Aus Melde, auch bekannt als Spanischer Spinat, lässt sich salziger Kuchen backen. Foto: Micha Brem

In Dürnau könnte der erste Park für essbare Wildpflanzen in Baden-Württemberg entstehen. Das Interesse daran ist jedenfalls groß.

Dürnau - Das Interesse ist groß. Die Stuhlreihen im Veranstaltungssaal der Feuerwehr in Dürnau sind besetzt. Es geht um essbare Wildpflanzen, konkreter um einen Park mit essbaren Wildpflanzen. Am Schluss stehen rund 40 Namen von Leuten auf einer Liste, die mithelfen wollen, das Projekt zu verwirklichen. Andrea Stark, eine Dürnauerin, die einen regionalen Bio-Lieferservice betreibt und die Initiatorin der Veranstaltung ist, will sie bald zu einem nächsten Treffen einladen. Dann sollen erste Ideen ausgetauscht werden. Auch der Bürgermeister Markus Wagner und der Gemeinderat sind aufgeschlossen. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

Die Rückkehr zu essbaren Wildpflanzen propagiert

Lebensmittelskandale, wachsende Plastikberge, eine zunehmende Umweltzerstörung – all das beschäftigt die Menschen, die, auf der Suche nach Alternativen zum bisherigen Lebensstil, zu dieser Veranstaltung gekommen sind. Markus Strauß, der Initiator der Stiftung Essbare- Wildpflanzen-Parks (Ewilpa) und Autor zahlreicher Bücher über dieses Thema, macht sich stark für eine „Rückkehr der essbaren Wildpflanzen in unsere Esskultur“. Die Argumente, die er vorbringt, klingen überzeugend. Der Genuss solcher Pflanzen sei sehr gesund: „Sie enthalten fünf- bis zehnmal mehr Vitalstoffe als Kulturpflanzen“, erläutert Strauß. Seine Vision: In ganz Deutschland sollen flächendeckend Ewilpa-Parks entstehen, aus denen sich bedienen darf, wer immer es möchte. Die Vorteile dieser gehobenen Form des Sammelns liegen für ihn auf der Hand: eine gesündere Ernährung, kein Verpackungsmüll, keine langen Transportwege, keine Pestizide, keine Düngung und ein Stück intakte Natur vor der Haustür – Tummelplatz für Bienen und andere Insekten wie auch für Vögel.

Der Park könnte auch die Gemeinschaft im Ort stärken

Zudem stärke das Projekt die dörfliche Gemeinschaft. „Der Ewilpa-Park ist eine moderne Form der Gemeindeflur, eine ausgleichende Maßnahme, die die Gesellschaft befrieden kann“, führte Strauß aus. Um den Gemeinschaftscharakter eines solchen Parks zu unterstreichen, hält er es für sinnvoll, auch einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sich die Sammler treffen können – und sich austauschen sowie gemeinsam Getränke und Gerichte aus Wildpflanzen zubereiten können. Einst hätten die Menschen in Sippen zusammengelebt, mit der Industrialisierung sei die Kleinfamilie aufgekommen. Das Zeitalter der Digitalisierung aber führe zunehmend zu einer „Versingelung, die krank macht“, sagte Strauß. Das gemeinsame Essen aber habe immer auch einen sozialen Faktor.

Kontrollierte Verwilderung ist das Ziel

Die Voraussetzungen für einen Ewilpa-Park hält Strauß in Dürnau für ideal. „Sie leben hier ein bisschen im Paradies im Vergleich zum Unterland, wo nur noch wenig Artenvielfalt herrscht“, sagte er. Außer für seine Streuobstwiesen sei das Albvorland auch bekannt für seine Bärlauchwälder: „So einen Wald könnte man in einen Park einbinden.“ Es gebe die Möglichkeiten, mehrere kleine Flächen an einem Weg anzulegen oder aber ein großes, zusammenhängendes Areal zu gestalten. Wichtig ist ihm, dass nur Pflanzen gesetzt werden, die ohnehin an dem jeweiligen Ort gedeihen. Schließlich solle der Natur nicht etwas aufgepfropft werden. Im Übrigen gehe es nicht nur um Wildkräuter. Außer dieser „Bückware“ gebe es Sträucher wie Weißdorn oder Schlehe und Bäume wie die Vogelbeere, deren Früchte oder Blätter essbar seien. Völlig sich selbst überlassen werde der Park nicht: „Sonst würde er verbuschen.“ Strauß sprach stattdessen von einer „kontrollierten Verwilderung“. Was die Ernte angeht, gibt es strenge Vorgaben. Sichel und Sense sind tabu. „Nur Handpflückung ist erlaubt“, so Strauß.

Der erste Ewilpa-Park befindet sich in Bayern

4000 Ewilpa-Parks bundesweit schweben Strauß vor. Selbstkritisch merkte er an, dass es erst einen gebe: im bayerischen Waldeck, ein zweiter werde nächsten Juni in Bad Pyrmont in Niedersachsen eröffnet. Sollte Dürnau ebenfalls aktiv werden, wäre dieser Ewilpa-Park der erste in Baden-Württemberg.

Der Bürgermeister Markus Wagner zeigte sich nicht abgeneigt: „Das würde zu Dürnau passen.“ Er plädierte aber dafür, es langsam anzugehen und zunächst einmal klein zu beginnen. Eine Umsetzung könnte er sich im Schlosshof vorstellen. Wichtig ist ihm, dass sich Leute wirklich verantwortlich fühlen für das Projekt – und dass es eine Kontinuität gibt. Anknüpfungspunkte sieht er genug: „Wir können die Garten-AG der Schule und unsere 20 Grünflächen-Paten einbinden.“ Auch der örtliche Obstlehrpfad und der Skulpturenpfad könnten einbezogen werden.