In Aktion: Lorenz Fasig (vorne links) und Jim Jäger (rechts) im Wald zwischen Degerloch und Heslach. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Immer mehr Menschen in Stuttgart steigen auf elektrisch unterstützte Fahrräder zurück. Wir haben eine Gruppe von Jugendlichen aus dem Stuttgarter Westen getroffen, die mit E-Mountainbikes auch abseits normaler Wege unterwegs ist.

Stuttgart - Das knackende Geräusch von zerbrechenden Ästen und das Sirren der Räder kündigt die heranrauschenden Jugendlichen an. Kleine Steinchen und Kies spritzen zur Seite, als die fünfköpfige Bande den Woodpecker-Trail hinunter durch den Wald schießt. Keine zwei Minuten dauert der wilde Ritt über Steilwandkurven und Steinfelder, ehe die voll gepanzerten Jungs in einer Staubwolke zum Stehen kommen.

Für Spaziergänger und Jogger eine ganz normale Szenerie an der Downhill-Strecke zwischen Degerloch und Heslach. Erst auf den zweiten Blick erkennt der aufmerksame Betrachter die kleinen Elektromotoren am Rahmen der Räder. Denn: Wer beim typischen E-Bike-Fahrer nur an Frauen und Männer im mittleren oder hohen Alter denkt, liegt falsch. Die fünf Freunde aus dem Stuttgarter Westen bilden den Gegenentwurf zu solchen Klischees: Sie gehen alle noch zur Schule, sind keine 20 Jahre alt und fahren seit etwa einem Jahr leidenschaftlich E-Mountainbike.

Viele Downhill-Fahrer schwören auf reine Muskelkraft

Damit gehören die Schüler mit ihren E-Fully-Bikes („Fullsuspension“, dt.:Vollfederung) im Gelände allerdings zur Ausnahme. Viele eingefleischte Downhill-Fahrer missbilligen die Elektroakkus und schwören auf die reine Muskelkraft. Blöde, manchmal aber auch neidische Blicke seien da keine Seltenheit, berichtet Henri Maier, einer der Jungs. Preis und Verschleiß der E-Räder sind zwar hoch, liegen allerdings nicht exorbitant über den Anschaffungs- und Reparaturkosten hochwertiger Downhill-Bikes. Ein Nachteil der E-Fullys ist das Gewicht: Um die 22 Kilogramm wiegen die E-Bikes, konventionelle Mountainbikes dagegen bis zu zehn Kilogramm weniger.

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„Wer beim Aufstieg Kraft spart, kann öfter bergab fahren und hat mehr Spaß“, erklärt Michael Lausterer die wachsende Nachfrage nach elektrisierten Offroad-Bikes. Im vergangenen Mountainbike-Urlaub in Ligurien wurden die mitgenommenen E-Räder in seinem Freundeskreis von Tag zu Tag beliebter, erzählt Lausterer mit einem Schmunzeln. Sein Laden „eRadwerk“ in der Reinsburgstraße hat sich auf den Verkauf und die Reparatur von E-Bikes spezialisiert.

Henri ergänzt: „Während die anderen am Marienplatz eine halbe Stunde auf die Zacke warten, fahren wir den Trail dreimal hoch und runter.“ Mithilfe der elektrischen Unterstützung strampelt die Gruppe wieder bergauf und geht dem Kampf um die begehrten Plätze auf dem Fahrradwagen der Zahnradbahn aus dem Weg.

Der Mix aus Geschwindigkeit und Mobilität

Doch nicht nur auf Offroad-Strecken nutzen die Jugendlichen ihre elektrisierten Räder. Vom Vogelsang zur Weinsteige in nur zehn Minuten – so schnell sei weder der öffentliche Nahverkehr, noch das Auto. Ausflüge zum Kappelberg oder der Grabkapelle auf dem Württemberg stünden ebenfalls regelmäßig auf dem Programm. Auch eine Tour um den Bodensee haben die Freunde schon unternommen, eine kleine Alpenüberquerung ist geplant.

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Die jungen Männer reizt natürlich auch das hohe Tempo, welches mit vergleichsweise niedrigem Kraftaufwand erreicht werden kann. „Wir haben weniger Angst als ältere Leute“, beschreibt Lorenz Fasig den Fahrstil der Clique. Wegen überhöhter Geschwindigkeiten wurden die jungen Männer indes noch nicht angehalten. Nur zwei Polizisten wollten einmal wissen, ob die Räder geklaut seien. Außerdem unterstützen die Motoren den Fahrer nur bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde.

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Den Spaß an der Sache haben die Jungs zunächst durch die Pedelecs ihrer Eltern entdeckt. Dann wollten auf einmal alle in der Schule eine Runde mit den neuen Rädern drehen. „Die Gruppe wächst immer mehr“, sagt Henri. Und auch die Eltern begrüßen das neu entdeckte Hobby ihrer Söhne: „Sie finden es besser, wenn wir im Wald unterwegs sind, als dass wir vor dem Computer oder der Playstation sitzen.“