Werner Birkenmaier, der frühere Politikchef der Stuttgarter Zeitung Foto: Michael Steinert

Der frühere StZ-Politikchef Werner Birkenmaier hat beim Pressestammtisch das Phänomen Populismus beleuchtet. In Anlehnung an eine Analyse von Ralf Dahrendorf beschrieb er Populismus als Reaktion auf die negativen Folgen der Globalisierung und des Misstrauens der Verfassungsväter gegenüber den Massen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Echterdingen/Möhringen - So lange sich friedlicher Protest nicht auf das einzige wahre Volk beruft, ist das nicht gleich undemokratisch“, sagte Werner Birkenmaier . Der frühere Ressortleiter Innenpolitik der Stuttgarter Zeitung beleuchtete beim Pressestammtisch in der Zehntscheuer das Phänomen Populismus.

Bei der Frage nach den Ursachen des Populismus verwies er auf einen Artikel des Liberalen Ralf Dahrendorf. Vor 20 Jahren, mitten in der Globalisierungsbegeisterung, hatte dieser auf den Preis des globalen Wettbewerbs hingewiesen. Wir stünden „an der Schwelle zu einem autoritären Jahrhundert“. Wirtschaftswachstum, Demokratie und Sozialpolitik, die drei tragenden Säulen moderner Gesellschaften, würden dem globalen Druck nicht mehr standhalten. Ökonomisches Wachstum sei dabei nur durch die Senkung von Arbeitskosten, Reduzierung sozialer Anrechte und Privatisierung öffentlicher Güter denkbar. Die „perverse Konsequenz“ sei die Ausbreitung einer politischen Reaktion, die versuche, die aufgebrochenen Gegensätze durch eine ideologische Anrufung der fiktiven Einheit des einfachen Volkes zu überwinden. „Dies“, sagte Werner Birkenmaier, „nennt man heute Populismus.“ Populisten seien immer antipluralistisch. Demokratie sei jedoch nur in pluralistischer Form zu haben.

Verfassungsgeber wollten keinen Parlamentsabsolutismus

Die Spielräume für populistische Bewegungen, sagte Birkenmaier, seien historisch erklärbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg misstrauten die Alliierten den Massen, weil diese dem Nationalsozialismus und dem Faschismus den Weg geebnet hätten. Die Verfassungsgeber wollten einen Parlamentsabsolutismus verhindern: „Gleichzeitig wurden Einrichtungen gestärkt, deren Mitglieder sich nie dem Volk zur Wahl stellen mussten, dies gilt für die Zentralbanken und für die Verfassungsgerichte. Solche Einrichtungen gewannen an Einfuss, hingegen verloren die Parlamente.“ So gesehen sei die Nachkriegsordnung in Europa antitotalitär und antipopulistisch. Deshalb kenne das Grundgesetz fast keine Volksbefragungen. „Nicht jeder, der die Eliten kritisiert, ist ein Populist. Demokratie lebt von Kritik“, sagte Birkenmaier. „Populist“, zitierte er den Politikwissenschaftler Jean-Werner Müller, „ist nur derjenige, der den Anspruch stellt, er und nur er vertrete das wahre Volk.“ Als Beispiele nannte er die Frage des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan an seine Kritiker „Wir sind das Volk, aber wer seid ihr?“ und die Pegida-Rufe „Wir sind das Volk“.

Populisten nicht von Diskussionen ausschließen

Für falsch hält Birkenmaier, Populisten von Diskussionen auszuschließen. „Man soll aber eine klare Linie ziehen. Natürlich darf über Flüchtlingspolitik gestritten werden. Wenn aber ein AfD-Politiker wie Alexander Gauland behauptet, es gebe einen geheimen Plan, das deutsche Volk durch Syrer zu ersetzen, dann muss man ihm entgegenhalten, dass er den Bereich der normalen politischen Debatte verlassen hat.