Formel-1-Chef Bernie Ecclestone bestreitet vor dem Münchner Landgericht die Bestechungsvorwürfe. Foto: dpa

Alles oder nichts. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone bezichtigt den Kronzeugen der Anklage zum Auftakt seines Prozesses der Lüge. Den Vorwurf der Bestechung weist er zurück. Und: Er beteuert seine Unschuld.

Alles oder nichts. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone bezichtigt den Kronzeugen der Anklage zum Auftakt seines Prozesses der Lüge. Den Vorwurf der Bestechung weist er zurück. Und: Er beteuert seine Unschuld.

München - In einer Limousine mit abgedunkelten Fenstern lässt sich Bernard Charles Ecclestone an diesem Morgen zu einem Seiteneingang des Münchner Justizzentrums fahren. Währenddessen warten die Kameraleute vorne vergeblich auf den 83-jährigen Chef und Ober-Strippenzieher des Rennzirkusses namens Formel 1. München sei eine „schöne Stadt“ hat er einmal gesagt, doch der Anlass seines Aufenthalts ist weniger schön für ihn: Bernie Ecclestone ist vor dem Landgericht der besonders schweren Bestechung angeklagt.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat er den ehemaligen Bayern-LB-Banker Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen US-Dollar (31,8 Millionen Euro) bestochen, damit dieser einen Käufer für die Bankanteile an der Rennserie durchsetzt, der Ecclestone genehm ist. Es ging ihm damals in den Jahren 2005 und 2006 um „seine Macht und Kontrolle“, heißt es in der Anklage, die zwei Staatsanwälte über 75 Minuten hinweg abwechselnd verlesen.

Immerhin ist tatsächlich alles zum Besten von Ecclestone verlaufen: Der britische Finanzinvestor CVC kaufte für 814 Millionen US-Dollar (589 Millionen Euro) die Anteile der Bank, Ecclestone konnte weiterhin schalten und walten, wie er wollte. Nach der Anklageverlesung spricht an diesem Tag vor allem einer, beziehungsweise er lässt sprechen: Ecclestone hat mit seinen Anwälten eine umfassende Einlassung zu Papier gebracht, die die Verteidiger Sven Thomas und Thomas Scharf vortragen.

„Dass die 44 Millionen geflossen sind, ist ja unbestreitbar“, sagt Thomas am Rande der Verhandlung. Doch der Kern der Ecclestoneschen Verteidigung lautet: Er hat Gribkowsky nicht bestochen. Vielmehr wurde er von diesem damit erpresst, dass Ecclestone sein immenses Vermögen an seine damalige Frau Slavica und die beiden Töchter mittels der „Bambino“-Stiftung weitergeleitet hat, um Milliarden an Steuern zu sparen.

Wie lautet das deutsche Wort für "Blackmail"?

Wie schon vor zwei Jahren, als er als Zeuge gehört wurde, fragt der „Mr. Formel 1“ erneut das Gericht, ob es im Deutschen ein Wort für das englische „blackmail“ gibt. Die Übersetzung lautet „Erpressung“. Genau das, so beharrt Ecclestone, sei ihm bei Gribkowsky widerfahren.

In der Erklärung holt Ecclestone weit aus und drückt ein bisschen auf die Tränendrüse: Der Vater sei ein armer Fischer im Südosten Englands gewesen, wegen der Wirren des Zweiten Weltkrieges habe Bernie keinen Schulabschluss machen können. Dafür war er schon von klein auf geschäftstüchtig. Mit elf Jahren trug er Zeitungen aus, kaufte für das Geld Brötchen und Kekse, die er dann wiederum gewinnbringend auf dem Schulhof weiterverkaufte.Zum Auftakt des Bestechungsprozesses in München stellt sich Formel-1-Chef Bernie Ecclestone als Opfer einer Erpressung dar

Es folgt eine Lobeshymne auf sein weiteres Wirken: Anfang der 1980er-Jahre bündelte er die kommerziellen Rechte an der Rennserie und verwertete alles äußerst gewinnbringend. Es gab Geld für die Fernsehübertragungen, für die Bandenwerbungen, es gab Sponsoring. Unter seiner Leitung habe die Formel 1 „sehr viel an Wert gewonnen“. Weil er 1996 bis 1999 herzkrank und in einem schlechten Zustand war, habe er sein Geld der Stiftung und damit seiner Frau vermacht. „Ansonsten hätte sie es versteuern müssen“, lässt er durch den Anwalt sagen, „und zwar mit mehr als zwei Milliarden Pfund.“ Er selbst, so meint er, habe gar keinen Zugriff auf die Stiftung. „Das interessiert mich nicht, mir war und ist immer nur die operative Arbeit in der Formel 1 wichtig.“

Ecclestone hört sich die Verlesung gelassen an, nickt immer wieder zustimmend. Ist dieser bescheiden und freundlich auftretende kleine 1,58-Meter-Mann ein solch durchtriebener Typ, wie er immer beschrieben wird? Einer, der es mit vielen Tricks und krummen Touren zu seinem sagenhaften Erfolg gebracht hat? Ist er der Pate der Formel 1? „Bernie wirkt sehr ruhig“, sagt ein Journalist von der BBC in einer Pause. „Er erscheint immer nett. Wie einer, mit dem man sofort Karten spielen könnte – allerdings würde man am Ende garantiert verlieren.“

Doch es brach die Macht der Bayern-LB über ihn herein, die durch die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch im Verbund mit zwei weiteren Banken ungewollt an die Formel-1-Mehrheitsanteile gekommen war. Ecclestone und Gribkowsky – das war offenbar der Kampf zweier Männer um die Macht – mit allen Finessen, Drohungen, Schmeicheleien und schmutzigen Aktionen.

Bernie hat nichts mit großsspurigem Banker am Hut

Der frustrierte Banker wollte aus seinem Job aussteigen, wollte selbst groß ins Formel-1-Geschäft einsteigen, meint Ecclestone. Immer wieder habe er gesagt, dass er mit ihm zusammenarbeiten wollte, sie könnten Partner werden. Doch Bernie hatte nichts mit dem großspurigen Banker am Hut. „Ich brauchte weder seine Arbeit noch seinen Rat.“ Dass er gewusst habe, dass Gribkowsky Vorstand einer Bank im Staatsbesitz war und damit auch ein öffentlicher Amtsträger, bestreitet er. In einem solchen Fall würde die Bestechung besonders schwer wiegen.

Gribkowsky habe ständig „Anspielungen“ auf die Bambino-Stiftung gemacht. Er habe durchblicken lassen, dass er Ecclestones Steuersparmodell bei den Behörden anzeigen könnte, dass in Wirklichkeit der Formel-1-Mann der Chef des Stiftung sei. Dies hätte ihm „jederzeit große steuerliche Probleme“ bereiten können, meint Ecclestone. Für ihn sei klar gewesen: „Gribkowsky wollte Geld.“ Die Staatsanwaltschaft hält von der Erpressungs-Version reichlich wenig. In der Anklage heißt es, Gribkowsky habe dafür nichts Konkretes in der Hand gehabt.

Ecclestone schildert Gribkowsky als einen nach Macht und Anerkennung gierenden Menschen, der zur Befriedigung seines Egos vor wenig zurückschreckt. Sein eigenes Wirken wiederum sei ausschließlich dem Gedeihen der Formel 1 gewidmet. Er habe immer „die tägliche Kontrolle“ behalten wollen. Er will eben nur eines sein, so sieht er sich: Mr. Formel 1. Mit der Familienstiftung und den ganzen komplizierten Finanzkonstruktion habe er hingegen will er nichts zu tun gehabt haben. Auffällig ist nur, dass sich all dies immer speziell um eine Person rankt: Bernie Ecclestone.

Von einer möglichen Prozessabsprache – Geständnis gegen milde Strafe – ist in diesem Verfahren nichts zu sehen. Vielmehr geht Ecclestone in die Offensive, er will seine Sicht der Dinge durchsetzen, wie so oft. Seine Strategie ist klar: Er will anhand „neuer Dokumente“ belegen, dass Gribkowskys Bestechungsgeständnis, welches ihm nun den Prozess eingebracht hat, in zentralen Punkten falsch gewesen sei.

So sei Gribkowsky nicht etwa, wie es die Anklage behauptet, nach Abschluss der Schein-Beraterverträge, über die das Geld geflossen ist, in seiner Haltung umgekippt. Er habe sich nicht plötzlich auf Ecclestones Seite geschlagen und in dessen Sinne gehandelt. Vielmehr habe er, so Ecclestone, „weiter gegen mich gekämpft“. Als Beleg zitiert er aus einem Brief, in dem ihm Gribkowsky mit Schadenersatz gedroht und ihm den Bruch von Verträgen vorgeworfen hatte.

Ecclestone will nun schweigen, bis Gribkowsky ausgesagt hat. Das soll am 9. Mai der Fall sein.