Nicht überall in der Stadt war die Passantenfrequenz in der Weihnachtszeit so gut wie in der unteren Königstraße Foto: dpa

Das Weihnachtsgeschäft der Einzelhändler in der Stadt war laut Handelsverband „durchwachsen“. In einem Laden am Charlottenplatz lief es allerdings so gut wie noch nie.

Stuttgart - Manchem Einzelhändler in der Stadt stand vor den Festtagen der Schweiß auf der Stirn. Es war Angstschweiß. Bis nach dem letzten Verkaufstag, dem Samstag vor Heiligabend, war unklar, ob die Ziele erreicht werden. Dazu muss man wissen: Das gesamte Weihnachtsgeschäft macht bei vielen mindestens 20 Prozent vom Jahresumsatz aus. Das Geschäft im November und Dezember hat so gesehen existenziellen Charakter.

Erst nach dem Schlussspurt im vergangenen Jahr gaben die Händler in der Stadt nun Entwarnung. Aber ohne diesen Samstag wäre das Geschäftsjahr 2017 für den einen oder anderen bitter ausgegangen. Sabine Hagmann, Geschäftsführerin des Handelsverbandes, hat die Entwicklung kommen sehen. Bereits im Oktober hat sie eine Warnmeldung herausgegeben. Der Umsatz lag zu diesem Zeitpunkt zwei Prozent unter dem Vorjahreswert: „So einen schlechten Oktober hatten wir noch nie.“ Als Gründe nannte der Verband unter anderem die Diskussion um die Zukunft des Autos, das sich weiter verschärfende Problem mit Ladendieben, die im Land Schäden in Höhe von bis zu 700 Millionen Euro jährlich anrichten, und eine zu hohe Bürokratie.

Auch andere Innenstädte klagen

Der Trend kennzeichnet jedoch keineswegs nur die Lage in Stuttgart, wo über Fahrverbote, Parkplätze und Feinstaubalarme diskutiert werden. Eine Trendumfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) bei 400 Unternehmen aller Größen, Standorte und Branchen zeigt: Auch in anderen großen Innenstädten gibt es Klagen über einen schwachen Geschäftsverlauf. Überall gilt dasselbe Fazit: Der stationäre Einzelhandel ist mit der Umsatzentwicklung unzufrieden. Sabine Hagmann: „Das Weihnachtsgeschäft war durchwachsen.“

Wo Verlierer sind, da gibt es auch Gewinner. In diesem Fall muss man nicht lange suchen. Der Onlinehandel, der sonst im Schnitt zehn Prozent des Umsatzes ausmacht, hat laut Sabine Hagmann im Weihnachtsgeschäft „Spitzen um die 25 Prozent“ erreicht. Insgesamt habe der Onlinehandel den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent steigern können. „Keiner im Handel jubelt, wir auch nicht“, sagt auch Florian Henneka von Korbmayer, „und das obwohl aus unserer Sicht die Passanten-Frequenz in der Stadt nicht schlecht war.“ Das bedeutet nach dieser Lesart: volle Straßen, leere Kassen. Aber selbst das will Sabine Hagmann so nicht stehen lassen: „Viele haben sich eine stärkere Passanten-Frequenz erhofft“, sagt sie.

Probleme sind hausgemacht

So oder so: Trotz guter Rahmenbedingungen und Indizes wie Kaufkraft, Konsumklima oder Konjunktur, läuft es im Handel schleppend. Die Gründe dafür sind laut Florian Henneka teilweise hausgemacht. Er glaubt, dass die Rabattschlacht am Black Friday etwas mit den Umsatzeinbußen im Weihnachtsgeschäft zu tun hätten. Aber neben dem wachsenden Online-Umsatz („Jede Biene sticht“) sei vor allem die Stimmung, die mangelnde Kauflust in der Stadt, Schuld an der Misere. „Aber was die Stimmung angeht“, so Henneka, „sollten wir aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen.“

Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Verbänden und Politik bringe den Handel nicht weiter. Damit widerspricht er Sabine Hagmann, „die bei der Politik den Hebel für einen Bewusstseinswandel ansetzt“. Der Inhaber des Stuttgarter Traditionsgeschäfts plädiert eher für einen Schulterschluss zwischen Stuttgart-Marketing, der Kommunalpolitik und dem Handel, um die Attraktivität der Innenstadt zu steigern. „Ein Weihnachtsmarkt alleine reicht nicht aus, um diese Stimmung rüberzubringen.“ Henneka wünscht sich eine „einheitliche Weihnachtsbeleuchtung in der ganzen Stadt“, aber auch mehr Service für die Kunden. Ganz gleich, ob sie mit dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Auto in die Stadt wollten.

Keiner der beiden Handelsexperten glaubt indes, dass die Momentaufnahme der Hinweis auf ein neues Konsumverhalten ist. Gleichwohl stellt Sabine Hagmann fest, dass „die Leute gerne und viel Geld für hochwertige Lebensmittel und Getränke“ ausgegeben hätten. Ob dies ein Hinweis zu einem Trend weg vom Massen- hin zum nachhaltigen Konsum ist? Soweit würde Helge Gumpert, Bildungsreferent im Weltladen am Charlottenplatz, zwar nicht gehen. „Ich glaube nicht, dass sich am Konsumverhalten etwas grundsätzlich geändert hat.“ Ein wachsendes Bewusstsein für faire Produktion macht sich aber inzwischen in Stuttgart durchaus bemerkbar. Im Weltladen, der nur fair gehandelte Produkte führt, seien die Geschäfte in der Weihnachtszeit „sogar besser als je zuvor gewesen“. Man lernt: Es gibt keinen Trend ohne Gegentrend.