Peter Kremsner leitet das Institut für Tropenmedizin an der Uniklinik in Tübingen und koordiniert Ebola-Impfstofftests in Gabun Foto: DZIF

Mit interaktiver Grafik - Die Ebola-Epidemie in Westafrika wird zurückgedrängt, deutlich weniger Menschen stecken sich mit dem gefährlichen Virus an. Ein Dilemma für die in Kürze anlaufenden Impfstudien: Im Interview erklärt der Mikrobiologe Peter Kremsner warum ein Scheitern der Studien drohen könnte.

Herr Kremsner, Sie leiten ein Forschungszentrum in Gabun in Zentralafrika. Dort wird zurzeit ein möglicher Ebola-Impfstoff getestet. In Tierversuchen wurde bereits bewiesen, dass VSV-ZEBOV immun gegen die Seuche macht. Was ist nun der aktuelle Stand?
Die Impfstudie in Gabun, in Lambaréné, am Campus des Albert-Schweizer-Hospitals, läuft weiter. Wir haben dort bis heute 60 gesunde junge Freiwillige mit unterschiedlichen Dosierungen geimpft. Gleichzeitig ist eine Studie nun in den von Ebola betroffenen westafrikanischen Staaten gestartet. Bisher können wir sagen, dass der Impfstoff gut verträglich ist, also dass kaum Nebenwirkungen wie Fieber oder Schwellungen an der Einstichstelle auftreten. Zudem kann sichergestellt werden, dass die menschliche Immunabwehr auf den Impfstoff reagiert.
Aber wie wirksam ist der Impfstoff?
Das kann man nicht genau sagen. Wir können aus der jeweiligen Immunabwehr Schlüsse ziehen, wie gut er wirken könnte. Wir wissen viel über die Immunogenität, das heißt, wie viele Antikörper diese Geimpften produzieren. Auch die weiterführenden Studien werden keine sichere Auskunft darüber geben. Das liegt letztlich auch an den abnehmenden Fallzahlen von Ebola. Denn, wenn es keine Ebola-Patienten gibt, lässt sich auch nicht gut prüfen, ob der Impfstoff tatsächlich dafür sorgt, dass geimpfte vor Ebola geschützt sind oder zumindest eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit haben.
Kommt die große Impfstoffstudie zu spät?
Ja, das kann man so sagen. Man hätte eigentlich im November oder früher mit den Studien beginnen sollen, als die Fallzahlen noch
gestiegen sind. Aber da waren die Impfstoffe noch nicht ausreichend geprüft. Zwar ist die aktuelle Ebola-Epidemie unberechenbar und es braucht nicht viel, um die Zahl der Neuinfektionen wieder steigen zu lassen. Allerdings sieht es so aus, als ob die Epidemie verebben wird und dann ist es unmöglich, noch irgendetwas über die Wirksamkeit des Impfstoffs herauszufinden.
 
Todesfälle durch Ebola | Create infographics
 
Wie wahrscheinlich ist es dann, dass der Impfstoff überhaupt zum Einsatz kommen wird?
Man kann sagen, dass der Impfstoff in weiterführenden Studien in Westafrika eingesetzt wird. Zudem könnte er auch bei einem neuerlichen Ausbruch einer Ebola-Epidemie gegeben werden können. Solange der Impfstoff aber noch nicht ausreichend geprüft und zugelassen ist, würde er auch nicht massenhaft an alle gespritzt werden, wie es bei einem Masern-Ausbruch der Fall wäre. Denn dort hat man einen Impfstoff, den man lange kennt, der kommerziell erhältlich und obendrein sehr gut getestet ist.
Wie reihen sich Ihre Ergebnisse in die weiteren Impfstudien ein? Der Impfstoff VSV-ZEBOV wird doch auch von anderen Forschungszentren aus Europa und Nordamerika getestet.
Insgesamt gehören die insgesamt sieben Studien mit VSV-ZEBOV , die allesamt von der Weltgesundheitsorganisation WHO koordiniert werden, zu den größten überhaupt: Es gibt zwei Studien in Europa, zwei in Afrika – also unsere in Gabun und eine weitere in Kenia –, sowie drei in den USA und eine in Kanada. Wir alle stimmen uns ein- bis zweimal pro Woche ab. Daher kann ich sagen, dass unsere Ergebnisse aus Gabun von den anderen abweichen: Es sieht danach aus, als ob man in Gabun mit sehr niedrigen Impfdosen eine gute Immunantwort erzielen kann.
Die Menschen in Gabun haben von Natur aus bessere Abwehrkräfte gegen das Ebola-Virus?
Es ist zu früh, um so etwas mit Sicherheit sagen zu können. Aber man kann sich diesen Effekt nur so erklären, dass in Gabun das Ebola-Virus schon öfter aufgetreten ist. Das bedeutet, dass die Menschen dort eine Art immunlogische Gedächtnis entwickelt haben. Das Immunsystem erinnert sich also an den Erreger und hat bei einigen einen gewissen Grundschutz entwickelt.
Der Impfstoff, den Sie erproben, enthält Gen-Schnipsel des Ebola-Zaire-Virus. Wie sicher ist wirkt er auch gegen andere Ebola-Stämme?
Nun, die Ebola-Stämme unterscheiden sich untereinander nicht groß, sie sind beinahe identisch. Letztlich können wir nicht sagen, ob diese Ähnlichkeit groß genug ist, um sie sämtliche Erregertypen mit einem Impfstoff abzudecken. Möglich ist es durchaus, dass es einem Virustyp gelingen könnte, diesem Impfschutz zu entschlüpfen. Aber das kann ich mir nur schwer vorstellen.
Die Ebola-Neuinfektionen sinken, droht auch die Förderung der Impfstoff-Forschung auszulaufen?
Das ist schwer zu sagen. Es gab ja noch nie viel Geld für diesen Bereich der Impfstoffforschung, erst als die WHO die Ebola-Epidemie zu einem Gesundheitsnotfall deklariert hat, flossen internationale Fördergelder von Stiftungen, caritativen Organisationen und auch staatliche Gelder. Diese Förderung wurde auch recht unbürokratisch und schnell verteilt, allerdings ohne auf die üblichen Begutachtungen zu verzichten. Doch dieser Zustrom hat jetzt abgenommen, was wir schon zu spüren bekommen: So war vor Monaten ausgemacht, dass wir unsere Studien in Gabun erweitern sollten. Doch jetzt wurde uns mitgeteilt, dass wir dafür kein Geld mehr bekommen werden.
Macht Sie das nicht wütend?
Diese Entwicklung war fast zu erwarten. Ich mache mir eher Sorgen, dass mit der schwindenden Ebola-Notfallhilfe auch die Unterstützung abnimmt, die Gesundheitssysteme in Westafrika wieder aufzubauen. Vor allem braucht es Gelder für die medizinische Unterstützung bei der Bekämpfung anderer Infektionskrankheiten wie Malaria und Tuberkulose. Ich will nicht zynisch sein, jeder Ebola-Tote ist einer zu viel. Aber Malaria und Tuberkulose brauchen für 10 000 Opfer kein Jahr, sondern nur einen Tag.
 

Grafik: So ist ein Ebola-Schutzanzug aufgebaut

Zur Person:

Der Mikrobiologe Peter Kremsner wurde in Wiener Neustadt (Österreich) geboren. In Wien hat Kremser sein Medizinstudium absolviert. Seit 1996 ist Kremsner Direktor des Instituts für Tropenmedizin der Universität Tübingen. Er leitet ein Forschungszentrum in Gabun, Zentralafrika.