Um bei Jugendlichen gezielt für E-Zigaretten und E-Shishas zu werben, lassen sich die Hersteller einiges einfallen: Die Produkte sind oft rosa, ... Foto: Hersteller

Allein in Deutschland dampfen 2,2 Millionen Menschen E-Zigaretten – vor allem Jugendliche werden angesprochen. Das zeigt eine aktuelle Dokumentation des Deutschen Krebsforschungszentrums. Zudem warnen die Forscher vor den in E-Zigaretten enthaltenen, teils giftigen Gemischen.

Heidelberg - Der einsame Cowboy mit Kippe im Mundwinkel hat ausgedient. Die neue Zigaretten-Generation ist jung und energiegeladen, ständig mit Freunden unterwegs und hat das digitale Zeitalter voll im Griff. Und statt beißendem Qualm umweht sie ein Hauch von Vanille oder Pfefferminz. Rauchen ist out, dampfen ist in. So lautet die Werbebotschaft, mit denen E-Zigarettenhändler ihre Ware verkaufen wollen – und das längst nicht nur an Raucher, die nach einer Alternative für die Tabakzigarette suchen: Bevorzugt werden nichtrauchende Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 25 Jahren angesprochen, wie nun Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg (DKFZ) mit einer Dokumentation belegen.

Diese wurde anlässlich der 12. deutschen Konferenz für Tabakkontrolle, die derzeit im Heidelberger Institut stattfindet, vorgestellt, an der rund 250 Experten und Politiker aus zehn Ländern teilnehmen. Das Fazit: „Die E-Zigarette wird mit Hilfe von aggressivem Marketing als cooles Lifestyle-Produkt vermarktet“, sagt Verena Viarisio von der Stabstelle Krebsprävention des DKFZ. Rauchen könnte so wieder beliebter werden. Gerade jetzt – da die Zahl der jungen Raucher am Sinken ist: Hatten 2001 noch 28 Prozent der 12- bis 17-Jährigen zur Kippe gegriffen,waren es 2012 nur elf Prozent.

Hersteller vermeiden jegliche Ähnlichkeit mit herkömmlichen Zigaretten

Mehrere Monate haben sich die Forscher Marketing-Strategien verschiedener E-Zigaretten-Produzenten und -Händler genauer angeschaut – im Internet, auf Musikfestivals und Volksfesten, sowie Tankstellen und in Drogerien: Werbebanner zeigen Frauenlippen, die eine einem Lippenstift nachempfundene E-Zigarette küssen. In einem TV-Spot erhalten durchtrainierte Jungs nach einem tiefen Zug am elektrischen Glimmstängel einen Frische-Kick.

Jegliche Ähnlichkeit mit der üblichen Raucherware werde vermieden, so Viarisio. E-Zigaretten sind oft rosa, mit glitzernden Strasssteinen besetzt. Manche spielen Musik ab oder können mit dem Handy angerufen werden. Verstärkt wird dieser harmlos wirkende Effekt mit Hilfe süßer Geschmacksrichtungen wie „Tutti Frutti“, „Zuckerwatte“ oder „Schokolade“, in denen die E-Zigarette angeboten wird. Tatsächlich fanden die Krebsforscher bei ihrer Recherche die E-Zigarette oft im Regal an der Kasse, direkt neben den Süßigkeiten: Gleicht die Verpackung mit den abgebildeten Früchten doch eher der von harmlosen Kaugummis, denn der einer riskanten Raucherware.

Das ist und bleibt die E-Zigarette, wie die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, Martina Pötschke-Langer betont: „Nicht in allen E-Zigaretten, die als Lifestyle-Produkt vermarktet werden, ist Nikotin enthalten“, sagt sie. Aber selbst mit E-Zigaretten ohne Nikotin, den sogenannten E-Shishas, würden Jugendliche ein Ritual einüben, das das Rauchen nachahme und das sie darüber dem Nikotin- und dem Tabakkonsum einen Schritt näher bringe.

Das Inhalieren des Dampfs führt zu Atemwegreizungen

Hinzu kommt , dass die meisten elektronischen Zigaretten in China produziert werden. Die Inhaltsstoffe werden kaum kontrolliert. Und gerade die können durchaus Schaden anrichten, so die Krebsforscher: Denn mit dem Dampf der Produkte inhalierten die Jugendlichen nicht nur die atemwegreizende Grundsubstanz Propylenglykol. Dadurch könne es unter anderem zu Reizungen des Mundes und der Atemwege, zu Kopfschmerz und Übelkeit kommen, die Langzeitfolgen seien schwer vorhersehbar. Die Aromastoffe können beim Einatmen zu Allergien führen. Teilweise enthält der Dampf auch krebserzeugende Substanzen wie Formaldehyd, Nickel oder Chrom. Die Krebsforscher fordern, „elektronische Inhalationsprodukte wie E-Zigaretten und E-Shishas“ genauso zu behandeln wie herkömmliche Zigaretten. Das bedeute letztendlich neben einem Verkaufsverbot auch ein Werbeverbot.

Der Verband des E-Zigarettenhandels kann die Aufregung der Wissenschaftler nicht nachvollziehen und hält die Forderungen für überflüssig: Elektrische Zigaretten würden an Stellen verkauft, an denen Kinder nichts zu suchen hätten, wie etwa in Tabakgeschäften: „Wir haben uns selbst verpflichtet, nicht an Jugendliche zu verkaufen.“ Der Verband vertritt 70 Prozent der Händler, die E-Zigaretten verkaufen.

Schon Schüler der Unterstufe wurden beim Paffen von E-Shishas erwischt

Tatsächlich zeigt aber nicht nur die Dokumentation des DKFZs, dass sich nicht alle Händler an diese Vereinbarung halten: So sind laut Kultusministerium Baden-Württemberg Fälle bekannt, in denen schon Unterstufenschüler beim Paffen von E-Shishas erwischt wurden.

Experten vom Baden-Württembergischer Landesverband für Prävention und Rehabilitation beobachten mit Sorge den Trend zur E-Zigarette. So schätzt der Suchtberater Jörg Hügel, dass in einer achten Klasse von 25 Schülern nur vier noch keine dieser elektronischen Raucherprodukte probiert haben.

Es wird noch dauern, bis die Gesetzeslücke, die sich mit den E-Zigaretten und den E-Shishas aufgetan hat, geschlossen werden kann: Zwar hat sich die EU 2013 geeinigt, „imitierte Tabakerzeugnisse, die für Minderjährige attraktiv sein können und einen potenziellen Einstieg in den Konsum von Tabakerzeugnissen bieten können“, zu verbieten. Ob dieser Passus von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird, bleibt offen.