Es kann nur einen geben: Entweder wird Jorge Lorenzo (vo.) am Sonntag Moto-GP-Champion oder Valentino Rossi Foto: dpa

Jorge Lorenzo und Valentino Rossi kämpfen um die WM, die Stimmung in Valencia ist ungeheuer aufgeheizt, und womöglich holt sich Lorenzo einen Titel mit Kratzer – obwohl er nichts dafür kann.

Valencia - Ruhig bleiben. Bloß ruhig bleiben. Das ist das oberste Gebot vor dem Saisonfinale der Moto-GP an diesem Sonntag (13.45 Uhr/Eurosport). Valentino Rossi gegen Jorge Lorenzo heißt das Duell; zwar sind sie Teamkollegen bei Yamaha, aber ihre Freundschaft geht gegen Grenzwert null und ist damit vergleichbar mit der zwischen Formel-1-Champion Lewis Hamilton und Mercedes-Partner Nico Rosberg. Das teaminterne Duell Italien gegen Spanien ist es nicht, was den Grand Prix in Valencia zu einem explosiven Gemisch werden lässt.

Es ist die Vorgeschichte – das, was in Sepang passierte. Da ließ der im Titelduell unbeteiligte Heißsporn Marc Marquez die Motorrad-Legende Rossi partout nicht vorbei, schließlich gab es einen Kontakt, Marquez stürzte – die Rennleitung sah darin eine unfaire Aktion des neunmaligen Weltmeisters und bestrafte ihn hart: drei Punkte Abzug, Start vom letzten Platz in Valencia. Damit sind Rossis Chancen, den zehnten Titel zu holen, auf ein Gartenzwergmaß geschrumpft – läuft es normal, dürfte Lorenzo die sieben Zähler Rückstand lässig wettmachen. Er darf nur nicht runterfallen. „Durch diese Strafe“, sagt Ex-Weltmeister Dirk Raudies aus Biberach, „werden die Zuschauer um einen extrem spannenden WM-Fight gebracht. Das finde ich bedauerlich.“

Weil sein Antrag auf Rücknahme der Strafversetzung vom Internationalen Sportgerichtshof (Cas) abgelehnt wurde, ist Valentino Rossi nun entsprechend stinkig, vor allem aber sind seine Fans – und das sind auch außerhalb Italiens nicht gerade wenige – ziemlich angefressen, manche schäumen schon vor Wut. Nun hat auch Marquez in seiner Heimat eine stattliche Zahl Anhänger, jetzt werden die rivalisierenden Gruppen in Valencia aufeinander losgelassen.

Grand Prix wird zum Hoch-Sicherheits-Rennen

„Es wird ein spezielles Wochenende, weil die Atmosphäre extrem angespannt ist“, berichtet Honda-Manager Livio Suppo. Die spanische Polizei hat dem Rennen bereits das Risiko-Siegel „High Alert Event“ verliehen, vergleichbar mit einem Hoch-Sicherheits-Spiel im Fußball. Im Moto-GP sind solche Maßnahmen absolut unüblich. Die Zweirad-Fans lieben und vergöttern ihren Star, sie verspotten und hassen aber keinen anderen. „Wir müssen alles vermeiden, um weiteres Öl ins Feuer zu gießen“, fleht Honda-Manager Suppo.

Die offizielle Pressekonferenz am Donnerstag, bei der die WM-Kontrahenten und wohl auch Marquez gemeinsam auf dem Podium gesessen hätten, wurde kurzerhand gestrichen – damit ja keiner ein falsches Wort abgeben kann. Jorge Lorenzo stellte bei seiner persönlichen Presserunde gleich zu Beginn klar: „Ich beantworte nur Fragen zum Rennen, sonst keine.“ Auch Dirk Raudies schätzt die Piloten für so verantwortungsvoll ein, dass sie die aufgeheizte Stimmung nicht noch weiter befeuern. „Es sind doch alle Profis“, sagt der 51-Jährige.

Das mag sein, auch Rossi und Marquez haben auf das Saisonfinale hin ihre Feindschaft zumindest nach außen hin begraben, doch im Moto-GP-Zirkus tummeln sich auch Zeitgenossen, die ihre Meinung fröhlich hinausposaunen – ob sie danach gefragt werden oder nicht. Alfonso Nieto, Neffe des 13-maligen Weltmeisters Angel Nieto, feuert im Staccatostil verbale Giftpfeile auf Marquez. „Es war mies von Marquez, er hat Rossi eingebremst“, erzählte der Spanier, „in Argentinien hat Marquez das Rennen gegen Rossi verloren. In Assen hat Valentino wieder gewonnen, nachdem sie sich berührt hatten. Das hat Marquez wahnsinnig werden lassen.“

Rossi bremst sich, auch wenn es schwerfallen dürfte, muss er doch damit rechnen, die WM zu verlieren. „Von ganz hinten wird’s schwierig“, sagt der 36-Jährige, „mal sehen, was passiert.“ Das Bizarrste an allem ist, dass Lorenzo vielleicht einen Titel mit Kratzer gewinnt, obwohl er an der Affäre nicht beteiligt war. „Durch Rossis Strafe erhält die WM für ihn ein Geschmäckle“, sagt Raudies. Die Lorenzo-Fans dürften das anders sehen. Hauptsache, es bleibt auch nach dem Saisonfinale alles gesittet in Valencia.