Über Stock und Stein: das geht auch mit einem E-Bike. Foto: Alex Österle

Noch ist es ein Nischenmarkt, aber die Nachfrage nach E-Bikes für Kinder und Jugendliche steigt in Stuttgart stetig. Experten sagen einen Boom voraus.

Stuttgart - Viel Zeit hat er nicht. Der Laden Tretmühle in Sillenbuch ist voll, die Kundschaft will bedient werden. Denn das Geschäft mit den E-Bikes brummt. Das ist bekannt. Weniger geläufig ist die Tatsache, dass die Kunden immer jünger werden. „Die Nachfrage nach E-Bikes für Kinder und Jugendliche wird immer größer“, sagt Carlos Mergenthaler. Seiner Meinung nach ist das der Stuttgarter Topografie geschuldet. „Wir verkaufen vor allem sportliche Räder, etwa Mountainbikes – die Kinder und Jugendlichen fahren damit zur Schule, sonst kommen die oftmals die Berge nicht hoch.“ Sagt’s, und geht, um weiter Fahrräder zu verkaufen – vorrangig E-Bikes.

„Jugendliche und Kinder sollten sich lieber bewegen“, das ist die Meinung von Cornelius Gruner, Vorsitzender des ADFC Stuttgart. Er sieht aber auch, dass Stuttgart topografisch anspruchsvoll ist. „Wenn Jugendliche den Weg zur Schule nur so schaffen, dann ist das okay“, sagt er. „Immerhin verzichten sie durch ein E-Bike vielleicht aufs Elterntaxi.“

E-Bikes für Kinder und Jugendliche sind meist geschrumpfte Abbilder traditioneller E-Bikes

Gruner hat zwar noch keinen Boom beim E-Bike für Kinder und Jugendliche festgestellt, er ist aber davon überzeugt, dass dieser kommen wird: „Das geht garantiert in die Richtung, das ist ein großer Markt, und der wird sich nach und nach entwickeln“.

Bisher allerdings sind E-Bikes für Kinder und Jugendliche trotz der steigenden Nachfrage noch immer ein Nischenmarkt. Die meisten namhaften Hersteller bieten zwar E-Bikes für Kinder und Jugendliche an, diese kommen allerdings meist als geschrumpfte Abbilder der traditionellen E-Bikes daher. Das Problem daran: Da die Räder nicht speziell auf den Einsatzzweck hin entwickelt wurden, ergeben sich Leergewichte von rund 20 Kilogramm. Das ist freilich viel zu schwer für ein Kind, sogar zu schwer für einen Jugendlichen.

Die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit der E-Bikes sei problematisch

Der einzige Anbieter, der sich speziell auf E-Bikes für Kinder und Jugendliche spezialisiert hat, hat seinen Sitz in Baden-Württemberg. In Rottweil-Neufra werden in Handanfertigung Ben-E-Bikes montiert. „Wir setzen eben nicht einfach die Technik eines E-Bikes für Erwachsene auf ein Kinderrad drauf, das dann 25 Kilogramm wiegt“, sagt der Geschäftsführer Alexander Österle. Der Gründer, Robin Krichel, hat ein E-Bike speziell für Kinder entwickelt, das 20-Zoll-E-Bike, das ab einer Körpergröße von 1,15 Metern genutzt werden kann, wiegt unter zehn Kilo – und ist damit so schwer wie ein herkömmliches Rad.

Gruner vom ADFC indes findet das Gewicht weniger problematisch als die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit der E-Bikes. Das bestätigen die Polizei – deren Zahlen gleichfalls die wachsende Nachfrage an E-Bikes widerspiegeln. Die Pressesprecherin Monika Ackermann benennt als Hauptursache für Kinder, die mit dem E-Bike verunfallen, dass „sie die Geschwindigkeit unterschätzt haben und in einer Kurve rausgeflogen sind“. Von 2014 bis 2018 verunfallte ein Kind mit dem E-Bike, im gleichen Zeitraum kam es bei den Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) zu sechs Unfällen: 2014 war es ein Unfall, 2017 waren es zwei und 2018 drei Unfälle.

Bei den Ben-E-Bikes kann man die Geschwindigkeit drosseln

„Die Kinder müssen geschult werden“, sagt Gruner. Sie sollten zunächst Fahrradfahren lernen und allerfrühesten ab der vierten Klasse, wenn sie die Radfahrprüfung bestanden haben, ein E-Bike fahren. „Vom Laufrad aufs Pedelec ist eine Illusion, aber mit ein bisschen Erfahrung ist es durchaus verantwortbar, die Kinder auf ein E-Bike zu lassen“, sagt Gruner.

Österle betont, dass bei den Ben-E-Bikes die Eltern über die Software festlegen, wie schnell das Rad werden darf. „Erlaub sind 25 Kilometer pro Stunde, das finden wir aber zu viel – deshalb kann man die Geschwindigkeit drosseln“. Seiner Meinung nach ist das Fahren mit einem E-Bike weniger gefährlich, da Kinder Berge oft in Zickzacklinien hochfahren würden: „Das ist an einer stark befahrenen Straße kritisch“. Mit dem E-Bike könnten sie in einer Linie fahren.

Die Preise für die E-Bikes „sind schon eine Hausnummer“

Steil und recht geradlinig nach oben geht es auch für Ben-E-Bike: Die Nachfrage sei klar vorhanden, ein Boom sei es noch nicht, sagt Österle: „Aber es wird einer werden“. Im vergangenen Jahr habe man 600 Ben-E-Bikes verkauft, in diesem Jahr würde die Zahl durch interne Umstrukturierungen ähnlich aussehen – doch für das kommende Jahr gehe man davon aus, dass man das Doppelte erreichen werde. „Wir denken bei den Abnehmern auch an Verleiher – das ist auch immer mehr im Kommen.“

Das liegt auch daran, dass der Preis für solch ein Rad – der bei mindestens 1750 Euro liegt – „schon eine Hausnummer ist“, wie Österle selbst sagt. Deshalb würden viele ein solches Rad für ihre Kinder erst einmal im Urlaub testen. Allerdings könne man, wenn das Kind aus dem Rad rausgewachsen sei, „es sofort wiederverkaufen und einen guten Preis dafür erzielen“. Im September wird in Stuttgart ein Showroom für Ben-E-Bikes eröffnet.