretär geworden wäre und dann hätte zurücktreten müssen.