Sind E-Zigaretten enger mit klassischen Glimmstängeln oder mit Nikotinpflastern verwandt? Richter in Münster haben ein wegweisendes Urteil im Streit um die umstrittenen Verdampfer gesprochen.

Münster - E-Zigaretten mit nikotinhaltigen Flüssigkeiten dürfen weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am Dienstag in einem Grundsatzurteil entschieden, dass die Produkte keine Arzneimittel sind. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar.

Das Gericht wies in drei Verfahren die anderslautenden Rechtsauffassungen der Stadt Wuppertal, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland zurück. In allen drei Verfahren ließ das Gericht Revision zu.

Arzneimittel - wie etwa Nikotinpflaster - hätten typischerweise eine therapeutische Eignung und eine therapeutische Zweckbestimmung, erläuterte das OVG. Beide Voraussetzungen seien bei nikotinhalten Liquids nicht gegeben. Liquids seien „weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, einen dauerhaften Rauchstopp zu erzielen“. In der Begründung der Urteile in den drei Fällen stützte sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie auf Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Für Arzneimittel gilt ein langwieriges Zulassungsverfahren. Anschließend dürfen die Produkte in der Regel nur in Apotheken verkauft werden.

Gesundheitsministerin Steffens (Grüne) bedauert die Entscheidung

Im ersten der drei Verfahren, die am Dienstag auf der Tagesordnung standen, kritisierten beide Seiten, dass die juristische Lage zur Einordnung von E-Zigaretten bisher unzureichend gewesen sei. Geklagt hatte eine Händlerin aus Wuppertal, der von der Stadt der Verkauf von Liquids untersagt worden war. Die Stadt Wuppertal hatte nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten ab einer bestimmten Konzentration als Arzneimittel eingestuft. Die Kauffrau hatte ihre zwei Geschäfte schließen müssen.

Im zweiten Verfahren ging es um einen Streit zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und einem Produzenten von E-Zigaretten. Nach einer Warnung vor den umstrittenen Produkten durch Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) war der Umsatz der E-Zigaretten eingebrochen.

Das Gericht tadelte das Ministerium. „Eine geäußerte Meinung muss rechtssicher sein. Wenn es Zweifel gibt, muss das Ministerium auf Zweifel auch hinweisen“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Lau. Er verwies auf ein Urteil aus dem Jahr 2011, bei dem ein Gericht die Arzneimittel-Zugehörigkeit von nikotinhaltigen Liquids verneint hatte. „Das hätte das Ministerium berücksichtigen müssen.“

Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bedauert die Entscheidung. „Zumal sie auch der Entwicklung auf der europäischen Ebene widerspricht. Durch die Veränderungen der EU-Tabakrichtlinie beabsichtigt Brüssel klarzustellen, dass es sich bei nikotinhaltigen Liquids für E-Zigaretten um Arzneimittel handelt“, sagte Steffens laut einer Mitteilung. Das Ministerium kündigte an, eine Revision gegen das Urteil zu prüfen.

Im dritten Fall klagten zwei Unternehmen, die nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten herstellen beziehungsweise vertreiben. Sie hatten in einem Streit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte feststellen lassen wollen, dass die Liquids keine Arzneimittel und die für deren Verdampfen notwendigen E-Zigaretten keine Medizinprodukte sind. Das OVG hat dies jetzt bestätigt. Ob das Bundesinstitut in Revision gehen wird, ist nach Aussage eines Sprechers noch offen.