Mit seinen selbst gebauten Elektroboliden beschert das Formula-Student-Team der Dualen Hochschule internationale Erfolge und sich selbst Spaß und Studienpunkte. Foto: Lg/Julian Rettig

Nach Überwindung der Finanzmisere kann Joachim Weber, der Rektor der Dualen Hochschule in Stuttgart, wieder nach vorn blicken. Er kündigt flexiblere Studienangebote an und wünscht sich ein Zukunftskonzept für die Wissenschaftsregion Stuttgart.

Stuttgart - Mehr als 8300 Studierende sind an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stuttgart eingeschrieben. Seit 2006, seit Joachim Weber hier Rektor ist – damals noch an der Berufsakademie –, hat sich die Zahl der Studierenden verdoppelt. Dass es im Jahr 2015/16 beim Wachstum eine Delle gab und die Zahl erstmals schrumpfte, habe daran gelegen, dass das Stellenkonzept der damaligen DHBW-Kanzlerin Gisela Meister-Scheufelen (CDU) „nicht gepasst“ habe, wie der Stuttgarter DHBW-Verwaltungschef Dieter Renz es formuliert. „Das war für uns keine einfache Zeit.“

In der Folge konnten 35 Infrastruktur-Stellen und 20 Professorenstellen nicht besetzt werden. „Durch Sparmaßnahmen in allen Bereichen haben wir uns Spielraum erarbeitet“, so Renz. Mittlerweile wurde Meister-Scheufelen durch Wolf-Dieter Heinbach ersetzt, in Stuttgart gebe es „wieder eine solide Finanzierung“ – und Joachim Weber konnte optimistisch in seine dritte Amtszeit starten.

An Studienbewerbern mangelt es nicht. Welche andere Hochschule verzeichnet mehrere Hundert Bewerber auf einen Studienplatz? Die Vorauswahl treffen die 2000 Partnerfirmen. Sie melden auch ihren Themenbedarf in der Lehre. „Wir reagieren relativ rasch auf Entwicklungen in der Gesellschaft“, sagt Weber. Es ist kein Zufall, dass in Stuttgart neben den drei Fakultäten Sozialwesen, Technik und Wirtschaft als vierte eine für Gesundheit aufgebaut wird. Die Anregung gaben Krankenhäuser. „So kam es zur Akademisierung“, sagt Weber. Inzwischen kann man Angewandte Gesundheits-, Pflege- und Hebammenwissenschaften studieren.

Ethik soll Pflichtbestandteil des Studiums werden

Doch auch die klassischen Fächer werden weiterentwickelt. Im Oktober startet der BWL-Bachelor Digital Business Management mit 30 Plätzen, der Fokus liegt auf neuen Entwicklungen bei der industriellen Fertigung. „Die Studierenden lernen mehr Informatik – die Firmen sagen: wir brauchen das“, so Weber. Spätestens im Herbst 2019 soll Data Sciences als neuer Schwerpunkt die Wirtschaftsinformatik bereichern. Auch zu neuen Mobilitätskonzepten sollen Studienangebote starten.

Und noch etwas will Weber grundlegend ändern: „Wir möchten, dass die Studierenden lernen, fakultätsübergreifend zu denken.“ Deshalb sollen in technische Studiengänge auch BWL- und sozialwissenschaftliche Module integriert werden, umgekehrt sollen auch Wirtschaftsstudierende Technik und Sozialwissenschaften kennenlernen. Und Ethik soll Pflichtbestandteil werden. Es gehe darum, die Konsequenzen etwa des autonomen Fahrens oder des Einsatzes von Pflegerobotern für die Gesellschaft zu reflektieren, sagt Weber.

„Wir werden eine neue Generation von Studienangeboten entwickeln“, kündigt Weber an. Darin werde mehr Wert auf Methodenkompetenz gelegt, die Studierenden sollen neben Pflichtmodulen ein größeres Wahlangebot bekommen. Dazu gehören neue Lehr- und Lernformen, in denen Studierende aller Fakultäten zusammenarbeiten, wie es beim Formula-Student-Team bereits geschehe, das jedes Jahr einen Rennwagen baut, mittlerweile mit Elektroantrieb, und damit in internationalen Wettbewerben antritt. Dass die DHBW als dritte Hochschule in Deutschland systemakkreditiert ist, darauf ist Weber stolz. Somit dürfe sie neue Studienangebote selbst entwickeln. Auch duale Masterstudiengängeseien zunehmend gefragt – „auch von Leuten, die ihren Bachelor nicht an der DHBW gemacht haben.“. Die Masterkurse bündelt die DHBW in Heilbronn.

Joachim Webers Ziel: „ein richtiges Hochschulviertel in der Innenstadt“

Sorge bereitet Weber die Infrastruktur. In Stuttgart ist die DHBW auf 20 Teilstandorte verstreut, dazu kommen noch zwei in Horb. „Uns wurden Raumressourcen zugestanden, aber uns fehlen die passenden Gebäude – der Immobilienmarkt in Stuttgart ist leergefegt“, sagt Renz. Ein Lichtblick: 2020 soll der Neubau der Technikfakultät hinter dem Hoppenlau-Friedhof fertig sein. Auch Rektorat und Verwaltung werden dort einziehen. „Der Neubau ist für uns ein Schaufenster – als Hochschule und für die Stadt“, sagt Weber. Ziel sei „ein richtiges Hochschulviertel in der Innenstadt“, in Kooperation mit den Nachbarn: Uni Stuttgart und Hochschule für Technik. Auch Synergien seien denkbar. „Warum brauchen drei Hochschulen drei Bibliotheken?“, so Weber. Die Rektoren verstünden sich gut.

„Wir wünschen uns, dass die Stadt Stuttgart die Bedeutung und Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu ihrem eigenen Vorteil nutzt“, so Weber. Doch der von der früheren Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) initiierte Arbeitskreis Wissenschaft sei eingeschlafen. Jetzt setzt Weber auf die Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V.: „Es geht darum, ein Zukunftskonzept für die Region Stuttgart zu entwickeln.“