Nach wie vor unbeliebt bei den Deutschen: E10. Foto: dpa

Deutsche meiden Biosprit E10 weiter wie der Teufel Weihwasser – unbegründet, sagen alle Experten.

Stuttgart/Hamburg - Abgesehen von den stetig steigenden Kraftstoffpreisen an der Zapfsäule, gibt es wohl kaum ein Thema, das die Autofahrer mehr umtreibt als E10. Anfang vergangenen Jahres eingeführt, fristet er noch immer ein Nischendasein. Eine gerade veröffentlichte Studie von TNS Infratest im Auftrag des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDB) kommt zu dem Ergebnis, dass sieben von zehn Autofahrern den Ökosprit nicht tanken, weil sie Schäden am Motor befürchten. Stimmen die Vorbehalte? Einige Fragen und Antworten:


Was ist Super E10 überhaupt?
Super E10 ist ein Kraftstoff, dem neben normalem Superbenzin zehn Prozent Ethanol – also normaler Alkohol – beigemischt sind. Bio ist das Ethanol, weil es aus Pflanzen, meist Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Getreide, gewonnen wird. Schon bislang wird gewöhnliches Super mit maximal fünf Prozent Ethanol versetzt – Super E5.

Schadet E10 dem Auto und dessen Motor?
Die Angst, dass der neue Ökosprit Motoren zugrunde richtet, ist unbegründet. Sowohl den Autoherstellern als auch dem ADAC ist kein einziger Fall eines Kraftfahrzeugs bekannt, das durch die Betankung mit dem Ökokraftstoff Schaden genommen hätte. „Bei E10-tauglichen Modellen gibt es fast eineinhalb Jahre nach Einführung keinen einzigen Motorschaden“, sagte ADAC-Kraftstoff-Experte Christian Buric unserer Zeitung. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Rund 90 Prozent aller hierzulande fahrenden Autos vertragen E10. Das betreffende Auto muss E10-tauglich sein. Die Deutsche Automobil-Treuhand (DAT) hat dazu eine Liste erstellt, die alle im Land gängigen Modelle auflistet und detaillierte Angaben zur E10-Tauglichkeit enthält (www.dat.de). Nach Herstellerangaben sind grundsätzlich alle neuen Motoren und Modelle E10-tauglich. Einschränkungen gibt es allerdings bei älteren Fahrzeugen. Der ADAC hat beispielsweise mit einem Opel Signum einen Dauertest durchgeführt und konsequent E10 getankt, obwohl das Fahrzeug dafür nicht freigegeben war. Folge: nach knapp 30.000 Kilometern gab der Motor seinen Geist auf.

Ist E10 gut für die Umwelt?
Zunächst gilt: Die Verbrennung von Super E10 im Motor senkt den CO2-Ausstoß unter anderem wegen einer saubereren Verbrennung im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff um etwa ein Prozent. Darin mit eingerechnet ist nach Angaben des ADAC bereits der etwas höhere Verbrauch (von etwa 1,5 Prozent) der E10-Motoren. Insofern ist E10 also gut für die Umwelt. Laut Branchenverband BDB werden bei flächendeckender Beimischung von E10 in Deutschland jährlich 2,3 bis 3,6 Millionen Tonnen CO2 vermieden. Auch die bundeseigene Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geht von einem beträchtlichen Einsparpotenzial aus.

Warum dann die Skepsis der Bürger?
Eine andere Frage ist, welche Umweltfolgen der großflächige Anbau von Zuckerrohr, Zuckerrüben, Mais und Weizen hat. Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verweisen darauf, dass der Anbau speziell dieser Pflanzen unter Umständen sogar mehr CO2 als normal freisetzen könnte. Für den BUND ist Ökosprit daher eine Mogelpackung. Zudem kommt ein ethischer Aspekt: Soll aus Lebensmitteln Sprit erzeugt werden? Eine Frage, die Kritiker angesichts einer Milliarde hungernder Menschen weltweit verneinen. In Deutschland soll ein Zertifizierungssystem für den Ökosprit Auswüchse, die etwa durch die Rodung von Waldflächen für den Zuckerrohranbau entstehen, verhindern.

Warum gibt es überhaupt E10?
Die Einführung von E10 geht auf Umwelt- und CO2-Reduktionsziele zurück, die sich die EU und die deutsche Bundesregierung gesetzt haben. Im Bundesgebiet soll die Anteil von Biosprit am Gesamtverbrauch bis 2020 auf zehn Prozent ausgeweitet werden – aktuell ist man bei knapp sechs Prozent und damit hinter Plan. Durch die Beimischung soll der CO2-Ausstoß nachhaltig gesenkt werden. Anfänglich sollte das ausschließlich über die Einführung verbrauchsärmerer – und damit CO2-effizienterer – Motoren geschehen. Nach massiver Lobbyarbeit der deutschen Automobilwirtschaft einigte man sich aber auf einen Deal, der lautete: Ein Teil der Einsparung wird durch bessere Motoren erzielt, ein anderer Teil soll durch die Mineralölwirtschaft erbracht werden, und zwar indem der Anteil des Ökosprits je Liter Superkraftstoff erhöht wird. Damals wurde die Unterscheidung zwischen Super E5 (dem gängigen Super) und Super E10 (dem neuen Ökosprit) geboren.

Welche Interessen stehen hinter E10?
Für die Biospriterzeuger ist E10 ein Segen. Bisher waren sie stark von dem Biodiesel abhängig. Wegen stärkerer Besteuerung sinkt der Biodiesel-Absatz aber rapide. E10 ist daher ein Strohhalm für die Branche. Auch die Automobilkonzerne wollen E10, nimmt er doch Druck von ihnen, die Motoren weiter zu optimieren. Die Mineralölbranche fremdelt mit E10 – kein Wunder, sind die Umrüstung der Tankstellen, der Vertrieb und die Logistik doch ziemlich teuer. Allerdings: Die Zeche wird wohl wieder der Verbraucher zahlen. Die Aral-Mutter BP hat bereits angekündigt, die Kosten auf die Verbraucher umzulegen.

Was macht das Ausland?
In Frankreich verlief die Einführung von Biosprit im Jahre 2008 ziemlich geräuschlos. Brasilien – wo traditionell viele Autos mit Ethanol betrieben werden – will den Biospritanteil mittelfristig auf 50 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs steigern. Ähnlich sieht es in den USA aus.