Derzeit wird das von Tübinger Forschern getestete Serum auch in den Epidemiegebieten erprobt: Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Impfstoff auch seine Wirkung entfaltet, wenn sich die Menschen bereits mit Ebola angesteckt haben, die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen ist. Foto: EPA

Erste Erfolge mit einem Impfstoff gegen Ebola meldet das Tübinger Institut für Tropenmedizin. Die behördliche Zulassung des international getesteten Serums werde noch in diesem Jahr beantragt. Für die aktuelle Katastrophe kommt das jedoch zu spät.

Tübingen - 460 Tage – so lange schon terrorisiert das Ebola-Virus die Menschen hauptsächlich in den westafrikanischen Ländern Sierra Leone, Guinea und Liberia. Fast 25 000 Menschen haben sich bisher mit dem Virus infiziert, mehr als 10 300 sind an den Folgen gestorben. Die Zahl der Neuinfektionen ging zuletzt zurück, jetzt ist sie wieder angestiegen: Allein vergangene Woche wurden in Liberia 75 Neuinfizierte registriert, nachdem sich fast drei Wochen lang niemand mit dem Virus angesteckt hatte.

Es ist ein Kampf mit einem schier nimmermüden Gegner. Doch unbesiegbar ist das Virus nicht, wie nun Forscher der Eberhard-Karls-Universität Tübingen am Mittwoch verkündeten: „Die erste klinische Studie eines Ebola-Impfstoffs ist beendet und die Ergebnisse sind vielversprechend.“

Seit Spätsommer 2014 sind die Tübinger Wissenschaftler zusammen mit Kollegen aus Hamburg und Forscherteams aus den USA, Kanada und der Schweiz im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO dabei, einen Wirkstoff zu testen – den es längst hätte geben können: Schon vor zehn Jahren kam die kanadische Gesundheitsbehörde auf die Idee, ein lebendes Virus für Tierkrankheiten abzuwandeln und ihm das Gen für das wichtigste Oberflächenprotein des Ebola-Erregers zu verpassen. Wird das Virus dem Menschen geimpft, verursacht es eine leichte Infektion, die das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen das Ebola-Oberflächenprotein veranlasst. Eine Ebola-Infektion wird jedoch nicht hervorgerufen.

In Tierversuchen bewiesen, dass Impfstoff immun gegen Ebola macht

Nur: Bislang waren die Ebola-Epidemien zu klein und zu kurzlebig, als dass Ärzte potenzielle Therapien hätten erproben können. Hinzu kam, dass Pharmaunternehmen und andere Forscher die Ausgaben kaum vertreten wollten – für Studien zu einem Virus, das in 40 Jahren 1600 Menschen das Leben gekostet hatte. „So aggressiv der Ebola-Erreger auch wirkt; Malaria, Tuberkulose und Aids forderten allein im Jahr 2013 mehr als drei Millionen Todesopfer“, sagt auch Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin in Tübingen und einer der Koordinatoren der internationalen Ebola-Impfstudie. Erst als im Frühjahr 2014 führende Gesundheitsexperten Alarm schlugen, weil das Ebola-Virus in neue Regionen und Länder überzuspringen drohte, wurden umfangreiche internationale Maßnahmen gefordert. Prompt wurden Impfstudien genehmigt und Fördergelder in Millionenhöhe bewilligt. „Es war eine Notfallsituation“, sagt der Tropenmediziner Kremsner.

In Rekordzeit lieferte das internationale Forscherteam um die Tübinger auch erste Ergebnisse: Im November 2014 wurde bewiesen, dass der Impfstoff namens VSV-ZEBOV immun gegen die Seuche macht. Inzwischen wurde er in einer ersten klinischen Phase 138 Freiwilligen in Lambaréné (Gabun), im kenianischen Kilifi, in Genf und in Hamburg gespritzt. „Der Wirkstoff wird vom Menschen recht gut vertragen“, sagt Kremsner, der die Testreihen in Gabun leitet. Lediglich in Einzelfällen entwickelten sich arthritische Entzündungen der Gelenke, die bis auf eine Ausnahme aber schnell abgeklungen seien. Auch konnte nachgewiesen werden, dass Antikörper gebildet werden – bei den Testpersonen in Gabun sogar etwas besser als bei den europäischen Vergleichsgruppen. Kremsner erklärt sich diesen Effekt, dass in Gabun Ebola schon öfter aufgetreten ist. „Die Menschen dort konnten also eine Art immunologisches Gedächtnis entwickeln.“

Bedenken, ob der Umfang der Impfstudien aussagekräftig genug ist

Wie wirksam der Schutz sein wird, muss sich erst in weiteren klinischen Tests zeigen. Derzeit wird das Serum auch in den Epidemiegebieten erprobt: Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Impfstoff auch seine Wirkung entfaltet, wenn sich die Menschen bereits mit Ebola angesteckt haben, die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen ist. Das Patent für den Impfstoff liegt beim US-Pharmakonzern Merck. Er könne noch in diesem Jahr zugelassen werden.

Sicher ist das aber nicht: So gibt es Bedenken, ob der Umfang der Impfstudien überhaupt aussagekräftig genug sein wird. Denn trotz der schwankenden Zahl der Neuinfektionen rechnen Experten eher damit, dass die Epidemie bis zum Sommer verebben wird – und dann wird es für die Forschung unmöglich, noch etwas über die Wirksamkeit des Impfstoffs herauszufinden. „Normalerweise benötigen die Sicherheitsstudien für neu entwickelte Impfstoffe fünf bis zehn Jahre“, sagt Kremsner. In der jetzigen Ebola-Forschung wird der Prozess auf nicht einmal ein Jahr zusammendrängt. Das ist eine riesige logistische Leistung, zudem müssen für die umfangreichen Tests genügend Impfstoffmengen produziert werden.

Es ist also nicht sehr wahrscheinlich, dass der getestete Impfstoff so schnell zum Einsatz kommen wird – zumindest nicht bei der aktuellen Epidemie, sagt Kremsner. Doch so makaber es auch klingt: „Ebola wird immer wieder ausbrechen.“ Und zumindest bei der nächsten Welle sei man nun besser gerüstet.