Fahrradfahren birgt mitunter schwer überschaubare Risiken. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ein Fahrradunfall ist Anlass vor eine Odyssee vor den Sozialgerichten. Im Kampf um eine Erstattung von Behandlungskosten durch die Unfallkasse Baden-Württemberg erzielt eine Frau einen Durchbruch in der zweiten Instanz.

Stuttgart - Dass die Mühlen der Gerichte langsam mahlen, ist eine Binsenweisheit. Doch sind zwölf Jahre, die eine Frau schon mit der Unfallkasse Baden-Württemberg über Entschädigungen streitet, ein ungewöhnlich langer Zeitraum. Immerhin hat sie nun in der zweiten Instanz vor dem Landessozialgericht einen Durchbruch erzielt.

 

Als Pflegerin ihrer Eltern war die Frau bei der Pflegekasse angemeldet, als sie an einem Sonntag im Mai 2008 mit dem Fahrrad losfuhr, um bei einem befreundeten Arzt sowohl ein Schmerzmedikament für ihren Vater als auch eine kleine Menge Wildfleisch zu besorgen. Auf dem Rückweg stürzte sie und erlitt Verletzungen am linken Knie. Der spätere Heilungsverlauf litt unter Komplikationen. Deutliche bleibende Schäden sind nicht auszuschließen.

Wildfleisch wirklich für die Eltern bestimmt?

Gegenüber der Unfallkasse gab die Frau zunächst an, die Fahrradfahrt hätte sowohl der Medikamenten- als auch der Nahrungsmittelbeschaffung gedient. In einem späteren Gespräch schilderte sie den Hergang so, dass das Schmerzmittel wesentlicher Anlass der Fahrt gewesen sei. Die Unfallkasse lehnte daraufhin noch in demselben Jahr die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil eine ehrenamtliche Pflegeperson nur bei der Besorgung von Nahrungsmitteln, nicht aber von Medikamenten unfallversichert sei.

Es folgten mehrere Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht Mannheim, dem Landessozialgericht und wegen Verfahrensfragen auch vor dem Bundessozialgericht. Dabei wurde nicht nur darum gestritten, ob denn nun das Schmerzmittel wesentlicher Anlass war oder nicht, sondern auch darum, ob das Wildfleisch wirklich für die zu pflegenden Eltern bestimmt und für ihre Versorgung nötig war. Das Sozialgericht befand schließlich, das Fleisch sei der wesentliche Zweck der Fahrradfahrt gewesen und gab der Frau Recht.

Revision zum Bundessozialgericht zugelassen

Diese Entscheidung wurde nun vom ersten Senat des Landessozialgerichts in Stuttgart bestätigt: Zwar habe keiner der beiden Zwecke im Vordergrund gestanden, weil es kaum möglich sei, diese gegeneinander abzugrenzen – außerdem entspreche es der Lebenswirklichkeit, wenn beides gleichrangig zu der Fahrt motiviert hätte. Doch soll es der Klägerin nicht nachteilig ausgelegt werden, dass sie zeitweise etwas anderes gesagt hätte. Im Übrigen sei auch die Besorgung von Schmerzmitteln eine unfallversicherte Tätigkeit einer Pflegeperson. Daher sei es auf die Frage der Vorrangigkeit einer der beiden Zwecke nicht mehr angekommen.

Beendet ist das Verfahren damit immer noch nicht, denn wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Erst wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist, wird die Unfallkasse etwa über die Erstattung von Behandlungskosten, eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme oder eine Verletztenrente entscheiden.