Bleibt uneinsichtig: OB Wolfgang Schuster Foto: dpa

Der Gemeinderat beschließt weniger als 1300 Parkplätze, OB Schuster will 1680 genehmigen.

Stuttgart - Der Streit im Stuttgarter Rathaus ist perfekt. Der Gemeinderat beschloss am Dienstag, dass beim geplanten ECE-Einkaufszentrum weniger als 1300 Stellplätze entstehen sollen, doch OB Wolfgang Schuster wird 1680 genehmigen. Die öko-soziale Mehrheit strebt daher eine rechtliche Überprüfung an.

Zwischen der Mehrheit im Stuttgarter Rathaus und dem Oberbürgermeister gibt es offenbar kaum noch eine gemeinsame Arbeitsgrundlage. SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind warf Wolfgang Schuster (CDU) am Dienstagvormittag jedenfalls einen "Affront" vor. Der Verwaltungschef habe versprochen, dass er auf dem Stuttgart-21-Gelände beim Hauptbahnhof mit den Bürgern und dem Gemeinderat gemeinsam eine neue Stadt planen wolle, doch das Gegenteil sei der Fall.

Am Dienstag trat ein, was sich in den vergangenen Tagen bereits angekündigt hatte. Mit der Mehrheit von Grünen, SPD und SÖS/Linke sprach sich der Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA) für lediglich etwa 1250 Stellplätze im geplanten Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum mit rund 400 Wohnungen aus. Aufgrund des hervorragenden Anschlusses an den öffentlichen Nahverkehr müsse man die rechnerische Stellplatzzahl für Läden, Büros und Wohnungen um 70 Prozent kürzen, nicht nur um 60 Prozent, wie Schuster es will. Außerdem votierte die Mehrheit dafür, dass auf den Baufeldern 6, 8 und 9 des A-1-Geländes an der Wolframstraße keine Stege zwischen den drei Gebäuden entstehen sollen.

Grüne wollen rechtliche Prüfung

Stunden vorher hatte Schuster den UTA-Mitgliedern aber einen Brief vorlegen lassen, in dem stand: "Die Entscheidungen zu Stegen und Stellplätzen liegen im Grundsatz bei der Verwaltung." Wie er ihnen bereits am Montag geschrieben habe, würden diese Entscheidungen nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen. Für Genehmigungen dieser Art sei bei bestehenden Bebauungsplänen die Verwaltung zuständig, hatte Schuster am Montag auch geschrieben. Nur bei regelrechten Befreiungen von Festsetzungen müsse der Gemeinderat zustimmen.

"Das heißt ganz einfach: Ich entscheide, Euch aber geht das nichts an", urteilte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Wölfle, der wie Roswitha Blind den Gemeinderat für zuständig hält. Leider sei diese Meinungsverschiedenheit bisher nicht geklärt worden. Falls Schuster wie angekündigt an diesem Mittwoch die Bauvoranfrage der von ECE Projektmanagement, Strabag AG und Bayerischer Immobilien GmbH unterschreibe, wolle man nachträglich prüfen lassen, ob Schuster rechtswidrig handelte.

Wirtschaftsministerium stützt Schusters Vorgehen

Wirtschaftsförderer Klaus Vogt (CDU), für den neuerdings eine frühere Mitarbeiterin des Baurechtsamts arbeitet, hat da keine Bange. Hinterfragen lassen könne man ja alles - "auch ob man bei roter Ampel tatsächlich nicht über die Straße gehen darf". Dass Schuster schon diesen Mittwoch die Bauvoranfrage unterschreibt, glaube er nicht. Er rechne aber damit, dass die Investoren noch im September positiven Bescheid erhalten und der Weg frei werde "für die mit 500 Millionen Euro größte Investition Europas auf einem bestehenden Baurecht".

Auf Vogt führte es Grünen-Chef Wölfle zurück, dass der Antrag der Grünen und der SPD zur Verhinderung von Stegen und 1680 Stellplätzen den Ausschussmitgliedern zu Sitzungsbeginn gar nicht vorgelegt wurde. Auf Intervention von Vogt sei die Verteilung gestoppt worden. Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD) musste einräumen, bereits ausgelegte Blätter seien "leider wieder eingesammelt worden". Auf Anfrage unserer Zeitung sprach Vogt später von einem "Missverständnis". Er habe in der Verwaltung nur angeregt, vor der Verteilung erst den OB Schuster zu informieren. Mit dem Einsammeln habe er nicht gerechnet.

Wirtschaftsministerium stützt Schusters Vorgehen

Nach Auffassung von Grünen-Chef Wölfle hat Schuster sich in den Augen der Bürger diskreditiert. Er habe immer wieder Bemühungen um Konsens im Rathaus und Planungen im Dialog mit den Bürgern versprochen. "Es ist kein Wunder, dass die Leute ihm nicht mehr trauen", sagte Wölfle.

Dagegen urteilte das bürgerliche Lager, man müsse sich damit abfinden, dass es einen gültigen Bebauungsplan gebe, der bis zu 50.000 Quadratmeter Verkaufsfläche zulassen - "auch wenn wir heute lieber eine Drei vornedran hätten", wie Dieter Wahl (CDU) sagte. Der Gemeinderat habe in diesem Fall kein Entscheidungsrecht mehr, meinte auch Michael Conz (FDP).

Nach Informationen unserer Zeitung liegt OB Schuster ein neueres Schreiben des Wirtschaftsministeriums vor, wonach die Entscheidung über die Stellplatzzahl die Sache des Baurechtsamts sei, als dessen oberster Chef Wolfgang Schuster tätig wird. Tage vorher hatte die Bauverwaltung den Stadträten einen Aktenvermerk des selben Ministeriums zugeleitet, wonach an Standorten wie an der Wolframstraße eine 70-prozentige Minderung der Stellplatzzahl in Frage komme. Dem halten Schusters Mitarbeiter wiederum entgegen, dass selbst dann mehr als 1300 Stellplätze möglich wären.